Er hat es getan – oder: Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Karl Lagerfeld hat gestern eine Frühjahr/Sommer 2014 Kollektion für das Haus Chanel gezeigt, die in jeder Hinsicht verblüffte. Nicht nur, dass sie mit 90 Durchgängen eine der größten Schauen in Paris in dieser Woche bot, sondern auch, weil er allen vermeintlichen Designern zeigte, was es heißt, mit scheinbarer Leichtigkeit eine wirklich moderne Version von Chanel zu bieten und gleichzeitig eine der schönsten Kollektionen für die nächste Saison abzuliefern.
Bilder: N.Bender; via style.com
Als die Ankündigung mit dem Thema „Chanel Art“ kam, dachte man, weil es ja mittlerweile zum guten Ton gehört sich mit Contemporary Art auseinanderzusetzen und die Art Basel irgendwann auch in Bottrop eine Filiale eröffnen wird, hoffentlich wird es nicht zu konstruiert, schließlich wurde in den letzten Tagen hinreichend in zahlreichen Kollektionen gezeigt, wie „verkrampft konstruiert“ nach hinten losgehen kann. Überhaupt hat man das Gefühl, dass zu jedem Mittel gegriffen wird, um aufzufallen. Masken aufsetzen, konstruierte Silhouetten mit schlimmen Pinselstrichen zu versehen oder nur gerissene, ausgefranste Stoffe zu verwenden – ich kann es, mit Verlaub, nicht mehr sehen. Viele Kollektionen in dieser Saison wirken gewollt und nicht gekonnt. Besonders die Kollektionen der Fashion Darlings, die irgendwie alle aus der Spur zu sein scheinen … Vielleicht ist es der Druck ihrer Arbeitgeber oder die verzweifelte Suche danach, in immer mehr Kollektionen eine Sensation nach der anderen liefern zu müssen. Richtig frisch und mitreißend war in Paris diese Saison bisher leider kaum.
Der Druck der Arbeitgeber dürfte bei Karl Lagerfeld kein Thema sein, denn, wie man in dem äußerst lesens- und empfehlenswerten Artikel in der Welt am Sonntag lesen konnte, ist das Haus und die Firma Chanel unter anderem wegen ihrer flachen, schnellen Entscheidungspolitik und dank der kontinuierlich guten Fashion- und Accessoires-Kollektionen bestens aufgestellt. Und eines vergisst vielleicht auch der eine oder andere Designer: nicht nur Neu! Neu! ist die Devise – auch Qualität bringt Erfolg. Neider behaupten in solchen Situationen natürlich, dass Karl Lagerfeld ein Ausnahmetalent ist. Falsch! Er kann es nur einfach und er denkt vor allem logisch und entwickelt kontinuierlich eine Modernität für die Marke Chanel, die sein Klientel mittragen und sich damit identifizieren kann.
Bilder: N.Bender; via style.com
War die Zukunft bei der letzten Haute Couture Präsentation im Dekor der Schau noch auf der Bühne eines Theaters zu sehen, während die Models Chanels Symbiose von klassischen Stilelementen des Hauses mit neuartigen Schnitten verbanden, setzt Karl diesmal schon ganz klar beim Dekor im Grand Palais auf die Gegenwart und die Welt einer Galerie, die überall auf dem Globus sein könnte.
Weiße Wände, Neonbeleuchtung, davor Contemporary Art Objekte wie bei einer Ausstellung. Schon im Vorraum „Golden Shower“ – eine Chanel Dusche, deren Shower aus Handtaschenketten besteht. Perlenregen aus großen Kunstperlen, Skulpturen und Mademoiselles berühmte Privattür, die ins Nichts führt. Chanel war nicht nur mit vielen Künstlern befreundet, sie förderte sie auch oder ließ sich von ihnen inspirieren.
Ob Cocteau, Berard, Diaghilev, Stravinsky oder Picasso – Chanel und die Kunst waren schon immer eng verknüpft und sind keine plötzliche Erfindung einer Marke, die mal auf Kunst macht. Chanel ist mit der Kunst verwurzelt und die Bausteine aus der Geschichte geben die Kraft und die Inspiration, um die neuen Blätter für die Zukunft wachsen zu lassen – genau die frischen Blätter, die Lagerfeld in dem beginnenden Defilee dann auch präsentierte.
Bilder: N.Bender; via style.com
Frische, farbige, leichte Sommerbouclé Kostüme in neuer Silhouette, leicht ausgestellten Röcken mir längeren Jacken machten den Anfang. Umspielend, weich und seiner Trägerin schmeichelnd. Eines wird gleich klar und zieht sich durch die ganze Kollektion: simple und klare Schnitte, fast grafisch und dem Material raumgebend. „Die Wirkung beruht auf der Schlichtheit,“ wusste schon Mademoiselle und Lagerfeld spielt mit seinen raffiniert komponierten Geweben diese Flächen wirkungsvoll aus. Farben wie Pink, Fraise, Framboise im Kontrast mit Weiß oder Schwarz wirken feminin und frisch. Weiß spielt überhaupt eine große Rolle, so z.B. auch bei den locker fallenden Sommertweed Kleidern ohne Arm oder mit weiten und runden Ausschnitten. Ein weiteres Highlight waren die !pastelligen“, leicht in sich strukturierte Jacquard Tweeds oder mit Kamelienstruktur versehene schwarz-weiß Ajoures.
Kleider, überhaupt der Favorit, in Optik eines Trompe l’oeil Kostüms oder mit lose geschnittener und ungeknöpfter Jacke. Chasuble Optiken in Seide-Baumwoll-Loup mit Spatenkragen oder abpaspeliert. Dazu dann weiche und weite Nappahosen in Papaya oder Bleu de Ciel, dreierlei Strick in fragilen Colourblockings wie Rauchgrau-Mint und Papaya oder Ecru-Bleu de Ciel und Fraise. Hier auch neu: der „Pullover Schal“.
Höhepunkt bilden dann die Kleider und Ensembles in den Drucken, die zwischen Pantone Karte und Aquarellkasten liegen und das „Art“ Thema in wunderbarer entspannter Haltung reflektieren. Fröhlich bis stilvoll und trotz aller Farbigkeit sehr edel und nicht aufdringlich wirkend, wird es in unendlich vielen Variationen und raffinierten Verarbeitungstechniken, wie Plissee, Drapierungen etc. zum Haupt- und Schwerpunktthema und ist der Signature Stoff für diese Chanel Kollektion. Lagerfelds Farbkasten!
Bilder: N.Bender; via style.com
Bei den Accessoires gibt es einige Teile, die nicht nur seinen Kundinnen, sondern auch vielen Kunden schlaflose Nächte bereiten werden. Zum einen der neue Klassiker, die Boy Bag, die langsam aber sicher gleichberechtigt neben der 2/55 und der Mademoiselle Tasche zum dritten Chanel Klassiker geworden ist. Diesmal in schillernden Cadillac Farben und Metallic-Leder Matching zu den Farben der Kollektion.
Und dann natürlich die Gadgets, die nur Karl Lagerfeld so intelligent beherrscht: Rucksäcke, die man sofort haben will – groß, geräumig und in rougher Optik scheinen genau dafür gedacht, dass ein Künstler sein Handwerkszeug, seine Pinsel und Farben damit transportieren kann. Sie sind super cool und sicherlich einer der meist umkämpften Artikel in den Boutiquen der nächsten Saison.
Bilder: Olivier Saillant
Und noch einem Irrtum dürften nicht eingeweihte Beobachter im nächsten Sommer erliegen: Nicht alle Menschen, die eine Malermappe mit den verführerischen Initialen des Hauses Chanel unter dem Arm tragen, sind Kunststudentinnen!
Ob in New York, Moskau oder Peking – sie haben sich allesamt in die Zeichenmappen Bag von Chanel verliebt, denn die wird sicherlich die Modemagazine im Sturm erobern und genauso begehrt sein.
Wer es ein klein wenig unmutiger will, greift halt zu den zauberhaften Art Tote Bags.
Halsreifen, mit zwei überdimensionierten Perlen, lange Perlenketten mit Perlenanhängern groß wie Tischtennisbälle, Perlenringe – alles vermeintlich einfach und klar, setzt es gleichzeitig moderne Akzente beim Schmuck. Cocos Perlenvision 2014.
Bild: Olivier Saillant
Nicht nur Karl Lagerfelds Kritikern schlägt diese Kollektion ein Schnäppchen – sie wird sicherlich genau dem gerecht, was das Haus Chanel an Weiterentwicklung braucht und was auch dem stets wachsenden Kunden- und Fankreis gerecht wird. Teile, die nicht nur versprechen, sondern auch halten, was auf dem Preisetikett steht, denn Aufwand, Entwicklung, Material und die Arbeit, die in diese Teile gesteckt werden, sind beim Tragen deutlich spürbar und das kann man, ebenso wie gutes Design, erwarten, denn es ist genau das, was die Spreu vom Weizen trennt.
Chapeau Karl Lagerfeld – ein richtiger Geniestreich und ein großer Schritt für die Weiterentwicklung des modernen Chanels. Frischer Wind made by Karl!
Paul
2. Oktober 2013 at 09:52Ich bin restlos begeistert!
vk
2. Oktober 2013 at 10:49wunderbar.
auch wunderbar geschrieben.
Siegmar
2. Oktober 2013 at 10:58ich kann nur vk zustimmen, toller Artikel, tolle Kollektion !
Gérard
2. Oktober 2013 at 11:48CHANEL ist für mich die Raute der Angela Merkel der Modewelt.
Daisydora
2. Oktober 2013 at 11:51Ein wunderbarer Bericht, der mir das erklären konnte, das ich so nicht verstanden hätte
🙂 … was soll man sonst noch sagen: Da sitzt eben jeder Handgriff bei Karl Lagerfeld!
Markus Brunner
2. Oktober 2013 at 12:05absolut super geschrieben, supermoderne chanel kollektion, wunderschöne details, fantastische farbgebung, irre accessoires – und was der meister einfach am besten kann, immer wieder die heritage stilismen: kamelie, perlen, tweed, schleifen, rautenstepp, costume blazer ins jetzt zu übertragen, wiedererkennbarkeit !!sensationell !!!!!! i love
Horst
2. Oktober 2013 at 20:00Ich melde mich schonmal für den Rucksack an – wahlweise ne Tote Bag! Großartig!!
Die Woche auf Horstson | Horstson
6. Oktober 2013 at 11:50[…] uns Kultur. Unter anderem besprachen wir dieser Woche die Kollektionen von … 1) Chanel: Karls wahre Moderne 2) Christian Dior: Das Raf-finement des Monsieur Simons … 3) Fendi: Karl setzt auf […]
Objekt der Begierde: “Der” Rucksack | Horstson
26. Februar 2014 at 12:38[…] einem halben Jahr nicht mehr aus dem Kopf geht, nämlich seitdem er im Herbst 2013 in Paris während der Chanel Spring-Summer Ready-to-Wear Schau gezeigt wurde. Bilder: […]