(Thomas Kuball)
In einem „Quest“-Special über Paris habe ich vor zwei Jahren unter der Rubrik „25 Gründe, die für Paris sprechen“ unteranderem „Das respektvolle Lächeln, das dir zeigt, das du ein Mann/eine Frau bist“ gefunden.
Nachdem ich diesen Ausspruch gelesen hatte, habe ich begonnen darüber nachzudenken und, vor allem, drauf zu achten, ob da was Wahres dran ist.
Thomas Kuball
Von meinen vielen Paris- und Frankreichreisen wusste ich wohl, dass diese Aussage stimmt, zu häufig war es mir schon aufgefallen, wie freundlich die Menschen auf den Straßen in der Stadt und Provinz miteinander umgehen, aber seither mache ich mich täglich im Selbstversuch daran es zu beobachten und ein bisschen mir meiner Küchentürrahmen-Psychologie zu ergründen. Was mir sehr schnell auffiel, dass dieses Lächeln nicht nur respektvoll ist, sondern dich generell wissen lässt, dass du eine Frau/ein Mann bist!
Und das kommt ja nicht von ungefähr. Frankreich, ein Land der Liebe, Paris erst recht. Denken wir doch nur an das berühmte Photo von Robert Doisneau „Le baiser de l’Hôtel de Ville“, uns allen sofort vor Augen, in einem meiner Alltime-Paris-Classics „Ein perfekter Platz“ von Danièle Thompson spielt die Bronze Skulptur von Brâncuși „Der Kuss“ eine der Hauptrolle und von meinem ersten französischen „Amant“ erhielt ich nach einem romantischen Wochenende in Paris einen kleinen Photoband „Le bisou“.
In Frankreich ist der kleine, harmlose, Flirt an der Tagesordnung und jedermann und -frau kann damit gut umgehen und diese Gesten richtig deuten. Nämlich nicht als plumpe Anmache.
Thomas Kuball
Um auf den generell respektvollen Blick zurückkommend nehme ich einen ganz normalen Tag in Frankreich mal als Beispiel.
Es fällt mir sofort auf, dass man einander auf der offenen Straße grüßt, Stadt wie Land, dort noch mehr, wie generell üblicher in der Provinz. Ein „Bonjour!“ ist viel häufiger an der Tagesordnung, ob man sich persönlich kennt oder nicht.
In der Stadt, sobald ich einen Kontakt irgendwelcher Art erfahre, sei es ich geh auf einem der meist sehr schmalen Gehwege zur Seite, um meinem Entgegenkommenden den Vortritt zu lassen, ein kurzer Augenkontakt, eine Geste des Dankes, ein Blick, oft verbunden mit einem „Merci“ und immer einem Lächeln.
Und ist es eine Frau, dann ist man(n) als Gentilhomme natürlich noch höflicher und schaut genau mit diesem bestimmen Blick auf dieses weibliche Geschöpf, ob 17 oder 77. Und zu sicherlich 90 % (Ok, vielleicht übertriebenen) der Fällen erhält man genau den bestimmen Blick zurück. Es ist faszinierend zu beobachten und ich nehme mit großer Freude an diesem kleinen Spiel teil, ist es doch so harmlos und macht beiden Seiten Spaß. Ob Mann zu Frau, Frau zu Mann, Frau zu Frau, Mann zu Mann (nebenbei erwähnt, ganz ohne eindeutigen Hintergrund und gleich der sexuellen Orientierung), ob auf der Rue du Bac in Saint Germain, im feinen 16. Arrondissement, beim Türaufhalten in der Boulangerie, wie auch im Le Bon Marché, im Café oder Restaurant, hier bei uns in der absoluten Provinz Frankreichs oder einer kleinen Nebenstraße in Marseille – lächle dein Gegenüber an und du bekommst ein Strahlen zurück.
Was kann das Leben schön sein! Für diese kleinen Momente lohnt es sich schon jeden Morgen aufzustehen und hinauszugehen und sich darauf zu freuen der, dem Ersten zu begegnen!
Thomas Kuball
Aber woran mag dieses Phänomen liegen? Ist es ein Französisches? Ein Südländisches? Ich bin zu wenig in Barcelona, um beurteilen zu können, ob rassigen Katalanen sich ebenso verhalten. Was machen die stolzen Korsen? Ein Lächeln und schon muss man Marmelada, die Schwester von Waggonlix heiraten! Bei den immer galanten Italienern kann ich es mir schon gut vorstellen, aber eben nur in der flirtenden Version. Die Holländer und Skandinavier sind generell aufgeschlossen und freundlich im Umgang, da fehlt dann allerdings der eventuelle Flirt. In der Schweiz ist sicherlich das eine wie das andere verboten, wie das Entsorgen eines Kaugummipapiers in einen leeren Papierkorb, und in Österreich „schickt“ es sich sicherlich nicht. Japan!? Eine so andere faszinierende Art des Respekts und der Höflichkeit im täglichen Umgang, aber ein Flirt? Well, Good-old-England, too much Gentleman for this special little flirt?
Vielleicht mag die eine oder der andere hier seine Erfahrungen mitteilen oder meine kleine Geschichte auch als generellen Anreiz nehmen mit mehr Augenkontakt, Höflichkeit, Respekt und vor allem einem kleinen Flirt im Anschlag durchs Leben zugehen, egal ob in Hamburg, New York, Rio oder auch Wernigerode im Harz. Ich kann es nur jedem empfehlen, es macht freundlicher um die Nase, ein bisschen glücklicher jeden Tag und für mich ist das allein schon Grund genug die Franzosen und ihren Umgang miteinander zu lieben!
Der Gastbeitrag wurde von Thomas Kuball verfasst – wir danken ganz herzlich für die Eindrücke!
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vk
17. Mai 2018 at 22:41dass der zauber des lebens im gegenueber, bzw zwischen subjekt und objekt und zeitgleich wechselseitiger umkehrung und transzendenz liegt… – raeusper, holper, wortgedrechsel – das will wohl kaum einer bestreiten. das gilt in nord und sued wie ost und west.
doch will ich dem autor hier folgen und frankreich ein ganz besonderes talent zugestehen. mehr aus literatur und film vielleicht, denn aus eigener eanschauung. ich habe im franzoesischen blick immer primaer messende distanz, allenthalben hoeflichkeit erfahren. ein bisschen so, als waer mir des kaisers pickelhaube auf die ruebe gewachsen.
italiener kommunizieren auch. permanent. aber sie nehmen es nicht ernst. alles ist nett, jeder amuesant. es gibt keinen italiener, der sich nicht mit der letzten faser seines wesens fuer andere menchen interessiert. gleichzeitig hat nichts wirkliche bedeutung. nichts ist fuer die ewigkeit (ausser rom und ausser familie, und fussball vielleicht) alles ist spiel. kulturhoheit? politik? ernste anmache? alles quatsch! schau wie schoen es hier ist. dies ist das leben. ein spiel, mein freund. saluti!
auf der anderen seite glaube ich aber schon, wie thomas sagt, dass es diese spezifisch franzoesische begegnung gibt. dieses sich erkennen, das fluechtige wertschaetzen, das innehalten im augenblick gegenseitiger achtung und vergewisserung. aber zu jedem sich erkennen gehoert auch differenz und distinktion. und irgendwie steht ich da tendenziell auf der faschen seite.
wie gesagt, mir waechst die pickelhaube aus der ruebe. italiener stoert das nicht. die findens lustig. die wollen auch so was schoenes aufm kopp.
Thomas
18. Mai 2018 at 09:23Ja, die Italiener. Da Glaube ich dir sofort jedes Wort deiner Beschreibugn ;o)
War lang nicht in Italien, um so schöner durch dich zu wissen, dass es dort auch diese „Spielchen“ gibt und die Menschen in täglichen miteinander unzugehn verstehen.
Was deine Pickelhauben-Erlebnisse in Frankreich angeht, das Glaube ich dir allerdings auch, da ich diese Negativ-Erfahrung schon von zu vielen gehört habe. Mir ist es in bald 40 Jahren Frankreich-Besuchen noch nie passiert, dass ich diese imaginäre Haube für mein gegenüber auf dem Kopf hatte. Zum Glück auch noch nie in einem anderen Land!