Horstson fragt nach

„Das Modische Quartett“

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Bild: Blica

Ein lange überfälliges Gespräch mit Anne Feldkamp von Blica. Der aus Deutschland stammenden Autorin und Kunsthistorikerin, die dort lebt und arbeitet, wo sich Horst erst vor Kurzem ins schrill-bunte Lifeball-Getümmel stürzte, ich geboren wurde und aufgewachsen bin: in Wien!

Als Bloggerin zählt Anne Feldkamp zu den handverlesenen Einzelfällen, unabhängiger Freidenker, deren Berichte/Posts das Ergebnis eigener Erkenntnisse, der Betrachtung von Mode als Bekleidung aus verschiedenen, auch mal unüblicheren Blickwinkeln und dem Fakt sind, dass Fachwissen beim Modebloggen nicht schadet. Ein Hoch auf die bunte Vielfalt und Wuseligkeit der richtigen Synapsensprünge!
Ob es gelingt, das von Anne zu erfragen was mir schon jahrelang durch den Kopf geht, wenn ich auf Blica rein lese, wir werden sehen …
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Bild: Blica

Weißt Du, dass ich regelmäßig die Vision von einem „Modischen Quartett“ auf 3Sat oder Arte habe, das nach dem Vorbild des „Literarischen Quartetts“ Modekritik übte. Du hättest die Rolle von Iris Radisch … Sigrid Löffler will ich Dir nicht zumuten, außer Du willst unbedingt … Peter wäre ein gar nicht brummeliger und junger Marcel Reich Ranicki der Mode und an Stelle des mir etwas zu braven Kritikers, Helmut Karasek, so dachte ich wenigstens zuerst, säße Claire Beermann mit sehr strenger Brille als feste Größe mit in der Runde, die sich Woche für Woche ergänzt um einen eingeladenen Quartetts-Gast ersten Ranges, über Mode und die pointierte Kritik oder hymnische Lobhudelei daran, wahlweise in Rage redete oder vor Begeisterung halb auflöste. Aus Gründen der Erfahrung beim Umgang mit Öffentlichkeiten, habe ich mich aber für Kathrin Bierling, eine der überaus fabelhaften Modepilotinnen entschieden …Das Format fehlt doch ohnehin im Kulturfernsehen, oder? Machst Du mit beim „Modischen Quartett“?

Anne Feldkamp: Wenn ich die Position meines Modeblogs überdenke, verstehe ich mein Blog eher als Nischenprogramm und mich als die, die dem Treiben von außen zuschaut. Das war schon immer meine liebste Rolle, fürchte ich. Wenn schon Quartett, dann wäre ich wohl eher Gast.
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Bild: Blica

Deine „Leseleiste“ ist das beste Lesetipp-Format auf deutschsprachigen Modeblogs. Wie viel Zeit wendest Du dafür auf, um hier die Nase vorne zu haben und türmen sich auf Deinem Schreibtisch noch Zeitungs- und Magazinstapel?

Ich wähle Lesetipps aus, die ich ganz persönlich für relevant oder auch einfach unterhaltsam halte. Im Grunde spiegelt die Leseleiste meine Surf-Eskapaden im Internet wider, das geht mal kurz und schmerzlos,  ein andermal…ach, manchmal sollte man einfach nicht zu viel verraten. Ob ich damit irgendwem um eine Nasenlänge voraus bin? Glaube ich gar nicht. Dafür türmen sich aber, obwohl ich erst vor kurzem so richtig aufgeräumt habe, schon wieder die ersten Magazinstapel in der Wohnung.

Ohne Szene-Frage geht es nicht! Holst Du Dir eine geheime Teemischung in der Apotheke, deren 3-Minuten Aufguss Dich über all die Luftblasen „unserer Branche“ so cool bleiben lässt, oder nimmst Du diese Mitbewerber einfach nicht so ernst?

Ich nehme alle ernst und bewundere die, die es schaffen, aus dem Modebloggen irgendwie Profit zu ziehen. Das ist definitiv cleverer, als sich für Magazine und Zeitungen für ganz schön wenig Geld die Finger wund zu schreiben. Was ich definitiv doof finde, ist, dass, je mehr der Kommerz die Oberhand gewinnt, da wenig Raum für Abseitiges und Nebensächliches ist – in jeglicher Hinsicht. Aber ich fürchte mittlerweile, das Gros der LeserInnenschaft will es ganz genau so.  
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Bild: Blica

Unter welchen vollkommen frei wählbaren Rahmenbedingungen wäre es für Dich denkbar/tragbar oder sogar attraktiv, Chefredakteurin eines kommerziell ausgerichteten Modeblogs (Online-Magazins) zu sein?

Na, das ist eine Frage! Die Inhalte müssen von den Anzeigen klar getrennt sein. Und auf Promi-Berichterstattung würde ich auch liebend gerne verzichten.

Stimmst Du dem zu, was Helmut Lang mal in grauen Vorzeiten der heutigen High-Fashion-Dekade gesagt hat: „jeder hat das Recht, die modische Aussage zu verweigern!“?

Ganz richtig, denn nur dann wird’s richtig interessant.

Willst Du Dich auf Szenario unserer Branche in zirka fünf Jahren festlegen?

Der Blick in die Glaskugel? Trau ich mich nicht.

Macht es einen Unterschied für Dich, in einer überschaubaren Kulturhochburg wie Wien über Mode zu schreiben, oder sich im kreativen Chaos des Hauptstadt-Weltstadt-Molochs Berlin über denselben Stoff her zu machen?

Man sollte nicht unterschätzen, dass die Online-Identität nur das eine, das andere die Offline-Kontakte sind, heißt: Als „österreichische“ Bloggerin (die ich ja eigentlich nicht bin) bin ich trotz Online-Präsenz in Deutschland natürlich relativ unsichtbar.
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Bild: Blica

Zum Abschluss noch etwas Lokalkolorit: Was an Wien kann man seltsam finden – was muss man mögen oder könnte man beinahe lieben?

Ich bin leidenschaftliche Kaffeehausbesucherin (Café Prückel und ab und an das Korb), und auch sonst ist Wien inklusive des Umlandes sehr lebenswert. Die Dichte an Verrückten und Spinnern scheint mir hier besonders hoch, das mag ich. Was ich nicht so mag: Dass statt der eigenen Urteilskraft zu vertrauen, ins Ausland geschielt wird. Was ich auch nicht mag: Die überstarke Präsenz der Boulevardblätter.

Danke für das schöne Gespräch und weiterhin viel Freude und Erfolg beim geistreichen Bloggen à la Blica, Anne (Feldkamp)!

Euch, liebe LeserInnen, empfehle ich, mal oder öfter mal bei Anne und ihrem Blog Blica rein zu lesen, das macht erstens Spaß, weil sie mit Sinn und Verstand schreibt und der andere Blickwinkel auf Mode vieles konterkariert und den Leser inspiriert … und man merkt schon an den wunderbaren Überschriften, dass man da richtig gelandet ist.

Alle Bilder sind Collagen von Anne Feldkamp

  • Siegmar
    18. Juli 2013 at 12:14

    schönes Interview, bei Blica habe ich schon öfter reingeschaut und kann nur bestätigen, das es sich lohnt.

  • Horst
    19. Juli 2013 at 10:49

    Ein modisches Quartett würde super finden 😀
    Blica ist super, les ich eigtentlich ganz gerne!

  • Bilder, die ich liebe: Gregory Crewdson | Horstson
    7. August 2013 at 13:55

    […] auch mit Worten beschrieben. Aber macht euch bloß keine Sorgen, ich stamme ja auch aus Freud’s ehemaligem Biotop, ehrlich – da sind Neurosen gesetzlich vorgeschrieben. Bild: Gregory […]