Paris Fashion Week

Der Freie Radikale – Dior Prêt-à-porter Collection Automne-Hiver 2014-15

Erst wenn du buchstäblich im Schlaf beherrscht, die Dinge ganz aufwendig und kompliziert und dabei richtig gut zu machen, kannst Du sie einfach lassen, aber raffiniert gestalten. Raf Simons ließ für Christian Dior mal wieder zum großen Staunen bitten. Müßig, vorher zu raten, was diesmal kommen könnte. Simons mag den Begriff nicht sonderlich gerne, ist aber immer nur interessiert an Modernität gepaart mit Diors Eleganz-DNA … mit einem Hang zum frei Radikalen. Die stilgebende Silhouette des New Look wird kurzerhand zum fuchsienroten Kleid aus Seide, gequiltet wie feinste Steppdecken und die Handtasche Lady Dior, mit ausladend schwingendem Rockteil, vorne verkürzt, ganz auf der Höhe der Zeit …
Zu Rose und Zitrone, der Farbkombination, an der wir den Meister delikater Farbharmonien seit einigen Saisons erkennen können, kommen Rosé und Rot, noch etwas Violett und Orange und man hätte glatt meinen können, Yves Saint Laurent als Engel stand am Farbkasten Pate. Doch darauf kann man Dior unter Simons naturgemäß nicht reduzieren. Der Bogen der Farben spannt sich von Rot, Fuchsia, Magenta, Rosé, dunklem Oxblood, Korallentönen, Grün, zusammen mit dem Magenta des Kleides im Header sogar als Giftgrün, Royalblau, Türkis über Grautöne und Tinte zu Schwarz. Und das sind längst nicht alle Farben.

Simons, der Kreative ruht in sich, beendet dabei aber nicht seine Suche nach immer neuen und schönen Formen und Silhouetten. Kurvige Weiblichkeit schon, aber neu interpretiert. Die Konturen der Rockformen wie mit dem Zirkel gezogen. Nach oben und unten hin geöffnete Cut Outs – obwohl, der inflationär gebrauchte Effekt ist viel zu banal, um auf die meisterlichen Effekte bei Dior eins zu eins zuzutreffen. Raf Simons beweist Eigensinn und stellt sich trotzdem ohne Wenn und Aber in den Dienst der Marke Dior. Es braucht keine Götzenanbetung oder Heldenverehrung, aber der Respekt Simons vor seinen Vorgängern und dem Schöpfer der Marke, tut der Kollektion sichtlich gut.

Was mich auch an dieser Kollektion auf den ersten Blick faszinierte: Simons hält der Eleganz die Treue, weil die Dior Frau in den Kleidern ihrer Marke schön sein will, aber er sieht Weiblichkeit stark – beherrscht es, den Kanon der Formen und Farben als Brückenschlag zwischen den maskulin wirkenden Jacketts und Mänteln, einigen strengen Business-Suits und den raffinierten Kleidern geradezu schwerelos einzusetzen. Innovativ ist in der High-Fashion, was auf der Höhe der Zeit immer noch schön macht! Ich bin ganz an der Seite derer, die nicht daran glauben, dass Frauen, die Kleider jenseits der 2.000 € Schallmauer tragen, den Look suchen: Come Undone! Derlei Spiränzchen könnte sich Simons durchaus leisten, aber er verschenkt keine Saison, einer prätentiösen Eitelkeit willen.

Gerne Minimalismus, aber durchdacht und für die Lebenswirklichkeit der Frauen in urbanen Räumen – übersetzt in alle Sprachen der Dior Mademoiselle und Madame – gemacht. Auch wenn er darüber spricht, eine neue Frau zu erfinden, bleibt klar, dass diese Frau hohe Ansprüche stellt und immer auch elegant sein will. Die Dior Frau im Winter 2014 stellt sich den Herausforderungen wie den schönen Dingen mit Kraft, Vitalität und Energie – in jedem Falle immer tadellos angezogen.

Raf Simons Radikalität offenbart sich insbesondere darin, dass er dazu steht, Dinge die gut sind, nicht qualvoll originell um zu definieren. Mich erinnert sein Tun an einen tollen Designer von Automobilkarosserien, der sowohl etwas völlig neues und ungesehenes schaffen kann, aber im Tagesgeschäft ebenso fantasievoll-originell, an den Feinschliffen bewährter Silhouetten arbeitet. Sehr diszipliniert und mit einer märchenhaften Geschmackssicherheit.

Selbstbewusst-feminin und gelungen sind alle Looks, hier seht ihr aber wie immer nur die Highlights (meine wie immer subjektive Daisy-Auswahl), es lohnt, in das Showvideo hinein zu schauen. Et voilà!

Dior Prêt-à-porter Collection Automne-Hiver 2014-15

Starke Frauen tragen kräftige Farben. Feminines begleitet Maskulines und das Schlichte gibt auf den zweiten Blick Raffinement in Schnitt und Materialauswahl preis. Das für Dior typische Tailoring würde auch diesmal in Ehren gehalten. Röcke mit auf verschiedenen Höhen endenden Säumen, schwingen sanft oder voluminös. Überhaupt hat sich Simons getraut, auch weitere Schnitte zu zeigen, deren Linienführung aber immer der weiblichen Silhouette folgt. Man kann Kurven auch so akzentuieren, dass man sie nur noch erahnen kann und die Weiblichkeit dennoch im Fokus belässt. Für mich begeisternd, die langen Kleider, nur über T-Shirts getragen. Monsieur Simons als Calvinist (der Look stammt ursprünglich von Calvin Klein) … aber nur einen Wimpernschlag später … begeistern glitzernde Stickereien als Hommage an die Couture …

Viel Doppelreihiges, ob als Blazer oder Mäntel. Obwohl an sich nicht mein Fall, Simons beherrscht maskuline Zitate. In Kaschmir und Seide und feinster Wolle. Die Ärmel verkürzt, an den Seiten mit Kordeln geschnürt, auch zwei der an einigen Modellen verwendeten Stil-Effekte. Am besten, man schaut und staunt – für mich hat Raf Simons wieder viel zu viele Looks und Einzelteile geschaffen, die ich auf der Stelle tragen wollte. Allen voran diesen fabelhaften und langen Schal mit asymmetrischem Volant, den braucht man als Frau in Dior doch unbedingt, oder? J’adore Dior und Monsieur Simons! Er ist der Freie Radikale, der sein kreatives Genie gänzlich uneitel in den Dienst der High-Fashion-Legende Dior stellt!

  • blomquist
    7. März 2014 at 09:42

    Ich mag die Kollektion auch sehr!

  • monsieur_didier
    7. März 2014 at 10:01

    …teilweise für mich sehr schwierige Farbkombis (Royalblau und Leuchtendrot) teilweise komische Silhouetten und die Kleider und Mäntel mit der Korsagenschnürung, die ich nicht wirklich schön finde…
    aber mir gefällt die Kollektion…
    Herr Simons war wieder fantastisch…
    ich hab gestaunt und war begeistert bei dem eingebetteten YouTube-Video…

    was mich mittlerweile total nervt sind die ganzen Besucher, die Handys und Pads hochhalten und das alles knipsen und filmen…
    Genuss sieht anders aus…!

  • peter
    7. März 2014 at 10:02

    Super analysiert und erklärt! Das sind die Zusammenhänge die man hinter den Looks wissen möchte.Bin gespannt wie es weiter geht!

  • gerold brenner
    7. März 2014 at 10:10

    jedes Wort ei Genuss!

  • Siegmar
    7. März 2014 at 11:11

    @ daisydora
    ein Höhepunkt deiner Berichte ist dieser Artikel, absolut gut sowie die Kollektion super gut ist. Raf Simons ist angekommen und zeigt Mode auf dem Höhepunkt.

  • Daisydora
    7. März 2014 at 13:46

    @blomquist

    Kann man doch so einiges nehmen 😉

    @Monsieur_Didier

    Rot und Royalblau zusammen, auch nicht meine Lieblingsfarben, aber das funktioniert. Du solltest Dir da sowieso immer Marion Cotillard oder eine ihrer Kolleginnen drinnen vorstellen 😉

    Von denm geschnürten Mänteln, finde ich den schwarzen oder vielleicht ist das auch Tinte schon toll …. Du weißt ja, niemand hat nur Sachen in der kollektion, die alle gleichermaßen begeistern. Ich habe die Schau mittlerweile fünfmal geguckt und sogar mit den Teilen in Camel und den verkürzten Mantelärmeln Frieden geschlossen, weil ich so viele tolle Modelle in der Kollektion sehe … 🙂

    @Peter

    Merci! Entspricht nur meiner Denkweise, das sind ja auch alles „Wirtschaftskonzerne“ und Du hast das ja bei Chanel auch wieder idealtypisch vorexerziert, dass zu einem Kollektionsbericht auch Hintergründe und Zusammenhänge gehören … :_)

    @Gerold Brenner

    Vielen Dank für das wohlwollende Statement! 🙂

    @Siegmar

    Merci vielmals 🙂 … Raf Simons ist einfach richtig gut und wird immer besser … aber ich hatte ihn auch schon mal sehr kritisch sehen müssen … dass er zur Zeit eine absolute Hochphase hat und bei Dior genau richtig ist, sehe ich genau so wie Du. Nicht jeder an sich tolle Creative Director kann jede Marke gleich gut …

  • j
    7. März 2014 at 14:07

    Colorblocking? come on

  • Daisydora
    7. März 2014 at 17:23

    @j

    Mag auch nicht jede(r), schon klar. Aber die Frauen, die Dior tragen, wollen Farbe(n) … 🙂

  • monsieur_didier
    7. März 2014 at 19:19

    @ Daisydora…
    es beruhigt mich, dass ich mit meiner Verwunderung über Royalblau und Rot alleine dastehe…
    aber ich bin verliebt in das Jadegrün, die Kombi Fuchsia und Jadegrün finde ich zum niederknien (sowohl für die Farben als auch für das Modell an sich, ich liebe die gequilteten Stoffe, das Kleid mit Rot (oder Pink) aus der gequilteten Seine finde ich atemberaubend, bei den Silhouetten finde ich nur die seitlich asymetrischen Röcke für mein Empfinden „schwierig“…
    bis auf einige Details wie die Schnürung und die vorab erwähnten Details finde ich die Kollektion den puren Wahnsinn…
    wie Du es schon schriebst, es sind fast zu viele Ideen für eine Kollektion…
    ich wünschte, ich würde mal jemand in solchen Stoffträumen sehen…

  • Daisydora
    11. März 2014 at 14:52

    @Monsieur_Didier

    Fuchsia und Jadegrün sind ganz großes Farbkino … das kommt bei mir gleich in den Header … und ich hoffe natürlich, dass Du einige Frauen in diesen Kleidern und Mänteln sehen wirst. A pro pos – irgendwann dieses Jahr hat Deutschland in Düsseldorf doch diese Maison Dior an Stelle von Eickhoff…. 🙂