Die neue Couture ist etwas mehr als ein Hauch Rouge Dior auf den Lippen und die zarte Schleifchen-Kette am Schwanenhals … aber die generalstabsmäßige Modernisierung und Verjüngung der Couture schreitet auch im Haus Dior fort. Gibt es schon so etwas wie Couture Avantgarde?
Geschneidert, in hunderten Stunden, von Frauenhand, für Frauen. Monsieur Simons schöpft handwerklich aus dem vollen. Kaum ein Organza, dem nicht über und unter den gestanzten und mit Stickereikanten versäuberten Cut-Outs, Blütenblättchen und all solches aufgestickt wurden. Zu tausenden … manchmal noch mehr. Bei jeder Bewegung zart flatternd, als säßen kleine Zitronenfalter oder gar Tintenblauschwarze auf dem Kleid …
Bilder: style.com
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Dior Haute Couture bleibt sich treu, auch wenn die Silhouetten nicht mehr viel mädchenhafter werden können. Opulenz und selbst ein Anflug dieser madamigen matronenhaftigkeit, die Haute Couture sich früher als Signal für verschwenderischen Reichtum an einfach allem, gönnte, sind dem Luxus in Leichtigkeit und einer avantgardesken Auffassung der höchsten Schneiderkunst gewichen. Und das Licht, das durch die transparenten Organzas und durch die gestanzten Öffnungen scheint, spielt eine große Rolle. Als sollte man auch noch die handwerklich perfekten Innenseiten der zarten Roben mit freiem Auge prüfen können …
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Was früher mal in den Haute Couture Salons und den Handwerkslaboren der High Fashion war, das kümmert Raf Simons schon seit immer recht wenig. Er bezieht Inspirationen aus Fantasien, Abstraktionen und Lebensstilen. Denen der Jugend, und ihrer Szenen und Zirkel. Zitate auf Sneakers, mit Streublümchen-Applikationen, zu Kleidern jenseits der 100.000 € … warum auch nicht. Die Frau, die Dior Couture bezahlen kann, muss niemand nach Dresscodes fragen.
Das scheint der neue Luxus im absoluten Luxus der Couture zu sein, dass man das allzu elegante und maximal edle ein wenig bricht. Zum Futuristischen hin inszeniert, nicht weiter nur handwerklich dekliniert, was Kollegen auch meisterlich schneidern lassen können. Von den wenigen Meisterinnen, deren Kunstfertigkeit und perfekten handwerklichen Fähigkeiten sich alle Couture Salons in Paris bedienen.
Bilder: style.com
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Raf Simons experimentiert mit der Organzaschere. Das war mein erster Gedanke, als ich die durch mehrere Stofflagen und die Cut-Outs erzeugten neuen Texturen betrachtete. Da wirkt Organza wie Folie und Folie wird zur flatternden Seide … das ist der Zauber der Couture, anno 2014. Kaum noch Drapagen und keine opulent konstruierten Roben, die neue Couture engt nicht ein. Zudem ist die Kundin überschlank und deutlich in die Länge gezogen.
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Couture ohne Romantik aus Rüschen und Rosen. Lieber kühl und modern. Wer hätte vor fünfzehn Jahren geglaubt, dass das mal funktionieren könnte … all den Aufwand, der in der Couture ganz normal ist, nun auch dafür zu betreiben, um alles so reduziert aussehen zu lassen, als hätte man schon etwas weggelassen …
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Raf Simons goes Haute Couture – Couture goes Philosophy!
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Und man sieht ihm schon an, wie sehr er sich bei Dior gut angekommen und im richtigen Atelierumfeld wohl bei der Arbeit fühlt … oder etwa nicht, liebe LeserInnen?
Siegmar
22. Januar 2014 at 11:19sehr, sehr gelungen die wirklich moderne Form der absoluten Luxusklasse.
Junikäfer
22. Januar 2014 at 12:00Welchen Einfluss Raf Simons auf die Damenmode auch in der Haute Couture hat, konnte man m.E. nach erschreckend deutlich an der Kollektion von Giambattista Valli erkennen.
Ein Kompliment an Raf Simons, bedauerlich und eigentlich nicht nachvollziehbar für Giambattista Valli…
bernd
22. Januar 2014 at 12:38Sophie B. Hawkins hat sich Daisydoras Worte zu Herzen genommen und beweisst Mut mit salopem Schuhwerk:
http://blogs.reuters.com/wp-content/uploads/2006/06/flip300.jpg
🙂
@ junikäfer
ich halte Simons für überschätzt. Die Kollektionen sind nicht vollständig durchdacht. Vieles bleibt im Ansatz und wird nicht ausformuliert. Eine durchgehende Linie ist nicht zu erkennen.
Die Kollektion von Valli halte ich dieses Mal für recht gelungen. Er verfolgt zwei, drei Ansätze, variiert sie und hält den Grundgedanken bis zum Ende der Kollektion durch. Das ist bei Simons nicht zu erkennen. Er hat die Balance zwischen frei und bieder noch nicht gefunden. Vieles wirkt „altjungverlich“. Mit einem Pinselstrich von Zartheit versucht er das zu verwischen, aber es gelingt ihm nicht wirklich. Der Grundtenor bleibt aber eher bieder und lahm.
Valli hingegen macht eine stimmige „klassische“ Couture-Kollektion. Nicht direkt modern, aber konsequent.
René
22. Januar 2014 at 13:41Den Valli-Vergleich finde ich nicht sonderlich passend. Er bleibt seit Jahren seiner Philosophie und seinem Stil treu und braucht garantiert keinen Raf Simons als Inspiration. Es ergeben sich eindeutig Schnittstellen in den Kollektionen, aber sie haben beide ein ähnliches Frauenbild und teilen sich die gleichen Kundinnen.
Daisydora
22. Januar 2014 at 14:32@Siegmar
freut mich, dass etwas nach Deinem Geschmack dabei ist 😉 … bei dieser Gelegenheit, interessant, dass sich nach dem kurzen Intermezzo bei JPG, niemand mehr über Männer-Couture traute ….
@Junikäfer
Meines ist die neue Couture Kollektion von Gimabattista Valli auch nicht, aber die wissen über ihre Klientel natürlich sehr gut bescheid, auf die diese Kleider zugeschnitten sein müssen.
Und, so schätze ich das jedenfalls ein, nicht jeder dieser Couture-Salons hat das finanzielle Backing, das man unbedingt braucht, wenn man hier so modern rangehen will. das darf man gerechterweise nicht außer acht lassen … auch die Couture ist im Marketingzeitalter angekommen … 🙂
@Rene
Ich gehe wie Du auch davon aus, dass man dort weiß, was man macht. Und für wen die G.V. Couture passen muss, das weiß man in aller Regel in den Häusern am besten … 🙂
Und man wird immer jemand finden, der mehr zum einen oder anderen tendiert …. auch Haute Couture ist Geschmackssache, was aber keine Relevanzaussage über Kollektionen trifft.
Junikäfer
22. Januar 2014 at 15:22@ Daisydora & René: Ich finde den Vergleich schon gerechtfertigt, da insbesondere nicht nur mir die auf der Hand liegenden Parallelen aufgefallen zu sein scheinen.
Sicherlich weiß Giambattista Valli was er, wofür er und für wen er seine Kollektionen aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten macht. Nur umso eklatanter finde ich die Übereinstimmungen. Ich empfinde das Ganze als eher unglücklich, da ich seine Kollektionen immer als sehr stark und unabhängig geschätzt habe.
Daisydora
23. Januar 2014 at 08:47@bernd
Du bist mir gestern durchgerutscht … ja, die Flipflops sind noch etwas schlimmer …. aber ich empfehle das Schuhwerk der Dior Couture ausdrücklich nicht. Verstehe die Schuhe ehrlich gesagt in Gänze nicht und finde diese gebogenen Schwanenhalsabsätze zwar interessant, aber eher für das 18. Jahrhundert …. 😉
@Junikäfer
Valli ist diesmal, das ist meine rein subjektive Meinung, nicht so stark, wie bei seiner „Winterkollektion“, aber er zitiert sich weitgehend selbst … so wie Raf Simons auch …
Ich finde einige Stücke aus der Kollektion ganz großartig, zum Beispiel den langen Rock in Zitronengelb, aber mir ist da diesmal auch zu viel gebauscht (ich hasse diese kurzen Bausch- oder Tulpenröcke, darin sehen nicht mal Models richtig gut aus … aber sehr zierliche asiatische Couture Kundinnen scheinen die zu lieben …) und insgesamt zu viel Klassik in Couture. Aber für mich hat er das auch nicht gemacht 🙂 Die Winterkollektion war fantastisch, da hätte ich auf der Stelle 10 Looks haben wollen ….
Raf Simons x adidas | Horstson
27. März 2014 at 10:07[…] Farben, gibt es ab Frühling in ausgewählten Stores zu kaufen. Mittlerweile haben es, Dior und Chanel sei Dank, Sneakers auch in die Haute Couture geschafft, insofern ist die erneute […]