Mit The Salvation beweist Kristian Levring, dass auch Dänen Western können. Knallhartes Genrekino mit hochkarätiger Besetzung. Mit an Bord ist ein alter Bekannter.
Once upon a time in the West
Amerika im ausgehenden 19. Jahrhundert. Ein staubiger Bahnhof in einem gottverlassenen Kaff irgendwo im Westen. Sieben Jahre hat Jon (Mads Mikkelsen) seine Familie nicht gesehen. Sieben Jahre, in denen er gemeinsam mit seinem Bruder Peter (Mikael Persbrandt) ein Fleckchen Land urbar machte, um nun endlich Frau und Sohn aus Dänemark nachzuholen. Harmonische Szenen, die vom bescheidenen Glück ehrlicher Leute künden. Ein Hauch von Disney durchweht die Prärie in den Anfangsszenen von The Salvation. Allein – wir ahnen es – das Glück ist nicht von Dauer …
Bereits auf der Fahrt zum neuen Heim wendet sich das Blatt. Das Unglück bricht sich Bahn in Gestalt zweier Halunken, die dermaßen brutal über die kleine Familie herfallen, dass man erst einmal halbwegs beklommen im Kinosessel versinkt. Am Ende bleibt Jon nichts als Rache – er erschießt die beiden Schurken und beerdigt Frau und Kind. Da sind gerade einmal fünf Minuten vergangen. Die eigentliche Story nimmt erst Fahrt auf, als der örtliche Tyrann Delarue von den Ereignissen erfährt. Einer der beiden Verbrecher war sein Bruder. Und so kommt, was kommen muss.
Regisseur Kristian Levring gehörte vor bald 20 Jahren zu den vier Unterzeichnern des Dogma95-Manifests. The Salvation ist der vorläufige Endpunkt seiner filmischen Entwicklung, in der er ebenjene Dogma-Grundsätze sukzessive über den Haufen warf. Allerdings erhält er Absolution von höchster Stelle, produziert hat den Streifen nämlich Lars von Triers Zentropa. Konstanter ist Levring was die Wahl seiner Stoffe anbelangt. Bereits The King is Alive (2000) und The Intended (2002) erzählten von der Dynamik kleiner, abgeschiedener Gruppen in einer feindseligen Umwelt. Ein Sujet, das in gewisser Weise auch in The Salvation vor klassischer Westernkulisse behandelt wird.
Mit geschätzten zehn Millionen Euro fällt das Budget für einen dänischen Film ziemlich großzügig aus. Das merkt man dem Film auch an. Gedreht wurde in Südafrika, vor beeindruckender Kulisse. Die weite, aufgeräumte Prärielandschaft steht dabei in scharfem Kontrast zu der staubigen Ansammlung von Bretterverschlägen, die sich hier „Stadt“ schimpft. Alles ist roh gezimmert, echtes Frontier-Ambiente eben. Stilistisch ist The Salvation an die Spaghettiwestern der 60er Jahre angelehnt. Die schmutzigen Banditen in ihrer überzeichneten Brutalität lassen Fans des Genres dabei ebenso wie die zerfurchten, vom Leben gezeichneten Siedler und das spannungsgeladene Gitarrenthema wissend in sich hinein schmunzeln.
Don`t you fuck with Éric!
Gleiches gilt für den von Jeffrey Dean Morgan gespielten Bösewicht Delarue. Der dauerrauchende Übeltäter könnte auch dem Klassiker Spiel mir das Lied vom Tod entstiegen sein. Er wird allerdings als dermaßen gefühlskalter Killer etabliert, dass wohl selbst Sergio Leone schwer geschluckt hätte, wenn mal wieder ein beinamputierter Krüppel oder ein Großmütterchen dran glauben müssen (dankenswerterweise verzichtet Regisseur Levring aber auf zu explizite Gewaltdarstellung, sodass trotz hohem Bodycount auch empfindlichere Gemüter zuschauen können, ohne Herzrasen zu bekommen). Delarue, dereinst Colonel bei der Army, ist nun dekorierter Veteran der Indianerkriege. Wir analysieren küchenpsychologisch, dass die Wurzeln seines dramatischen Gewaltproblems in jener Zeit zu verorten sind. Vom Ruhestand will der umtriebige Bösewicht allerdings nichts wissen. Gemeinsam mit seiner Bande terrorisiert er die braven Siedler in der Gegend.
Immer an seiner Seite ist dabei der heimliche Star des Films: Delarues rechte Hand, genannt „Korse“ und gespielt von Éric Cantona. Den Fußballfans dürfte der kleine Franzose noch als einer der besten Stürmer in Erinnerung sein, die Manchester United je hatte – und als enfant terrible. Auf der Insel wird „King Éric“ bis heute nicht nur für seine wunderbaren Tore verehrt, sondern auch für seine Eskapaden auf und neben dem Platz. Im Gegensatz zu seinem ebenfalls schauspielernden Ex-Kollegen Vinnie Jones (Bube, Dame, König, grAS, Snatch) beweist Cantona allerdings echtes Talent. Das Charisma und die physische Präsenz, die ihn schon auf dem Platz auszeichneten, hat er mit vor die Kamera gerettet. Wenn er als „Korse“ den Veteranen Jon erst dafür schätzt, dass dieser im Deutsch-Dänischen Krieg so einige „Germans“ abgemurkst hat (ein französisch eingefärbtes „You have my respect!“), nur um dem Gefesselten dann ansatzlos einen fiesen Nierenschwinger zu verpassen, macht es Spaß, dem Bösewicht zuzuschauen. Und natürlich erinnern wir uns an seine vielleicht unvergesslichste Szene als Fußballprofi. Ein eingesprungener Tritt in bester Kung-Fu-Manier beim Spiel gegen Crystal Palace. Das Opfer? Ein Fan, der ihn nach einem Platzverweis beleidigt hatte. Don`t you fuck with Éric!
Im Mittelpunkt des Films steht aber natürlich Mads Mikkelsen (Dänische Delikatessen, Die Jagd). In seiner Heimat Dänemark längst ein Star, ist er spätestens seit seinem Auftritt als Bondschurke Le Chiffre in Casino Royale weit über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Mikkelsen personifiziert wie kein anderer Schauspieler das aufregende dänische Kino der letzten 20 Jahre. Es liegt auf der Hand, dass die Rolle als schweigsamer Rächer ihm nicht annähernd eine solche Kraftleistung abringt, wie er sie in Die Jagd (2012) zeigen durfte. Trotzdem schafft er es gewohnt überzeugend, seiner Figur mit minimalistischem Spiel Authentizität zu verleihen. Nicht minder beeindruckt der Schwede Mikael Persbrandt als Jons Bruder Peter.
Mit Eva Green (Sin City, Casino Royale) und Jonathan Pryce (Bedtime Stories, Der Morgen stirbt nie) sind zwei weitere namhafte Schauspieler mit Bond-Erfahrung an Bord. Komplettiert wird das exquisite Ensemble durch die Nebenrolle der wunderbaren Nanna Øland Fabricius, Elektropopfans besser bekannt als Oh Land (Sun of a Gun).
Überraschung? Ne, lass mal…
Trotzdem überzeugt The Salvation nicht vollends, was man getrost dem Drehbuch anrechnen darf. Zwar stand das oscarprämierte Allroundgenie Anders Thomas Jensen (Wahlnacht, Adams Äpfel) Regisseur Levring als Drehbuchautor zur Seite. Doch ist der Film in ein zu starres Genrekorsett gepresst, um wirklich überraschen zu können. Beispiel gefällig? Ein kleines Kaff – in dem der Bestatter der Bürgermeister ist und der Sherriff gleichzeitig der Pfarrer – wird von einer gemeinen Mörderbande unter ihrem blutrünstigen Anführer terrorisiert, die in einer halb abgebrannten Geisterstadt hausen. Die Dorfbewohner warten zwar sehnlichst auf einen Befreier, sind aber selber alles andere als mutig und moralisch integer, wenn es gilt, dem Bösen die Stirn zu bieten. Zu allem Überfluss zieht im Hintergrund eine böse Ölfirma (keine Eisenbahngesellschaft?) die Fäden. Nur der einsame Rächer ist Manns genug sich gegen die Unterdrücker zu erheben, nachdem er alles verloren hat. Ob das wohl in einem großen Showdown endet?
Anfang des Jahres zeigte Andreas Prochaska mit dem Ösi-Western Das finstere Tal, wie man es besser macht. Hier kämpfte sich Sam Riley alias Greider durch einen ebenfalls wenig überraschenden Plot. Trotzdem nahm der Film bedeutend mehr Fahrt auf und beeindruckte nachhaltiger als sein dänisches Pendant. Abgesehen davon liefert Levring mit The Salvation allerdings gut gemachtes, knallhartes Genrekino ab, das sich mit der Konkurrenz aus Übersee allemal messen kann. Für Freunde des Eurowesterns und alle, die nicht schon sehnsüchtig auf Batman vs. Django warten, ist ein Besuch also durchaus lohnenswert.
The Salvation
Land: Dänemark 2014
Regie: Kristian Levring
Drehbuch: Anders Thomas Jensen, Kristian Levring
Mit: Mads Mikkelsen, Mikael Persbrandt, Jeffrey Dean Morgan, Eva Green, Jonathan Pryce, Éric Cantona, Nanna Øland Fabricius
Produktion: Zentropa
Verleih: Concorde
Länge: 90 min.
Start: 09. Oktober 2014
Website
Siegmar
29. Oktober 2014 at 11:49das ist ja klasse, bekommen wir jetzt bei Horstson öfters mal “ Filmkritiken „, diese hier hat mir schon sehr gefallen.
Anna-Lena
29. Oktober 2014 at 22:34Mehr Filmkritiken bitte! Auch spannende Wahl – I like!
Monsieur_Didier
30. Oktober 2014 at 17:34…gefällt mir, sehr gut geschrieben…
und ja, finde ich auch, gerne öfter mal eine Filmbesprechung…!