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Dior Haute Couture Winter 2015 – Rafs flämische Meisterwerke

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Foto: © Pierre Debusschere

Die Dior Couture Kollektion, die am Montag vergangener Woche in Paris gezeigt wurde, war in den bisherigen Kollektionen eine der ganz großen Sternstunden von Raf Simons. Bei Simons wird deutlich gezeigt, dass er sich mit der Heritage und der Stilistik des Gründers voll identifiziert. Es ist ihm aber möglich, nicht nur seine eigene Handschrift, sondern auch seine Kultur und sein ureigenes Design spielerisch in die Entwürfe einzubringen und trotzdem très Dior 2015 zu sein.
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Fotos: Gary Pinagot (Christian Dior)

Die Location im Garten des Musée Rodin in der Rue de Varenne war extra mit einem an ein Gewächshaus erinnernden futuristischen Pavillon hergerichtet, der aber zwischen Abstraktion und der Stilrichtung des Pointillismus eine völlig neuartige Ästhetik bildete.
Pur aber trotzdem verspielt – das ist genau die Richtung, die auch für Dior und Simons steht. Irgendwie spürt man immer den Respekt vor dem Mann, der einst mit seinen weiblichen Fantasien und der Liebe zum Garten seiner Eltern in Granville 1946 das Haus begründete. Raf Simons wagt es, seine eigene belgische und flämische Herkunft durchschimmern zu lassen und wählte als Inspiration für die Couture Kollektion die Maler seiner Heimat. Dunkle Gemälde mit Brügger und Antwerpener Kaufleuten aus dem 16. Jahrhundert haben ihn genauso inspiriert, wie die futuristische Welt des Malers Hieronymus Bosch, der schon im 15. Jahrhundert die Ereignisse unserer Tage vorauszusehen schien.
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Fotos: Gary Pinagot (Christian Dior)

Dass Haute Couture bei aller Tradition des Handwerks, das Raf Simons in seinen Stickereien, Plissierungen und Drapierungen auskostet, neu und wegweisend sein kann, dafür stehen hier besonders die überwältigenden Mäntel und Kleider. Die Kollektion spielt laut Simons selbst mit dem Gegensatz von „Jungfräulichkeit und Versuchung“ (ein Thema, das immer wieder in der flämischen Kunst vorkommt) und zeigt aber auch die neu interpretierte Silhouette der Kleider, die an die Blumigkeit und Femininität Diors anknüpfen. Eine Mischung, von der ich ehrlich gesagt begeistert bin. Raf Simons schafft es, Elementen immer wieder einer Metamorphose zu unterziehen, die ihre Herkunft nicht verleugnet aber total Neues hervorbringt.
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Fotos: Gary Pinagot (Christian Dior)

Raf Simons Hauptaugenmerk lag bei seinen Recherchen bei den Ärmel- und Schulterlösungen, für die Christian Dior berühmt war. Viele seiner Kleider und Mäntel zeigen Zitate aus der Herbst/Winter-Kollektion 1949 „Mid-Century“, die ein Feuerwerk der tollsten Varianten von Keulen- und gebauschten Ärmeln war. Christian Diors typische Kuppel-Silhouette mit weiten schwingenden Röcken kommt besonders in der Haute Couture zu Geltung. Die Röcke sind häufig komplett bestickt, aber unter schlichten langen Mänteln versteckt. Die Kleider der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die Christian Dior dazu brachten, genau das Gegenteil zu machen, zitiert Simons und legt ihnen eine Art gesticktes Netz darüber. Zauberhafte weiße „Nymphen“-Kleider spielen mit der Unschuld der Schlichtheit und haben als Detail bestickte Manschetten oder Blumenfelder.
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Fotos: Gary Pinagot (Christian Dior)

Die Mäntel konstruiert Simons asymmetrisch und verleiht ihnen einen großen voluminösen Zobelarm und lässt den anderen Ärmel weg um die Schwere zu nehmen. Neben Weiß und Schwarz werden Edelsteinfarben wie Royalblau oder Rubinrot gesetzt. Als Highlight gelten die Durchgänge in frischem Gartengrün und Mille Fleur, der die wunderschönen Kleider wie Blütenteppiche überzieht.
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Fotos: Gary Pinagot (Christian Dior)

Die Haute Couture von Dior bildet für die Kundinnen die Grundlage zum Träumen. Raf Simons spricht das Klientel an, das sich zur Couture bekennt aber neue modernere Wege gehen möchten. Simons gelingt der Spagat, zuzulassen, dass man in jedem Teil gleichermaßen ‚Dior‘ und ‚Raf Simons‘ erkennt. Schlichtheit und Opulenz sind für ihn kein Ausschlusskriterium – im Gegenteil: er bekommt die Balance perfekt hin. Simons mischt geschickt seinen avantgardistisch, grafisch inspirierten Stil mit der überschwänglichen Weiblichkeit von Christian Dior.

Eine wahnsinnig zeitgemäße Kollektion, die in jedem Teil das Handwerk und die Liebe zur Haute Couture widerspiegelt. Sie ist modern und trägt das Metier in die Zukunft. Bravo Raf Simons!

  • Tim
    14. Juli 2015 at 18:47

    Guter Beitrag, gefällt mir auch besser als Chanel. Viel moderner und nicht madamig.

  • Siegmar
    15. Juli 2015 at 09:27

    toller Artikel und Raf Simons bei Dior ist grossartig, das Beste was ich bisher gesehen habe.

  • Markus
    15. Juli 2015 at 14:04

    großartig geschrieben, Peter, wie immer, sehr gute erklärungen bezüglich der referenzen, einarm-mäntel mag ich dennoch nicht….

  • Fashionnerd
    16. Juli 2015 at 16:56

    In der Tat eine sehr moderne Couture Kollektion für jüngere Kundinnen die selbstverständlich mit Wohlstand und Mode umgehen.
    Man sieht allerdings auch in dieser Kollektion wie wegweisend die Arbeit von Alexander Wang für Balenciaga war und ist. Die strassbesetzten Metallgitter erinnern doch augenfällig an die Gitteroberteile aus der FS Kollektion 2015. Aber schön zu sehen, dass sich auch die Großmeister der Mode von Kollegen inspirieren lassen.