(Chanel Haute Couture SS 2019 by Olivier Saillant)
Am letzten Dienstag zeigte Chanel seine Haute-Couture-Kollektion für das Frühjahr 2019 im Grand Palais wie immer innerhalb der Pariser Couture-Woche. Während draußen eisige Temperaturen und in Paris eher seltene Schneeschauer den realen Winter demonstrierten, herrschte unter der Kuppel des Grand Palais die Stimmung von schönstem Sommer an der Côte d‘Azur und in der Kulisse ein blauer Himmel wie im Bilderbuch. Villa Chanel, da denkt man an so prachtvolle Sommerresidenzen wie die Villa Rothschild auf Cap Ferrat oder auch an Coco Chanels Villa „La Pausa“ in Roquebrune.
Ein großes Bassin inmitten eines französischen Gartens und Kieswege, die zum Promenieren einladen, darüber die terrakottafarbige Villa mit ihren Balustraden, Treppen und Palmen, ein Paradies, das an eine Filmkulisse erinnert und die Sorglosigkeit der High Society in ihren Besitzungen an der Côte.
Chanel Haute Couture SS 2019 by Olivier Saillant
Genau die richtige Kulisse um die Haute-Couture-Träume der Kundinnen wahr werden zu lassen, die Wert darauf legen, maßgeschneiderte Roben zu tragen, die voller Raffinesse die Königsklasse der Schneiderkunst, der kostbaren Materialien und des reinen Handwerks, repräsentieren. Haute Couture will schon lange nicht mehr die Modetendenzen vorgeben, wie das Prêt-à-porter, sondern spielt lieber das Register, was in keinem anderen Metier zu verwirklichen ist. Kleider, die Träume repräsentieren, wie Kunstwerke von ihren Besitzerinnen gehütet werden und den Wunschtraum nach längst vergangener Eleganz zeitgemäß interpretieren. Karl Lagerfeld ließ sich diesmal vom 18. Jahrhundert inspirieren, bekannterweise neben den Zwanziger und Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, ja eine Zeit, deren Elemente er sehr schätzt, verband aber moderne Klarheit und natürlich viele Codes des Hauses damit. Das Spielen mit Weiblichkeit in seiner schönsten Form.
„Es ist eine ruhige, ideale, zeitlose Kollektion, die mit neuen Formen spielt und Elementen, von neuen Chanel-Silhouetten“, sagte Karl Lagerfeld, der wie immer am Montag die Accessoires und das Styling in der sogenannten „Accessorisation“ am Tag vor der Schau im Atelier der Rue Cambon durchführte. Blüten spielten eine wichtige Rolle im 18. Jahrhundert und stehen auch im Chanel-Universum ganz weit vorn. Man denke nur an die ikonische Kamelie, die für Mademoiselle Chanel eines ihrer Glückssymbole darstellte und zu den immer wiederkehrenden Elementen des Hauses gehört.
Das Rokoko unter Marie Antoinette idealisierte Blumen und Blüten, wie im berühmten Trianon in Versailles und Pastellfarben dominierten die romantischen verschwenderischen Hofroben. Die Farben wie Maccarons: Rosé, das Grün von Pistazie und Minze, zartes Gelb und das Weiß der leichten Spitzen durchwirkten Baumwollkleider, die Marie Antoinette in ihrem bäuerlichen Hameau trug.
Chanel Haute Couture SS 2019 by Olivier Saillant
Chanels schwarz-weiße Kammerzofenkleider in der Luxusversion als Kostüm oder, mit deren Elementen spielend, als bestickte Tunikakleider. Das Beige, das Chanel kultivierte, wird zu neuen Chanelkostümen in multi-nuancierten kostbaren Lesage-Tweeds, mit einer 3/4-langen Jacke in schmaler Silhouette. Die Schulter bekommt bei fast allen Ensembles in dieser Saison eine raffiniert konstruierte Schulter, die mit Volumen und einer spitz ausgearbeiteten Linie den schmal geschnittenen Ärmeln ein feminines Volumen gibt. Blumen aus Federn, geschmückt mit Perlen als sparsam eingesetzte Accessoires, kleinen Ohrgehängen oder hier und da als Haarschmuck getragen. Slingpumps mit hohem Absatz, die in goldenem oder silbernem Leder die Schlichtheit gegen die geschmückten Looks setzen.
Blüten in jeder Variation, als Sommernachtstraum auf einem, wie aus dem Märchen entstiegenem, Kleid aus weißem Voile mit Bouquets in bunten Farben bestickt. Seidentaft Kleidern à la „Robe du Style“ mit kurzen weichen Krinolinenröcken, die unter ihrer Oberfläche Lagen mit kostbaren Blütenstickereien, aus Tausenden kleinen Steinchen gefertigt, sichtbar werden lassen. Tüllärmel und Säume, die sich kunstvoll plissiert wie Blumenkelche öffnen und allover bestickte glitzernde Blüten zieren das „kleine Schwarze“, den Klassiker, der Mademoiselle zur unsterblichen Ikone der Mode werden ließ und den Zeitgeschmack bis heute prägt. Die Frisuren hoch toupiert, das Chanel-Make-up von Lucia Pica mit matten Lippen, dramatischen Augen und einem hellen Teint. „Dieser Kontrast soll die Faszination widerspiegeln, die das Mädchen ausstrahlt, wenn sie durch die Show schreitet: elegant und raffiniert, aber tough“, erklärt die Make-up-Artistin, die eine Skizze Karl Lagerfelds dazu umsetzte.
Michel Gaubert lässt durch den Soundtrack das ganze Défilé wie zu einem Spielfilm à la Stanley Donen werden. Neben dem romantischen Soundtrack aus Filmklassiker „Eifersucht auf Italienisch“ mit Marcello Mastroianni und Monika Vitti von Armando Trovajoli intoniert die legendäre Kult Sängerin Mina den Sommerklassiker „Parole“.
Chanel Haute Couture SS 2019 by Olivier Saillant
Das Besondere an der Couture, das Handwerk was manchmal unglaubhaft aufwendig, wie Zauberei erscheinen lässt, gipfelt dieses Mal in Bolerojacken und -hosen aus Straußenfedern, die mit schwarzem Leder kombiniert werden und so ultramoderne gegen totale Verspieltheit setzen. Ein weißer Paillettenanzug, der mit Mustern bestickt ist, die vom Porzellan der Manufaktur Vincennes inspiriert wurden, ist ein wahres Kunstwerk. Ein Organzakleid mit Boleroeffekt ist mit echten Blumen bestickt, die in Harz verewigt sind, ein langes grünes Paillettenkleid ist mit handbemalten Keramikblumen über und über bestickt.
Das Brautkleid steht mehr symbolisch für das Aufbrechen der modischen Regeln, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Ein silberner kompletter Badeanzug mit Badekappe und einem üppig gestickten Tüllschleier. Spätestens dann weiß man, dass es Sommer ist und man sich in einem herrlichen Garten an der Côte d’Azur befindet. Karl Lagerfelds Visionen werden fast seit seinem Antritt als Kreativdirektor bei Chanel im Studio Chanel verantwortlich für alle Umsetzungen und Koordination von Virginie Viard begleitet. Seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen an Lagerfelds Seite repräsentierte sie diesmal den Abschluss der Schau. Karl Lagerfeld fühlte sich an dem Tag nicht wohl und sagte aus gesundheitlichen Gründen die Präsentation ab.
Der Traumsommer wurde wahr im Grand Palais in der Chanel Couture von Karl Lagerfeld. In der Realität draußen zeigte sich Paris an diesem Tag mit dem ungemütlichsten Wetter, das ich je dort erlebt habe und eigentlich hätte ich es dem Modegenie gern gleich getan und wäre im Bett geblieben. Aber dann hätte ich einer seiner Versionen verpasst, die uns einen perfekten Traum in unvergleichlicher Raffinesse von Sommer-Haute-Couture gezeigt haben.
Hannes
24. Januar 2019 at 23:10Himmel, was für ein Gesamtkunstwerk. Die Kleider, das Setting, die Musik, die Frisuren, die ganzen Umstände. Surreal. Voller Wehmut.
Elke Kempe
25. Januar 2019 at 09:02Super super,hast Du uns wunderbar erzählt
FRED
25. Januar 2019 at 11:34PERFEKT ERZÄHLT. EIN GROSSES LOB UND VIELEN DANK DAFÜR!
thomash
31. Januar 2019 at 14:52Fantastisch!!