Damenmode

Dries van Noten Herbst/Winter 2016 – Die Liebe der Marchesa Casati

Bild: Courtesy of Dries Van Noten

Was gibt es Schöneres, als Mode, die voller Inspirationen steckt. Mode, die uns in eine Welt entführt und zu dem noch voller Überraschungen steckt? Wenn so etwas ein Könner wie Dries van Noten zeigt, kann nur das herauskommen, was er in Paris präsentiert hat: Eine seiner besten und ausgereiftesten Kollektionen der letzten Jahre. Das Drehbuch dazu hätte für einen großen Spielfilm gereicht, denn Van Noten tauchte für seine hochmoderne Kollektion tief und umfassend in die Geschichte von vor fast genau hundert Jahren ein.
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Das Fin de Siècle konnte sich noch nicht zwischen dem ausgehenden 19. Jahrhundert und der Moderne entscheiden und steckte deswegen voller Zwiespalt. Alles schien einem neuen Aufbruch entgegenzusteuern. Allerdings wussten die Menschen damals noch nicht von dem Krieg, der Millionen Menschenleben fordern sollte. Allein in der Schlacht von Verdun im Februar und März 1916 starben über 300.000 Soldaten. Danach war die Welt nie mehr wie vor 1914 und das Weltbild verschob sich komplett – bis heute.
Dries van Noten unterlegt seine Vision der modernen „Dandy Frau“ mit der Liebesgeschichte des italienischen Dichters Gabriele d’Annunzio und der Marchesa Casati. Die Affäre bewegte damals die Gesellschaft und war mit ihrer Exzentrik und ihrer Selbstdarstellung kaum zu toppen. Ein Thema, das aktueller denn je ist und bereits ohne Instagram & Co. von dem Paar perfekt zelebriert wurde.
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Die Welt und die Farben von Sergei Pawlowitsch Djagilews Ballet Russe, mit seiner von Léon Bakst geschaffenen Farbwelt und den opulenten Stoffen faszinierte Van Noten schon immer. Als die Ballettgruppe 1909 in Paris auftauchte, löste sie bei den Couturiers erdrutschartig ein neues Sehen von Farben aus. Paul Poiret und andere Designer griffen die ungewöhnlichen Kombinationen sofort auf. Selbst Jahre später ließ sich davon Yves Saint Laurent für seine legendäre „Ballet Russe“-Kollektion inspirieren. Es war Saint Laurents durchschlagende Kollektion, die auch die Denke, was luxuriöse Eleganz betrifft, Van Noten bis heute prägt. Für Van Notens Schau wurde die von Igor Stravinskys Fassung von „“Le sacre du printemps, Pt. 1 The Adoration of the Earth“ mit dem Herzschlag einer Frau und einigen Zeilen von Gabriele d’Annunzios Gedicht “La Pioggia nel Pineto” unterlegt.
Doch die Schau wurde nicht nur durch den Sound zu einem der Highlights der diesjährigen Pariser Modewoche. Bei Dries Van Noten stimmt einfach alles und er wird niemals seiner eigenen Handschrift untreu. Er lässt sich nicht von kurzlebigen Trends oder wirtschaftlichen Schwankungen beirren. Wie kein anderer schaffte er es, seinen klaren und aus dem puristischen Geist der Neunziger Jahre hervorgegangenen Stil mit der Opulenz von gemusterten Stoffen und aufwendigen Handwerkstechniken zu verbinden. Genau das macht die Entwürfe zukünftig. Die Kultur und Van Notens umfassende Bildung lassen seine Einzelteile zu zeitlosen Objekten werden, die manchmal an Kunstwerke erinnern, die man immer gerne um sich hat …
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Van Noten zitiert zur „Fin de Siècle“-Inspiration auf seiner Collage aber noch weitere Einflüsse – das Frauenbild mit den Augen von Helmut Newton gesehen, das Spiel mit den Geschlechtern, Animalprints und das klassische Item des Dandys: die „Dressing Gown“.
Scharf geschnittene Anzüge werden „verweiblicht“, indem große Krägen, Pelzstolen oder Überwürfe darüber gesetzt werden. Eine oversized Silhouette und körpernahe, umspielende Formen wechseln sich ab.
Der Pyjama des Dichters wird von der Geliebten adaptiert; Kleider im Stil der Zwanziger Jahre, Club- und Tennisblazer und Pullunder in lässiger Version aus dem Kleiderschrank gestohlen; Smokey Eyes und an den Kopf gelegte Kurzhaarschnitte den Roaring Twenties entliehen. Pelze werden – politisch korrekt – von Dries in Fake Fur übersetzt – sonst lassen seine Materialien keine luxuriösen Wünsche übrig: Wollstoffe, die an die Menswear des Designers erinnert, „Prince of Wales“-Karos, englische Clubjacken Stoffe, Baumwollpiqué, Seidenjacquard und Brokate, Samt in jeder Form, handgestrickter Aran in reinem Kaschmir.
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Die Dekadenz als Lifestyle auch bei den Farben: Schwarz, Marine, Ecru, Sand, Smaragd, schottisches Grün, Bordeaux, Bernstein, mattes Gold, Amethyst und Malachite. Der Farbfächer der dandyesquen Opulenz wird von ihm voll ausgespielt.
Patches, Clubembleme, Perlen, Halbedelsteine, Clubkrawatten, Pins, die „übergossenen“ Fake Furs und Schuhe mit Schmuckabsätzen werden zu Stilikonen der Kollektion.
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Dass Dries van Noten Perfektionist ist, lässt jeder der Looks erkennen. Wie ein Traum der Wirklichkeit wird, scheint es auch in unserer wechselvollen Zeit genau die Art von Kleidung zu sein, die nie dated und die gleichzeitig Geschmack und eine sichere Hand beweisen. Van Noten lässt uns träumen und zeigt Mode, die raffiniert und trotzdem nicht konstruiert oder lächerlich wirkt. Nichts, auch wenn Elemente der Vergangenheit aufgegriffen werden, wirkt kostümiert oder deplatziert.
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Die Einladungen zur Schau wurden von Gill Button, einer englischen Illustratorin, die jede einzelne der mehr als 1.000 Einladungen individuell bemalte, gestaltet. Van Noten entdeckte sie auf Instagram.
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Bilder: Courtesy of Dries Van Noten

Dries van Notens Ode an Gabriele d’Annunzio und die Marchesa Casati zeigt, dass Plakatives nicht gequält und an den Haaren herbei gezogen sein muss. Der kulturelle Hintergrund und die leise Art, mit der Van Noten in seinem eigenen Unternehmen agiert, bildet eine absolute und sehr wohltuende Ausnahme im oft fragwürdigen Fashionbusiness. Van Noten zeigt, wie schon so oft, wie es geht. Eine der stärksten und einprägendsten Kollektionen in dieser Saison …

  • Siegmar
    8. März 2016 at 13:38

    Ein toller Artikel über eine wunderbare Kollektion von Dries van Noten, da stimmt alles, das sind Hingucker ( bis auf das Augen-make up)
    Begeisterungswürdig.

  • thomas
    8. März 2016 at 21:17

    wahrlich wunderschön!