© Courtesy of Chanel
Silicon Valley bei Chanel. Das Grand Palais in Paris – wie immer der Ort, in dem das Happening der französischen Prêt-à-porter-Woche stattfand. Die Show wurde von Schaltschränken, blinkenden Computerlämpchen und unzähligen bunten Kabeln und Elektrosteckern unter dem Motto Chanel Data Center gesäumt.
Das kühle futuristische Dekor machte schon beim Eintritt einen impressiven Eindruck. Die weiten Bögen des Grand Palais mit ihrer Jugendstil-Konstruktion wirkten wie aus einer entgegensetzten Welt. Darüber ein sonniger Herbsthimmel, als würde er Werbung für die französische Hauptstadt machen. Der Morgen ließ also einiges zum Ende der Fashion Week erwarten. Die Tage standen im Zeichen des Umbruchs einer sich nicht gerade im Goldenen Zeitalter befindlichen Luxusindustrie, denn viele Labels haben mit Konsumunlust und sich verschärfenden Marktsituationen zu kämpfen. „Kleidung erfährt in den letzten Jahren bei der jüngeren Generation weniger Wertschätzung“ – ein Satz, der mir nicht nur in Paris häufiger begegnete.
© Olivier Saillant
Es gilt, Länder, die aufgrund von boomenden Märkten in Fernost von vielen Brands vernachlässigt wurden, zurückzuerobern. Ein Problem, das Chanel nicht hat. Auch in der Vergangenheit achtete das Unternehmen trotz Expansion darauf, dass ein gesunder und starker europäischer Markt bestehen bleibt. Gerade die Begehrlichkeit dieser Marke, die so fest auf französischen und europäischen Wurzeln basiert, kann nur funktionieren, wenn das Savoir-faire auch dort getragen wird, wo es herkommt.
Chanel kommt aus Paris und repräsentiert den französischen Stil mit allen seinen Elementen. Die Couture, der überwiegende Teil der Prêt-à-porter, die Taschen und Accessoires werden in Frankreich oder Italien gefertigt. Die meisten Ateliers und Zulieferer sind den Paraffections angegliedert, um die Handwerkstechniken der Metiers zu erhalten. Die Dimension, eine Marke zu sein, hat das familiengeführte Unternehmen längst verlassen. Chanel ist zu einer Art autarkem Konstrukt geworden, das alles aus sich selbst und unabhängig produziert.
© Olivier Saillant
Chanel ist Teil des europäischen Kulturerbes, das seit mehr als hundert Jahren besteht. Genau da liegt auch der Reiz für die Kunden sämtlicher Erdteile, ein Stück davon besitzen zu wollen. Zudem versteht es keiner wie Karl Lagerfeld, selbst im 33sten Jahr seiner Leitung des Hauses als Kreativdirektor, die Stilelemente und Ikonen des Hauses mit Innovationen, neuen Elementen und ungewöhnlichen Kontexten zu vermischen. Er schafft es, Tradition und Zukunft so zu verbinden, um eine stets am Weltgeschehen und Zeitgeist orientierte Chanel-Kollektion zu kreieren.
Deswegen sind auch Schauen wie das Chanel Data Center immer noch wahre Inseln in der Fashionwelt. Den Veranstaltungen haftet immer etwas sehr Intimes an; es geht um das besondere Handwerk und die Menschen die alles ausführen und so den Rahmen erschaffen für etwas, das später in aller Welt verkauft wird.
Besonders deutlich wurde das wieder bei der Haute Couture in diesem Juli, als die Ateliers mit den Schneiderinnen ins Grand Palais zogen. Trotz multimedialer Präsenz, der vielen Besucher, die natürlich überwiegend aus Asien oder Übersee kommen, hat Chanel eine treue Gemeinde aus jahrzehntelangen Fans, Mitarbeitern, Kunden und Journalisten.
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Auch wenn zur Zeit Diskussionen um Blogger und unzählige Instagram-Opfer die Modewelt beherrschen – sie sind die Sternschnuppen, die temporär erscheinen und schnell verglühen. Es bleiben die Menschen, die sich ernsthaft mit Luxusmode beschäftigen oder an der Herstellung und deren Kenntnissen einen bedeutenden Anteil haben. Sie sind weniger am Sternenstaub, der vermeintlich auf sie zu fallen scheint, interessiert, als an der wirklichen Weiterentwicklung dessen, was in Wahrheit auch Arbeitsplätze schafft und die wirkliche Auseinandersetzung mit Mode die im Kontext steht, bedeutet.
Chanel bildet eine Ausnahmeerscheinung – weit ab von anderen Luxusbrands und hat längst einen Status, der sich nicht mehr erklären muss. Er ist zum Mythos, wie schon seine Gründerin Gabrielle „Coco“ Chanel, avanciert.
© Courtesy of Chanel
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Aber zurück zur Kollektion für den nächsten Sommer – die Zukunft beginnt zu Musik von Michel Gaubert, der diesmal einen 15-Minuten-Mix von Donna Summers „I feel Love“ für die Show arrangierte.
Die Discobeats harmonierten bestens zum Beginn der Show mit zwei Chanel-Robotern, die in einer Art „chanelisierten“ Fassung der Cousinen von Daft Punk, die in einem schwarzen und einem weißen Kostüm als Metapher für die digitalisierte Welt aufmarschierten.
Obwohl die für Chanel typischen Kostüme schon vor Jahrzehnten geschaffen wurden, sind sie auch in ferner Zukunft immer noch die Perfektion des Stils und der komfortablen Kleidung. Die Befreiung der Frau, wie es so schön heißt, bleibt auch in Silicon Valley en vogue. Was dann folgt, ist ein Feuerwerk an Ideen, das teilweise die in den vorhergehenden Saisons aufkommende Tendenzen des „Chanel easy Chics“ fortsetzt.
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Die Silhouette ist weiter, kastiger und umschmeichelt die Figur. Jacken und Röcke werden mit Zips zu lässigen Teilen, die man schnell an- und ausziehen kann. Knöpfe werden durch Ripsstreifen ersetzt, die an Klettverschlüsse erinnern. Das Kostüm kommt in bunten Tweeds mit kontrastierenden Kanten daher. Bonbonfarben werden mit Weiß und Beige abgemildert. Lingerietops und Kleider bilden die Grundlage, um Tuniken oder Jacken darüber zu werfen. Auf Spitze und Satin bauen viele der Looks auf. Dressinggowns in Feuerwerksoptik oder knallig verschwommenen Gitterkaros sind weitere Eyecatcher der Kollektion. Zu Lagerfelds easy Wear kommen auch ausgestellte Tuniken im bretonischen Fischerstil und sogar ein schlichter weiter Baumwollpulli, der lässig über ein Kleid geworfen wird.
Die Chanel-Frau kombiniert ihre Klassiker der neuen Art mit seitlich aufgesetzten Basecaps und Minaudieren aus dem Computershop oder in putziger Roboterform. Die an Lochblech erinnernden glänzenden Ledertaschen nehmen das Data Center-Thema genau so auf, wie der platinenförmige Schmuck, der mit Perlen besetzt ist. Bis zum Knöchel reichende Velcro-Sandalen und klassischen Ballerinas in medizinischem Weiß vermitteln „Labor Hygiene“.
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Nimmt man alle Accessoires weg, sieht das geübte Auge schnell, dass viele Lieblingsstücke der Kundinnen zwar einen frischen Anstrich bekommen haben, aber es sich um eine sehr sichere und überall tragbare Alltagskollektion handelt. Aufwendige, mit vielen Plissees und Biesen geschmückte weiße Blusen bringen Romantik und femininen Touch mit ein. Das in Creme und Weiß gehaltene Abendthema spielt mit applizierten Kamelien und aufwendigen Drapierungen, die von Mademoiselles Rautenstepp inspiriert sind. Leichtigkeit und die Anlehnung an den Boudoirstil mit gestrickten Mänteln oder 3/4 langen strukturierten Jacken sind Lagerfelds Antworten auf eine Saison, in der viele andere Kollektionen fast ausschließlich bedeutungsschwere Abendgarderobe zeigten. Prêt-à-porter beinhaltet überwiegend Dinge, die man jeden Tag tragen kann und in dem Segment der Luxusmode auch über mehrere Saisons.
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Silicon Valley und IT-Mitarbeiterinnen im Chanel-Stil von Karl Lagerfeld widerlegen das hartnäckige Vorurteil, das sich Computernerds nicht für Mode interessieren. Meist kommen sie in Schlabberpulli und Jeans – der Baumwollpulli fehlt daher natürlich auch nicht als augenzwinkernde Reminiszenz an den Berufsstand der Programmierer. Wenn Karl Lagerfeld ein Thema recherchiert, dann eben in allen Details. Es gibt nur einen Unterschied: Chanels Pullover möchte jede Frau haben – den von meinem Systemadministrator ganz bestimmt niemand.
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Chanel Data Center – die Zukunft hat begonnen im Grand Palais. Mademoiselle Coco wird digitalisiert.
Horst
10. Oktober 2016 at 10:15Steckte Kendall Jenner eigentlich unter einer der Masken? Die lief ja gar nicht mit, oder hab ich sie übersehen?
Ich bin naturgemäß sehr gespannt auf die Accessoires!
PeterKempe
10. Oktober 2016 at 10:17Zu den Accessoires gibt es später einen extra Bericht !
Siegmar
10. Oktober 2016 at 10:37toller Bericht und die Kollektion ist gelungen, lieber Peter was war eigentlich in den Taschen als “ give away „
PeterKempe
10. Oktober 2016 at 11:08Chanel No.5 L’Eau das neue Eau de Toilette das jetzt lanciert wird!