(MW60 von Master & Dynamic)
Unvorsichtigerweise habe ich vor ein paar Wochen zugesagt, Kopfhörer zu testen – ausgerechnet ich, der technische Geräte grundsätzlich aufgrund ihrer Optik bewertet, was insofern absurd ist, als dass sich die eigentlichen Raffinessen ja unter der schönen Hülle verstecken. Zu meiner Ehrenrettung muss ich allerdings erwähnen, dass sich dieses doch etwas oberflächliche Verhalten auf Technik beschränkt und ich bei Menschen andere Maßstäbe setze.
Vielleicht ist es aber auch der richtige Weg, als Kopfhörerhersteller eher, nun ja, unbedarfte Tester ins Boot zu holen, denn, wenn man mal ehrlich ist, wessen Gehör ist so trainiert, kleinste Frequenzen herauszuhören und sie einzuordnen, um auf dieser Grundlage ein Urteil auszusprechen.
Wie dem auch sei – ich habe also zugesagt und irgendwann trafen sie dann tatsächlich auch ein, die Kopfhörer von Master & Dynamic und ich tat es, wie ich es bei Dingen, die mir nicht ganz geheuer sind, immer tue: Ich verschiebe es, mich mit ihnen auseinandersetzen, auf morgen, von morgen dann auf übermorgen und übermorgen dann auf überübermorgen. Ihr kennt das vielleicht, man spricht fachlich dann von „Prokrastination“, also dem Arbeitsverhalten, alles vor sich hinzuschieben. Das geht dann einige Zeit so, bis das schlechte Gewissen überwiegt und man sich dann zwingt, endlich anzufangen.
MW60 von Master & Dynamic
Also habe ich nach tagelangem Liegenlassen endlich die Kopfhörer ausgepackt und musste mich ein wenig ärgern, dass ich mir so viel Zeit gelassen habe. Mein Hauptkriterium – die gute Optik – wurde erfüllt: Die Kopfhörer sehen chic aus, was mich insgeheim etwas beruhigt hat. Auch wenn ich meine Karriere als unabhängiger und vor allem unbestechlicher Tester sehr ernst nehme, freut man sich, gleich zu Beginn das Gefühl zu haben, dass das Resümee eher positiv ausfallen wird und dass das Testgerät vermutlich keine komplette Bauchlandung hinlegt. Vielleicht ist es jetzt auch an der Zeit, mit einem Vorurteil gegenüber Bloggern aufzuräumen: Ich kann die Kopfhörer nach dem Test weder behalten noch bekomme ich Geld dafür, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich darf sie testen, was insofern für alle Beteiligten durchaus mit Risiken verbunden ist: Der Hersteller läuft Gefahr, mit seinem technisch ausgereiften Produkt durchzufallen, während mir ein Test um die Ohren fliegen kann, eben weil ich von Technik nur über rudimentäre Kenntnisse verfüge, dafür aber Praktikabilität und vor allem Optik sehr wohl einschätzen kann, was ich gerade bei Kopfhörern durchaus wichtig finde. Insgeheim hofft man aber als Blogger, auch mal ein Gerät testen zu dürfen, das man komplett durchfallen lassen kann, allein, um mal einen Beweis für die Unabhängigkeit zu liefern, nur leider hat sich bisher noch kein Hersteller solcher Produkte getraut, eine Anfrage zu schicken.
New York, New York; 40.7527N 73.9773W; MW60 von Master & Dynamic
Wo war ich? Beim Aussehen: Die MW60 sehen zweifelsohne gut aus und sollte irgendjemand etwas anderes behaupten, muss man am Geschmack des Kritikers zweifeln. Die Kombination aus Leder mit Aluminium und Edelstahl macht viel her, so auch bei Master & Dynamic. Was mir aber gleich ins Auge gefallen ist, ist etwas, was mir eigentlich erst auf den zweiten oder dritten Blick ins Auge fallen dürfte: Der Markenname, ach, was sag‘ ich, das Logo – ein unterstrichenes „M“ – ist so unauffällig eingraviert, dass man es gerne übersieht und es dennoch den Träger äußerst dezent als Technik-Connaisseur auszeichnet. Dezent ist nicht nur das Logo, sondern auch eine kleine Reminiszenz an New York, in der Master & Dynamic seinen Sitz hat: Nimmt man die Ohrpolster ab, entdeckt man die GPS-Daten der Grand Central Station, die per Laser eingraviert wurden: 40.7527N 73.9773W. Das ergibt funktional überhaupt keinen Sinn, entfaltet aber einen ungeheuren Charme.
Apropos Charme: Beim Design schwingt insgesamt ein gewisser Retrocharme mit – das allerdings nicht ohne Grund, denn Jonathan Levine stieß, auf der Suche nach dem besten Design, durch Zufall in einem Museum in Washington auf Kopfhörer aus den 1940er-Jahren. Der Firmengründer von Mater & Dynamic ließ sich von diesem Fundstück inspirieren und auf die omnipräsente Vintagewelle, von der mittlerweile selbst Fleischereien erfasst wurden. Ich mag einen solchen Ansatz. Ist es doch ein Zeichen dafür, dass gutes Design Beständigkeit hat und dass der Konsument auf der Suche nach Persönlichkeit ist. Abwertend nennt man es wohl „Hipster Design“, wobei ich nicht finde, dass es nur Kopfhörer sind, die sich in eine Reihe zu Moscow Mule, Bärten und Momm Jeans gesellen. Nein, dafür sind sie technisch wie gestalterisch zu ausgereift. Dennoch ist ein gewisses Zitat an das Design, das von Hipstern so gern vereinnahmt wird, nicht von der Hand zu weisen. Das meine ich noch nicht mal böse, geschweige denn als kritisch, sondern als Beschreibung.
Die Kopfhörer von Master & Dynamic sind nicht nur aus Designsicht ein Schwergewicht, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes. Das unterstreicht meinen Gesamteindruck, wenngleich man sich dessen bewusst sein muss, dass man merkt, wenn man die MW60 auf dem Kopf trägt. Nun wird „leicht“ immer mit „angenehm zu tragen“ assoziiert, was zwar nicht falsch ist, aber auch nicht zu 100 % richtig. Wenn man gerne joggt und dabei Musik hören möchte, mag es wichtig sein, auf das Gewicht zu achten, aber sonst? Die Kopfhörer wiegen 352 Gramm, was durchaus im erträglichen Bereich ist. Gegenteilige Meinungen könnt ihr gerne als Kommentar hinterlassen.
Die Verarbeitung meines Testgerätes war tadellos – das Leder in seiner Haptik absolut hochwertig und, was meiner Meinung nach nicht unwichtig ist, aber meist bei Tests völlig außer Acht gelassen wird, sie integrieren sich hübsch ins Umfeld. Ich gebe zu, dass das im eigentlichen Sinne ein eher nebensächliches Kriterium ist, was aber nicht stimmt, schließlich lagert man seine Kopfhörer nicht nur in der Schublade, sondern meist dort, wo man sie abgenommen hat, nämlich irgendwo in der Wohnung – so ließ sich Blomquist zu einem „Sehen schon chic aus“ hinreißen, als sie sich perfekt in das Durcheinander aus Büchern, Zeitschriften, Untersetzer und Klimbim auf dem Wohnzimmertisch integrierten, ohne wie ein Fremdkörper zu wirken. Ein „Sehen schon chic aus“ mag sich ernüchternd anhören, es bekommt aber sehr schnell Bedeutung, wenn man weiß, wie lange Blomquist überlegt, selbst wenn es darum geht, so schnöde Dinge wie die richtige Wandfarbe für das Esszimmer auszuwählen. Das kann Monate dauern, bis es dann „Studio Green“ wurde, aber das nur am Rande.
Zubehör vom MW60 von Master & Dynamic
Preislich bewegen wir uns – ganz im Gegensatz zur Farbe – bei den MW60 durchaus in einem akzeptablen Bereich: ca. 500 Euro muss man investieren, um die kabellosen Over-Ear-Kopfhörer sein Eigen zu nennen. Das mag sich viel anhören, wobei man ja im Normalfall nur sehr wenige Kopfhörer in seinem Leben kauft – und dann spricht ja auch nichts dagegen, sich etwas anzuschaffen, das so hochwertig und zeitlos daherkommt wie die MW60. Außer natürlich man möchte sämtliche Trends mitnehmen. Aber wer will schon modisch sein? Das Ziel nennt sich immer noch Stil …
Wer sich technisch über die MW60 von Master & Dynamic informieren möchte, kann das zum Beispiel in einem lesenswerten Beitrag bei n-tv.