Berlin Fashionweek Horstson fragt nach

Hallo Michael – wie geht’s Dir?

Portrait
Michael Michalsky; Bild: Alexander Gnädiger

Schon faste eine gute Tradition bei Horstson – das alljährliche Interview mit Michael Michalsky. Also haben Peter und ich uns wieder mit dem Designer getroffen und jede Menge Fragen gestellt. Angefangen haben wir mit der Pulitzer Preis verdächtigen Frage:
Hallo Michael – wie geht’s Dir?

Mir geht es prima, danke! Ich bin sehr neugierig und gespannt auf die Fashion Week und insbesondere auf die StyleNite. Aber ansonsten ist alles cool.

Was war für Dich eigentlich der Moment, der Anlass oder die Inspiration in deinem Leben, dass Du Mode machen wolltest. Wann war das und was löste das bei Dir aus?

Ich habe mich schon immer gerne gestylt, sogar als Kind. Andere haben Fußball gespielt, ich habe jedoch Klamotten geliebt. Irgendwann, ich war erst 12, sah ich eine große Reportage im Stern über Karl Lagerfeld und da war es passiert. Liebe zur Mode auf den ersten Blick.

Welches sind Deine drei großen Leitbilder an Designern, die Du bewunderst oder die Dich beeinflussen?

Karl Lagerfeld, Yoshi Yamamoto, um den dritten Platz streiten sich verschiedene…

Wolfgang Joop und Yves Saint Laurent liebten die Epoche der Kriegs- und Nachkriegszeit Frauen, Karl Lagerfeld das 18. Jahrhundert und die Zeit der Weimarer Republik… Hast Du auch eine Lieblings-Epoche, die Dich bei Deinen Frauen Kollektionen inspiriert?

Nein, nicht wirklich. Als Designer holt man sich natürlich auch Inspirationen in der Vergangenheit. Aber ich bin viel mehr vom heutigen Leben inspiriert, denn ich arbeite für die Menschen von heute. Jugendkultur, Kunst, Musik und vor allem Fotografie sind meine Inspirationsquellen.

Wie ist dein Verhältnis zu Materialien … Gibt es Materialien, die sich in jeder Kollektion wieder finden oder die Du besonders bevorzugst?

Ich liebe hochwertiges Material, dass sich weich und soft anfasst. Es muss der Haut schmeicheln und hat mit wohl fühlen zu tun. Es ist mir wichtig, dass ich, bevor ich das Stück anziehe, es anfassen kann. Ich bin aber nicht festgelegt auf bestimmte Materialien und experimentiere gern.

In der letzten Winter-Kollektion (die sich jetzt im Handel befindet) hattest Du das Thema „Zirkus“ und hast für die Prints mit dem Illustrator Bendix Bauer zusammengearbeitet… Sind weitere Künstler-Kooperationen geplant und wen könntest Du Dir da vorstellen bzw. wären deine Wunsch-Kandidaten?

Das Thema dieser Kollektion war „Broken Promises“ und das Thema der kommenden Sommerkollektion wird „Sweet Freedom“ heißen. Meine Mode ist ja bekannt für die saisonalen Prints, die das Kollektionsthema künstlerisch behandeln. Diese Prints entwickle ich jedes Mal gemeinsam mit einem anderen Künstler. Ich mag diese fachübergreifende Zusammenarbeit und werde diese auch in Zukunft fortführen. Bestimmte Wunsch-Künstler habe ich allerdings nicht. Es sollte jemand sein, der mir durch seine Arbeit auffällt und mit dem ich mich über mein Kollektionsthema kreativ austauschen kann. Manchmal führe ich Gespräche mit mehreren Künstlern bis mir einer gefällt.

Wir finden es ja sehr schön, wenn man seine Kollektionen nach Themen gestaltet… Lagerfeld macht das ja oft brillant für Chanel … Ist das für Dich auch eher schön, eine Kollektion aus einem Thema zu beziehen oder machst du lieber freie Kollektionen, wo Du verschiedene Themen mischst?

Ich habe immer ein Thema. Es gab schon „Sex and Religion“, „Tolerance“, „Lust“ und andere. Meine Themen haben immer einen Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen oder politischen Ereignissen. Es sind Themen, von denen ich denke, dass sie eine aktuelle Relevanz haben, daher greife ich sie auf und behandle die Themen mit meinen Mitteln der Mode. Ich gebe zwar keine Meinung dazu ab, denn das ist nicht mein Job, jedoch möchte ich sensibilisieren. Das kommende Kollektionsthema „Sweet Freedom“ passt ja perfekt zu den aktuellen Abhörskandalen und zu der Diskussion um die Homo-Ehe. Und das Thema „Broken Promises“ von der Winterkollektion hat auch ein bisschen mit der Bundestagswahl zu tun.

Du zeigst deine Kollektionen immer in Berlin. Reizt es Dich nicht, auch mal international den Schritt zu machen und in Paris bei der Prêt-à-porter oder vielleicht – moderner und zu deinem Style passend – in New York zu zeigen?

Nein, überhaupt nicht. Als ich mein Label gegründet habe hätte ich auch nach New York oder London gehen können, ich kenne ja überall Leute aus der Branche. Die Entscheidung für Berlin war eine bewusste und sie war richtig. Berlin ist der perfekte Standort für meine Mode, denn hier passiert die Zukunft. Die deutsche Mode hat eine lange, erfolgreiche Tradition woran ich anknüpfen will und gemeinsam mit anderen den Modestandort Deutschland wieder nach vorn bringen möchte. Das kann ich nur, wenn ich meine Mode hier auch zeige.

Hugo Boss zeigt diese Saison nicht in Berlin, Kaviar Gauche hingegen wieder – wie siehst Du die Entwicklung der MBFWB? Zufrieden?

Insgesamt ist die Berlin Fashion Week schon jetzt ein großer Erfolg. Es gibt sie ja erst seit 2007. Als ich meine erste Show im Rathaus zeigte, gab es die Modewoche noch gar nicht. Diesmal sind es wieder an die 50 Shows und sehr viele Veranstaltungen. Der ewige Vergleich mit anderen Modestädten ist unnötig, denn Berlin hat eine eigene, starke Story. Warum Boss diesmal nicht zeigt, weiß ich nicht. Aber für Boss ist Deutschland nur einer von vielen Märkten und ein Label kann pro Saison nur eine Show machen. Dass Kaviar Gauche wieder in Berlin zeigt, finde ich sehr gut. Ich finde ein Label sollte sich zu seinem Heimatmarkt bekennen.

Du hast einen Wunsch frei – welches Label sollte unbedingt in Berlin zeigen?

Keines, was nicht ernsthaft Mode für die deutschen Kunden machen will aber ich fände ein, zwei Avantgarde-Label in Berlin gut. Das müssen gar keine großen Namen sein, sondern eher Designer, die neue Wege gehen wollen. Das passt zu Berlin.

… und welches deutsche Label?

Ich fände es toll, wenn einer der weltweit großen, deutschen Sportswear-Labels seine Shows in Berlin zeigen würden wie Adidas oder Puma. Die haben viel zu erzählen und immer wieder spannende Entwicklungen.

Gibt es einen Zusammenhalt zwischen den Designern in Berlin? Oder geht jeder seinen eigenen Weg?

Man kennt sich und tauscht sich aus. Ich habe ein gutes Verhältnis zu vielen der Designer. Aber natürlich sucht jeder seinen Weg zum Erfolg.

Was ist Deine Vision für die MICHALSKY Frau? Wie lebt sie? Arbeitet sie, hat sie Kinder? Wie sieht sie aus und was sind ihre Ideale?

Die MICHALSKY Frau ist eine Persönlichkeit. Sie lebt in der Stadt und regelt ihre Angelegenheiten selbst. Sie ist sexy, selbstbewusst und liebt es, sich gut zu kleiden ohne eine Puppe zu sein. Sie betrachtet Mode als Teil ihrer Persönlichkeit und setzt ihren Stil bewusst ein. Ich mag sie.

Abercrombie & Fitch Ceo Mike Jeffries möchte eigentlich nur schlanke Menschen in Kleidung seines Unternehmens sehen – wie siehst Du das? Bis zu welchen Größen gib es Deine Kollektionen?

Möchte er? (lacht) Das ist Unsinn, finde ich. Das Motto meines Labels lautet, „Real Clothes For Real People“. Meine Aufgabe als Designer ist es, Mode für die Menschen zu machen, wie sie sind. Ich will keinen Menschen nach meiner Mode gestalten. Ich gestalte Mode für Menschen, nicht umgedreht.

Gibt es eine langfristige Entwicklungsstrategie für Dich und Dein Unternehmen? Möchtest Du mit Deiner Hauptlinie eher klein, fein und hochwertig bleiben, oder strebst Du nach großer Expansion?

Klein und hochwertig finde ich schon gut. Viel wichtiger ist mir jedoch, die Mode als Teil eines Lifestyles zu betrachten. Mode steht nicht allein da, denn sie ist immer im Kontext zu sehen. Deshalb gestalte ich auch viele andere Produkte, mache Interieur-design, habe eine Living Kollektion mit Sofas, Tapeten und Teppichen. All das sind Teile von MICHALSKY. Wobei die Mode immer das Rückgrat und die Basis bildet.

Wenn Du ein Kleidungsstück oder eine Ikone der Bekleidung erfunden haben könntest, welches wäre es gewesen?

Den High-Heel – Ich liebe High-Heels. Deshalb habe ich gerade mit Kennel & Schmenger aus Pirmasens eine neue Schuhkollektion entwickelt.

Würdest Du, wenn du heute noch mal 18 Jahre alt wärest, wieder Modeschöpfer werden oder was ganz anderes machen? Wenn ja, was würdest Du werden wollen?

Ich würde Unbedingt wieder Modedesigner werden. Da gibt es keine Zweifel.

Du machst zwei Kollektionen (jeweils Männer- und Frauenkollektion) im Jahr… wir sind der Meinung, dass das auch genügt. Andere Designer machen Cruise, Vor- und Zwischenprogramne und haben gar keine Zeit mehr, Modelle zu entwickeln und zu tüfteln. Meinst Du, die großen Marken werden auch aufgrund der kaum zu überblickenden Kollektions-Fluten sich wieder auf 2 Kollektionen pro Jahr beschränken?

Es sind vier Kollektionen, jeweils Männer und Frauen für Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter. Ich bin Deiner Meinung, das reicht komplett aus. Große Konzerne wollen immer mehr verkaufen und werfen daher in immer kürzeren Abständen neue Produkte auf den Markt und nennen sie „Kollektion“. Dabei gehen Stil und Kollektionsaussage komplett verloren, wobei Stil gern im Sinne von stilvoll zu verstehen ist. So etwas gipfelt bei den großen Ketten, die 14tägig neue „Trends“ entdecken. Ich als Modedesigner hasse „Fast Fashion“. Das hat weder Geschmack, noch ist es umweltbewusst.

Tom Ford zeigt seine Kollektionen in einem sehr kleinen Kreis, Bilder gibt es von den Defilees keine – Du widmest Deinen Kollektionen eine ganze Nacht, überträgst die Schau via Live Stream … Wie denkst Du über das Thema? Ist Tom Ford ein Vorreiter und in 10 Jahren wird die Mode wieder nur einem kleinen Personenkreis gezeigt?

Das glaube ich nicht, da es eher ein künstlerisch anderer Ansatz ist. Die MICHALSKY StyleNite wurde als Kulturevent konzipiert, weil ich Mode als Teil unseres Lifestyles betrachte. Die Modenschau ist ein wichtiger Part und spendiert dem Abend das Thema. Aber es gibt eben auch Live-Musik und Kunstperformances und den Livestream im Internet. In meinen Augen ist Mode nichts Elitäres. Deshalb freue ich mich, wenn 40.000 Leute den Livestream von der StyleNite anschauen, wie im vergangenen Januar.

Einige Highstreet Ketten stehen zurzeit unter Kritik, sie würden ihr Kleidung unter unwürdigen Methoden herstellen. Wo lässt MICHALSKY produzieren?

Alles wird in Europa produziert, vieles sogar in Deutschland. Alles ist sicher, deshalb nicht ganz billig aber dafür hochwertig und mit absolut gutem Gefühl.

Suzy Menkes äußerte sich neulich sehr kritisch über „die Pfauen in der Manege“ und spielte auf Blogger und Modejournalisten an, die sich zum Mittelpunkt des Geschehens machen. Siehst Du das ähnlich kritisch?

Nein, überhaupt nicht. Blogger sind ein wichtiger Part in der Berichterstattung und eine gute Entwicklung. Dass es Qualitätsunterschiede gibt brauchen wir nicht diskutieren. Aber ist das in der Presse oder im TV anders? Ich finde Blogger klasse und sie sind zeitgemäß.

In Deutschland wird gerade das Modemarken-Maskottchen Phänomen diskutiert. Ausgelöst hat es Siems Luckwaldt, der auf dem Luxury Business Day klare Worte zu Bloggern, der Kommerzialisierung der Blogs, aber auch zum Qualitätsverfall im Modejournalismus gefunden hat. Merkst Du auch eine Veränderung im Modejournalismus? Werden Blogs den Modejournalismus zu einer Renaissance führen?

Gute Frage. Wenn ein Blogger von seinem Blog leben will, muss er Geld verdienen, denn Sein einziges Produkt ist die Reichweite und dann wird er interessant für Werbetreibende. Und schon ist der Konflikt da, in wie weit er sich inhaltlich, redaktionell von seinen Werbekunden beeinflussen lässt. Das ist aber nichts Neues, denn das gilt für andere Medien seit langem. Vielleicht ist es gut, wenn dieses System am Beispiel der Blogger einmal ernsthaft diskutiert wird? Die Lösung wäre nur, wenn für Inhalte bezahlt würde wie bei der New York Times. Aber das sehe ich nicht flächendeckend erfolgreich.

Es gibt von Dir Sofas, Du hast eine Vinothek designt, eine Bar in Berlin entworfen, mit Ariel zusammengearbeitet und bist das neue Testimonial der 3M Office-Marken – keine Angst vor einer Zerstreuung der Marke „MICHALSKY“?

Ich mache noch viel mehr, und das ist gut so. MICHALSKY ist Lifestyle mit der Mode als Kernmessage. All diese Produkte, die ich designe, sind auch Lifestyle und Teil unseres Lebens. All das ist Mode in einem erweiterten Sinn.

Lagerfeld zeigte 2 Frauen im Brautkleid und spielte damit auf die Diskussion um die Gleichstellung der Ehe gleichgeschlechtlicher Paare in Frankreich an, Anna Wintour twitterte vor ein paar Tagen: „Das heutige Urteil ist ein großer Schritt für alle Amerikaner die Gleichberechtigung anstreben. Ich könnte nicht glücklicher oder stolzer sein. – A.W.“, und meint damit die Gleichstellung der Homo-Ehe. Werden wir auch politische Aussagen bei Dir sehen oder von Dir hören, oder hältst Du Dich lieber im Hintergrund?

Mein aktuelles Kollektionsthema heißt „Sweet Freedom“. Insofern bin ich mit der Art meiner Kommentierung eher bei Karl als bei Anna.

Möchtest Du auch irgendwann mal heiraten? Lieber wie Standford und Anthony in Sex And The City mit Flamingos und Liza Minelli oder lieber heimlich, still und leise?

(lacht) Wenn ich endlich mal den Mann meiner Träume finde, denken wir darüber nach. Aber ich glaube, es wäre eher eine kleine Geschichte mit guten Freunden. Ich brauche nichts über mein Privatleben in der Zeitung lesen.

Welche Frage wurdest Du noch nie in einem Interview gefragt und möchtest sie aber zu gerne mal beantworten? Ich gebe Dir die Chance …

Herr Michalsky, sind Sie der Meinung, dass das Leben schön ist? Meine Antwort wäre: Ja!

Vielen Dank für das Interview!

Ich bedanke mich herzlich bei dir! Enjoy Fashion Week!

  • Siegmar
    3. Juli 2013 at 15:53

    wird mir immer sympathischer und sieht auch auf den Fotos in der letzten Zeit wesentlich besser aus. Bei der Stylenite werde ich dabei sein, freue mich drauf!

    Schön ist die nie gestellt Frage und seine Antwort! 🙂

  • peter
    3. Juli 2013 at 16:59

    Gute Leute sind immer Bodenständig!!!Sehr sympathisch!!

  • bernd
    3. Juli 2013 at 17:10

    Sympatisches Interview.
    Die Frage mit dem Journalismus ist dann doch zu weit gegriffen. Zum Journalismus gehört etwas mehr.
    Eine Ausbildung oder ein Studium vielleicht (?).
    Nicht jeder, der ein Pflaster aufkleben kann, ist ein Arzt.
    Immer schön auf dem Boden bleiben und die Sache nicht
    überbewerten.
    „Schreiben lernt man durch Schreiben“ hat mein Deutschlehrer immer gesagt.

    Schöne Grüße aus der Hauptstadt.

  • Markus Brunner
    3. Juli 2013 at 17:11

    i like, klingt sympathisch und sehr überzeugend,
    und die prints von bendix sind toll

  • monsieur_didier
    3. Juli 2013 at 19:09

    …in der Tat, ein sehr sympathisches, entspanntes Gespräch…
    ich gehe nicht mit allen Aussagen konform, aber im großen und ganzen schon…

    mehr Gespräche dieser Art (ich möchte sie nicht Interviews nennen) wären schön…

  • Lokonda
    3. Juli 2013 at 21:32

    Hallo Horst,

    darf man fragen, wo und wie lange noch Dein Designer- Freundebuch ruht?

    Liebe Grüße

  • Horst
    4. Juli 2013 at 10:12

    @Lakonda irgendwie ist das eingaschlafen – man müsste es eigentlich wieder reanimieren! Danke für den Hinweis, scheint ja einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben! 🙂

    @Monsieur Vielen Dank, dann müssen wir wohl häufiger etwas in dieser Art machen! 🙂

    @Bernd Die Frage nach der Renessaince des Modejournalismus war auf den Vortrag von Siems Luckwaldt gemünzt… Wir sehen uns als das was wir sind – und zwei von uns sehen sich eben auch als Modejournalisten, da sie es sind.

    @all Es freut mich das euch das Interview gefallen hat! 🙂