(Dior Pre-Fall 2020; Bild: Kris Tamburello)
Als bekannt wurde, dass Kim Jones die Pre-Fall-Menswear-Kollektion für Dior in Miami präsentiert, war klar, was den Betrachter erwartet: Farben und Muster en masse. Alles andere würde nicht passen – Miami und Tristesse? Undenkbar. Doch wie passt das mit Dior zusammen, wo das Haus doch seit jeher ein Synonym für Eleganz zu sein scheint? Klar, es gab in den letzten Jahren Zusammenarbeiten mit Kaws, Daniel Arsham und Hajime Sorayama, aber diese Künstler eint eine gewisse Distanz zum Betrachter, also ganz anders als das Miami, das man im Kopf hat, sobald man den Namen hört. Um den Bogen zwischen Eleganz und Tutti Frutti zu schlagen, ging Jones Zusammenarbeiten mit gleich zwei Streetwear-Institutionen ein: Zum einen mit Jordan Brand und zum anderen mit Shawn Stussy.
Während Jordan Brand die Schuhe beisteuerte, war es Stussy, dessen Designs der gesamten Pre-Fall-Kollektion 2020 bis hin zum Set-Design seinen Stempel aufdrückten. Das Problem ist aber, dass man Stussy immer noch mit dem von ihm gegründeten (und 1996 verkauften) Unternehmen – „Stüssy“ – assoziiert. Doch die Zusammenarbeit gestaltete sich komplett unabhängig von jeder Partnerschaft mit dem Unternehmen „Stussy, INC.“ oder der Marke „Stüssy“. Aber man spürte eine gewisse Frische, die Stussy schon versprühte, als er Anfang der 1980er-Jahre sein Logo auf Surfbretter pinselte und in der Gegend um Laguna Beach verkaufte. Dieses Logo druckte er wenig später auf T-Shirts und Mützen – „Stüssy“ war geboren. Dieses Prinzip war damals tatsächlich noch relativ neu, genauso wie es 1947 ungewöhnlich war, aus einer Portion Jugend, Vitalität und der Geist des Neuen einen neuen Look – ach, was sag‘ ich – den New Look zu entwickeln, wie es Christian Dior getan hat. Von europäischen Journalisten verschmäht, feierten die Amerikaner den Designer für seine mutigen Entwürfe, die den Fokus auf schmale Taillen, korsettgestützt Oberteile und schwingende Röcke legte. Der New Look befreite die adrette Gesellschaft von den Zwängen vergangener Kriegserfahrungen, versprühen weltweit „Elegance“ und bilden eine Hommage an die Weiblichkeit. Christian Dior wollte Grenzen überschreiten und neue Welten, so auch den amerikanischen Kontinent, entdecken. Diese Philosophie war es dann auch, die Kim Jones inspirierte, auf diesem Dialog aufzubauen. Und das Dreiergespann „Jones, Stussy und Jordan Brand“ lieferte ab. Doch seht einfach selbst:
In die Kollektion trifft eine Kombination aus Stickereien, feinsten Materialien, Savoir-Faire und dem Erbe des Hauses auf regelrecht psychedelische Elemente.
Jacken im Tropical Print erinnern an den klassischen Bar Suit – einer Ikone des New Look – und werden zusammen mit einer limitiere Version der Saddle Bag aus Metall präsentiert.
Alles verziert mit zahlreichen Stickereien und Perlen – ein Tribut an die Haute Couture und an das Erbe des Haues. Französische Barette und „Bob“-Hüte im Matrosenstil (entworfen von Stephen Jones) wurden mit Blumenzweigen verziert. Blumenmotive, Pythonprints, Karos und Streifen prägen die Kollektion, erfinden wahrlich unerwartete Harmonien.
Eine Kollektion, die Spaß macht und die zum Glück nicht mit dem Stil von „Miami Vice“ spielt …