Anfang Dezember reisten die Teams der großen Modehäuser in den letzten Jahren gerne mit ihren Themen-Kollektionen an Orte, die entweder der Inspiration dienten oder besonders einen Schwerpunktmarkt bilden. Man kann, glaube ich, keinem Volk der Welt eine größere Affinität zu Mode, Styling und Designermarken nachsagen als den Japanern. Das Wort „Fashion Victim“ könnte in Japan erfunden worden sein und wer einmal da war, wird bestätigen, dass er noch nie so viele ausgefallene Looks und Richtungen gesehen hat, wie zum Beispiel in Tokyo. Die Japaner waren das erste asiatische Land, was nicht nur Luxus- und Designermode konsumierte, sondern das auch Anfang der Achtziger Jahre mit bis zu 14 Kreateuren auf den Pariser Prêt-à-porter Schauen selbst zeigte und eine ganze Welle auslöste, die auch die europäischen Designer beeinflusste und prägte. Issey Miyake, Kenzo,Yoshi und Kansai Yamamoto ebenso wie Rei Kawakubo für Commes des Garçons, um nur einige zu nennen …
Bild: Courtesy of Dior
Die Bunka Fashion School in Tokyo gehört zu den einflussreichsten Modeschulen der Welt und hat fast alle diese Designer, die später weltbekannt wurden, hervorgebracht. Das Kyoto Costume Institut besitzt eine der größten Modesammlungen der Welt und kein Land hat so viele Fashionistas und Fashionistos wie Japan. Jahrzehntelang fuhren alle Designer nach Japan, um Streetstyles zu studieren – lange bevor es The Sartorialist und andere Medien gab, die so etwas veröffentlichten und das Wort überhaupt erfunden war.
Bild: Courtesy of Dior
Japans Entwicklung ist mit der Europas vergleichbar und so kämpfen die Japaner mit genau den gleichen Problemen wie Mitteleuropa. Trotzdem ist die Kreativität und die Mode-Affinität der Japaner ungebremst und die anspruchsvollsten Denimkollektionen und Tendenzen kommen nach wie vor aus diesem Land. Besonders die großen Pariser Modehäuser wie Chanel, Hermès oder besonders auch Christian Dior erfahren seit vielen Jahrzehnten bei den Japanern nicht nur großer Beliebtheit, sondern haben fast religiösen Status. Die Geschichte Diors kennt in Japan fast jedes Kind, die Flagship-Stores in Tokyo oder Osaka gehören zu den wichtigsten der Marke und Dior-Corner und -Boutiquen sind in vielen Departmentstores zu finden.
Bilder: Courtesy of Dior
Die belgischen Designer und besonders die „Antwerp Six“, wie die erste Generation der aus der kreativen belgischen Stadt kommenden Kreateure genannt wurde, waren stark fasziniert von dem Einfluss der Japaner in Paris und so lernte auch Raf Simons die Einflüsse und Tendenzen dieses Trend-bildenden Designs kennen und lieben und wurde stark von ihm geprägt. Japaner brachten völlig neue Stoffe und Materialien mit nach Europa, brachen Kleidungsstücke auf und führten quasi den Purismus ein. Die Neunziger wurden tief geprägt durch den Übergriff dieser Tendenzen und andere Pariser Modehäuser griffen dies auf. Die Vermischung von westlicher und östlicher Kleidungstradition und eine Art „globalisiertem Stil“ wurde dadurch ermöglicht.
Bilder: Courtesy of Dior
Raf Simons kehrte jetzt sicherlich nur all zu gerne mit dem Haus Dior dorthin zurück, wo Dior schon in den fünfziger Jahren als erstes westliches Modehaus gekommen war, um den Esprit der französischen Couture und Lebensart zu verbreiten. Und kein Land scheint so geeignet zu sein, um seine Vision der modernen „Dior-Frau“ zu präsentieren, die die DNA des Hauses der Weiblichkeit liebt, aber die futuristische Vision davon tragen möchte. Eines sei schon mal vorweggenommen: Es ist Raf Simons gelungen, genau diese Vision zu vermitteln und seinen Weg, der sehr Dior ist, perfekt in diese Kollektion zu bringen. Ein großes Statement, dass er in selbstbewusster Weise bei Dior angekommen ist – und zwar als kompletter Erneuerer, der zwar die DNA verinnerlicht hat, aber die Zukunft vor Augen hat.
Der Ort des Geschehens war das Ryōgoku Kokugikan, auch bekannt als Sumō-Halle. Es ist eine Sporthalle in Tokyo, die dreizehntausend Zuschauer fasst und genau die richtige Kulisse bietet, um die „Esprit Dior Tokyo Kollektion“ zu präsentieren. Sie verbindet Japans traditionelle Kampfsportart mit der Moderne. Zur Musik von Michel Gaubert und unter der bewährten Inszenierung des Bureau Betak wird das wahr, was man unter modernem Dior versteht.
Bilder: Courtesy of Dior
Die Silhouetten wirken so, als würde man sie wie Scherenschnitte darstellen – perfekt, weiblich und sehr Dior. Klassische Schnitte des New Look, Redingote Formen, Chasuble in Pelz, ausgestellte Röcke und taillierte Ensembles sprechen die Sprache des Hauses, aber die Interpretation ist pur und genau Raf.
Der „Redingote“-Mantel, der die legendäre Form von Diors erster Kollektion 1947, der Ligne Corolle, zitiert, umhüllt den Körper in lockerer Silhouette und verwandelt sich zu Mänteln, Trägerröcken oder Westen, Chasubles oder Jacken. Darunter Rollis, Suits oder Body nahe Kombis, kombiniert mit Stiefeln. Die Frau wird dank Dior zur praktischen Luxus-Amazone, die sich bewegen kann und ihre couturige Hülle darüber wirft. Die Farben werden immer wieder durch die für Raf Simons typischen Colourbreaker gebrochen. Mäntel in karamellfarbenen Leder mit einem neonfarbenen Kragen oder Stiefel mit „Ludique“-Akzenten in Bauklotz-Farben: Immer verbindet Simons Gewohntes mit Ungesehenem – das macht den Reiz und die Modernität aus.
Bilder: Courtesy of Dior
Die Materialien und das Handwerk sind so aufwendig, wie es gerne in den Winter einleitenden Kollektionen, die ab Juni im Handel sind, verwandt werden. Leder, Pailletten, Hightech-Stoffe: Die Effekte matt und glamourös werden gerne gegeneinander gesetzt. Pailletten-Glanz unter schlichtem Popeline oder simpel erscheinender Strick unter Pelz. Die mit Zippern im Barbarella-Look geschlossenen Trägerkleider sind für mich die stärksten Teile und eine Novität im Kleiderschrank der „Dior Frau“. Egal ob als kurze Kleider-Version oder auch als eine Art „Mantel-Kleid“ so etwas wie ein neuer Overall.
Bilder: Courtesy of Dior
Die Dior-Stiefel werden sicherlich nicht lange auf ihren Kultcharakter warten müssen, denn sie vervollkommnen die Looks auf perfekte Weise. Von den Mänteln gar nicht zu sprechen – eh eine Spezialität des Hauses Dior. Neben Schwarz und Weiß akzentuiert Raf Simons mit Smaragdgrün, Burgund und Electric Blue.
Bilder: Courtesy of Dior
Das Defilee und die grandiose After Show Party wurde dann zum Runway der Tokyo-Fashion und es wurden unglaubliche Looks getragen, wie man schon auf diversen japanischen Blogs sehen kann. Aber neben zahlreichen Prominenten wurde auch hier der Bogen zwischen der Tradition des Hauses Dior, die nie vergessen wird und der Zukunft geschlagen, denn das Lieblings-Model von Christian Dior, Victoire, war auch da. So jung und strahlend wie nie – es scheint auch ihr gut gefallen zu haben …
Siegmar
15. Dezember 2014 at 12:29Absolut gelungen, der Artikel von Peter und die Kollektion von Raf Simons.
Markus
15. Dezember 2014 at 17:08Gigantomanie pur, die Handtaschen wirken unpassend zur Kollekion