(Nacho Duato „Erde“; Foto: Fernando Marcos)
Ein Abend wie er in seinen zwei Teilen nicht unterschiedlicher sein kann. Auf der einen Seite der britisch-israelische Choreograph Hofesh Shechter, auf der anderen der Intendant des Staatsballetts Nacho Duato.
„The Art of Not Looking Back“ beginnt mit einer Stimme und einer im Zeitraffer abgespielten Lebensgeschichte. Am Ende die Worte: „My mother left me when I was two“. Was dann folgt, fegt ein paar ältere Zuschauer kurz aus den Sitzen und selbst ich musste kurz mal meine Sinne sortieren. Kreischen, Hysterie und ein tonales Durcheinander. Was man vielleicht erst einmal belächeln möchte, berührt einen im Laufe des Stückes zunehmend und spiegelt die innere Zerrissenheit perfekt wieder.
Hofesh Shechter; Foto: Fernando Marcos
„(…) Der Titel des Werkes … „not looking back“ … ist eine Frage oder eine Art zu leben. Ich nehme an es gibt die Meinung, dass es wichtig ist nachzuforschen und zurückzuschauen, um Probleme der Vergangenheit zu klären. Und dann die gegenteilige Haltung, dies zu vergessen und den Moment zu genießen … einfach Spaß zu haben. Ich weiß wirklich nicht, was besser ist … Wenn Du der „Vergangenheitsforscher“- Typ bist, gibt es dann Dinge, die besser nicht angetastet werden? Dinge, die einfach in Ruhe gelassen werden sollten? … Das ist eine offene Frage, eine äußerst interessante für mich“.
Bei dieser Performance wird den insgesamt sechs Tänzern einiges abverlangt, wobei sich Kostüm (Becs Andrews) und Bühne bewusst im Hintergrund halten, soll der Fokus doch insgesamt auf der Darbietung liegen. Lediglich durch unterschiedliche Lichteinstellungen (Lee Curran) wird die Bühne zwischendrin umgewandelt.
Nacho Duato „Erde“; Foto: Fernando Marcos
Ein anderes, ebenfalls komplexes Thema behandelt „Erde“ von Staatsballett Intendant Nacho Duato. Ein indianisches Sprichwort im Programm beschreibt die Thematik nur allzu gut:
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“
Es geht also um Naturschutz und die Art und Weise, wie wir mit unserer Welt umgehen in eben diesem „Anthropozän“- Zeitalter, in dem wir Menschen unseren Fußabdruck auf der Erde hinterlassen. Kann man so etwas tänzerisch darstellen? Ja, in gewissem Maße kann man das. Von der Verschmutzung unserer Meere durch Plastik oder Öl, über Pelzkonsum bis hin zur Luftverschmutzung, wird bei „Erde“ jede Thematik visuell so beeindruckend umgesetzt, dass man fast sagen könnte: Hier wird der Niedergang unserer Erde wirklich schön dargestellt. Dafür, dass es nicht nur auf eine super Show hinausläuft, sorgt das grandiose Ensemble des Staatsballetts Berlin, was hier wieder zu Höchstform aufläuft. Ein weiterer Pluspunkt ist die Musik, die sich hier zwischen Streichertrio und Richie Hawtin bzw. Alva Noto und Mika Vainio bewegt.
Hofesh Shechter; Foto: Fernando Marcos
Allen, die sich also ein wenig Kopfstress und visuellen Orgasmen hingeben wollen, ist der Besuch dringend zu empfehlen.
Weitere Infos und Aufführungszeiten findet ihr hier.