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„Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“ Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Piles of Mutilated Hosiery, Haryana, India
Tim Mitchell, Clothing Recycled, 2005, © Tim Mitchell

Vielleicht ist es einfach ein Generationsproblem: „Früher“ gab es keine Fast Fashion. Es gab natürlich günstige Kleidung, aber man mochte nicht von „Fashion“ sprechen – Jeans von Jinglers waren alles andere als modisch – Glöckchen am Reißverschluss hin oder her. Dafür waren die Jeans zweckmäßig.
Während die privaten Konsumausgaben für Bekleidung und Schuhe im Jahr 1970 in Deutschland bei 18,58 Milliarden Euro lagen, hatten sie sich bis zum Jahr 1980 bereits fast verdoppelt. 2013 lagen dann die Ausgaben bei unglaublichen 73,5 Milliarden Euro*. Eine Entwicklung, die sich auf zwei Arten bemerkbar macht: Schaut man sich heute auf Blogs oder auf irgendeiner Fußgängerzone um, fällt auf, dass „H&M“, „Mango“, „ZARA“ und Co. maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die Menschen zumindest auf den ersten flüchtigen Blick „besser“ gekleidet sind, als noch Jahrzehnte zuvor. Nie war es so einfach, sich modisch anzuziehen, wie heute. Auf den zweiten Blick fällt aber auf, dass die Individualität auf der Strecke geblieben ist. Mode mag vielleicht demokratisch sein, kreativ aber nicht unbedingt – Fast Fashion sei dank …
Rana Plaza Collapse: Death of A Thousand Dreams
Taslima Akhter, Death of a Thousand Dreams, Rana Plaza a nine-story commercial building at Savar, Dhaka collapsed on 24th April 2013. More than 1134 garment workers died and several hundreds are missing, Savar, Bangladesh, 2013, © Taslima Akhter

Der Begriff „Fast Fashion“ steht für ein spezifisches Produktions- und Vertriebssystem für massenproduzierte Modewaren, die häufig von High End-Entwürfen kopiert und weltweit zu Niedrigpreisen verkauft werden. Fast Fashion bedeutet auch Beschleunigung: für die Globalisierung des modischen Mainstreams, für Produktion und Handel (möglich ist ein Zeitraum von zwei Wochen vom Entwurf bis die Kleidung dann traurig am Bügel hängt), für den Gebrauch und Verschleiß von Kleidung. In der Hierarchie der Mode ist die Fast Fashion am unteren Ende angesiedelt, nach der Haute Couture, der Prêt-à-porter und der Konfektion im mittleren Preissegment – also z.B. adidas, Marc O’Polo und Co.
Fast Fashion hat außerdem einen neuen Typus des schnellen Modekonsumenten hervorgebracht – auf Kosten von katastrophalen Arbeitsbedingungen. Aber was schert das den geneigten Kunden, wenn man sich für den Gegenwert eines Caramel Macchiato mit Soja-Latte ein T-Shirt beim Textil-Disounter kaufen und es nach der Schule stolz wie Oskar auf dem eigenen Blogspot-Modeblog präsentieren kann?
Rana Plaza Collapse: Death of A Thousand Dreams
Taslima Akhter, Death of A Thousand Dreams, Siraj Uddin and Majeda Khatun, parents of New wave Style factory’s worker Shirin, have found their beloved daughters dead body in the morgue after 12 days, Dhaka, Bangladesh, 2013, © Taslima Akhter

Vor diesem Hintergrund stellt die Ausstellung „Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“ viele Fragen: Bedeutet Fast Fashion wirklich eine Demokratisierung der Mode? Ermöglicht der globale Mainstream der Fast Fashion tatsächlich ein Ausleben der Individualität? Wie kann es sein, dass ein T-Shirt heute weniger kostet als oben genannter Kaffee bei Starbucks? Was sagt dies über die Qualität und die Wertschätzung von Mode aus? Ist Fast Fashion umwelt- und sozialverträglich, wenn sie um die halbe Welt transportiert werden muss, bevor sie im Laden verkauft wird? Wer sind die eigentlichen Fashion Victims? Welche Verantwortung tragen die Konsumenten, und was können sie tun, um etwas zu verändern?
Fragen, denen sich das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg widmet, ganz ohne Fast Fashion zu zeigen – um das zu sehen, müsste man nur wenige hundert Meter weiter auf die Spitaler Straße gehen, wo sich die Bekleidungsketten die Klinke in die Hand geben …
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Tim Mitchell, Women cut up jumpers, jackets and coats using traditional vegetable cutters. Garment labels advertising expensive brand names and global origins are discarded as worthless information, 2005, © Tim Mitchell | www.timmitchell.co.uk

Es ist übrigens Land in Sicht: Als Gegenmodell zur Fast Fashion gewinnt die Slow Fashion-Bewegung zunehmend an Bedeutung. Bei der Slow Fashion achtet der Konsument auf Nachhaltigkeit. Im besten Falle trägt man die Jeans dann sogar länger als eine Saison. Das würde voraussetzen, das sie alles ist, nur eben nicht modisch – aber wer will schon modisch sein?

Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz | 20099 Hamburg
Telefon +49 40 428134-800 | Fax +49 40 428134-999

Öffnungszeiten: Di –So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr | Eintritt: 10 € / 7 €, Do ab 17 Uhr 7 €, bis 17 Jahre frei

Eröffnung: 19. März 2015, 19 Uhr
Die Ausstellung läuft bis zum 20. September 2015

*Quelle: Statistisches Bundesamt

  • Monsieur_Didier
    17. März 2015 at 18:36

    …man (und auch Frau 😉 ) sollten zu ihrem eigenen Stil finden…
    wenn man seinen eigenen Stil gefunden hat braucht man keine hochmodische Kleidung mehr, man ergänzt Stücke in seinem Kleiderschrank und wenn diese hochwertig (und damit naturgegebenermaßen teurer sind) dann rechnet sich das einfach…
    und Menschen, die ihren Stil gefunden haben sind immer besonders…
    sie sind auch viel selbst-bewußter, sich ihrer selbst bewußter…
    Stil ist etwas schönes und es gibt einem Sicherheit und ein Wohlfühlgefühl…
    ich trage fast alle meine Kleidungsstücke mehrere Jahre…
    warum sollte man auch jede Saison etwas neues haben wollen…
    aber das muss jeder für sich selbst entscheiden…!

  • Horst
    20. März 2015 at 12:37

    @Monsieur gute Einstellung, sehe ich – bis auf wenige Ausbrüche 😉 – ähnlich. Irgendwas von Scott muss manchmal drin sein 😉