(Courtesy of Chanel, Olivier Saillant)
Die Saisons der Cruise, oder wie es auf Französisch heißt Croisière Collections, ist eröffnet. Viele Luxusmarken zeigen diese, den Sommer eröffnenden Kollektionen, die ab Ende November verkauft werden und ursprünglich für die Leute gedacht sind, die den Winter nutzen, um ihn in warmen Gefilden zu verbringen oder eine Reise zu machen und dafür ihre Garderobe mit leichten sommerlichen Teilen auffrischen wollen. Wer diese für eine Erfindung unserer Zeit hält irrt, denn nicht zum aufkommenden Reiseboom und der Mobilität einer sich ständig in Flugzeugen aufhaltende Gesellschaft wurden diese Kollektionen erfunden, sondern bereits zum Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts. Vorreiter, wie fast immer in der Modegeschichte des vergangenen Jahrhunderts, Coco Chanel.
Courtesy of Chanel
Zum Ende des Herbstes 1919 zeigte sie ihren Kunden eine kleine Kollektion von einfacher Couture, die von den Kreationen total abwich, die sie für die Saison in Paris entwarf. Die amerikanische Vogue schrieb in ihrer November Ausgabe 1919 „Diese Modelle sind leichter und viel komfortabler, aus ungefüttertem Jersey, beinhalten Pullover, die bequem fürs Schiff, Kurorte oder die See sind. Ideal für wärmere Orte an der Riviera oder den Lido von Venedig.“
Bereits Jahre zuvor, 1913, hatte sie ihre Boutiquen in Deauville und Biarritz gegründet und war mit ihren einfachen Sailor-Suits in Jersey und Stroh-Bowlern, die sich so komplett von den opulenten Designs des Fin de Siècle unterschieden, zur Leitfigur einer neuen jüngeren moderneren Generation geworden. Die Frauen begannen für ihre Rechte zu kämpfen und dazu gehörte halt auch ein neuer Typus von Kleidung. Chanel als Frau, und mit ihrem revolutionären Charakter, stand genau dafür ein. Diese Stücke sollten täglich zu tragen sein, fließend sich dem Körper anpassen, aber trotzdem alle Eigenschaften haben, für dessen Stil Gabrielle Chanel von Anfang an stand. Was könnte da besseres Vorbild sein als die Kleidung der Sailor, Matrosen, Matelots? Aus deren Vorbildern schuf sie das, was dann auf den eleganten Paquebots, heute würde man Kreuzfahrtschiffen sagen, getragen wurde.
Courtesy of Chanel
Frankreich steht in diesem Jahr besonders im Mittelpunkt der Cruise Collections, außer Prada, die am Wochenende in New York zeigten, wird die Louis Vuitton Kollektion in der Fondation Maeght in Saint Paul de Vence präsentiert und selbst das italienische Gucci wird im südfranzösischen Arles seine Modenschau veranstalten. Den Auftakt machte aber Karl Lagerfeld mit seiner spektakulären Inszenierung am letzten Donnerstag im Pariser Grand Palais.
Majestätisch lag, nein, nicht die Titanic, aber ein großes Dampfschiff der klassischen Art, das an die berühmte „Normandie“ erinnerte, am Pier in der großen Halle des Grand Palais. Der Name des Schiffes und damit auch Namensgeber für die Kollektion „La Pausa“, nach der Villa Chanels in Roquebrune-Cap-Martin, in der Nähe von Monaco, in der sie Künstler wie Dali oder auch Winston Churchill beherbergte, und wo sie genau die Kleidung trug, die stilistisch auch diese Cruise Collection beeinflusste. Das Schiff mit seinen imposanten rauchenden Schornsteinen, der weißen Hauptbrücke und den zwei Oberdecks wartete darauf, die aus aller Welt angereisten Gäste zu boarden, den Anker zu lichten und mit dem sonoren Tuten der Schiffssirene in mediterrane Häfen abzulegen. Lagerfelds Wurzeln wurden gleich von ihm kommentiert: „Meine ersten Kindheitserinnerungen sind keine Dampfer, aber die Schiffshörner, die beim Auslaufen auf der Elbe zu hören waren.“ Das Haus seiner Kindheit stand direkt am Strom, beim Baurs Park in Blankenese.
Was dann folgte, war genau das Gegenteil von dem überall zurzeit lancierten ugly-chic und der Tendenz zu übertreibenden Silhouetten. Relaxte, ausgelassene Ferienstimmung mit allem, was die Sinne und das Träumen von einer femininen, luxuriösen Chanel Reise beinhaltete.
Als Eröffnung erschienen in weißen maritimen La Pausa Looks, die Crew, gebildet aus Lagerfelds Entourage, darunter Brad Kroenig, Sébastien Jondeau und Augustin Dol Maillot, am Schiffseinstieg und das Défilé begann.
Chanels eigene Looks, wenn sie auf der „Cutty Sark“ oder mit dem Herzog von Westminster auf der „Flying Cloud“ unterwegs war, standen genau so Pate, wie die Kreationen Karl Lagerfelds aus seinen ersten Jahren bei Chanel in den Achtziger Jahren. Zitate über Zitate, gewürzt mit allem, was die maritimen Codes mit denen des Hauses aus der Rue Cambon vereinigt. Ein Feuerwerk von Ideen, das aber auf der anderen Seite so selbstverständlich ist, dass es sofort zum Tragen und Haben-Wollen einlädt. Luxuriöse Selbstverständlichkeit ist das Zauberwort, gespickt mit Humor, Handwerk und liebevollen Details.
Mary Janes, ein bisschen an sportliche Kinderschuhe erinnernd, weiße blickdichte Strümpfe und runde große blaue Sonnenbrillen, dazu Bérets à la Basque, aus Tweed, Piqué oder Pailletten, fertig ist der Reiselook, um auf das blaue Meer heraus zu fahren. Doch jeder Look steckt voller Raffinesse: Die Silhouette ist wie die Ferien: lang oder kurz, lässt manchmal hier und da ein bisschen Haut hervorblitzen, und betont die Taille, die Hüften in lässiger Form. Strahlendes weiß, leuchtende Pastelle, dezentes Pink und alle Nuancen von wässrigen und mediterranen Blau-Tönen. Sommerlicher Baumwollpopeline in Streifen wird zu gesmokten Blusen, Blousons oder weiten angekrausten Röcken verwandelt und glatte Materialien werden zu sommerlichen leichten Tweeds und Bouclés kombiniert. Tweedkostüme und Kleider werden zu Tuniken verkürzt und erhalten so einen neuen Ferienlook. Highwaisted, in Falten gelegte, sportliche Röcke bilden das neue Kostüm mit weichen runden Schultern an den sportlichen Blazern. Capri Hosen, doppelreihige Jacken, Skatershorts, dazu leichte sommerliche Materialien wie Crêpe de Chine, Chiffon, Georgette und an Fischernetze erinnernde Stickereien und leichte Häckeldetails.
Zum Verlieben, die weiten fließenden lässigen Hosen, die zu Crop-Tops mit Cruise-Liner-Prints getragen werden oder zu lässigen Pullis mit Chanel und La Pausa Emblemen. Überhaupt, viele Stickereien und Exklusivprints spiegeln das Thema und die Fröhlichkeit des Sommers und des Meeres wider. Bootprints, Haifischzahn-Muster, Windrosen, Wellen- und Ankermotive oder Perlmuttstickereien, die die Reflexion der Sonnenstrahlen auf dem Wasser symbolisieren. Die Mütze der französischen Marines wird zum Strohhut, der mit dem berühmten roten Pompon gekrönt ist. Die Barrettes sind mit Chanel-Pins, Rettungsringbroschen und La Pausa-Badges gespickt. Fingerlose in fröhlichen Farben gestreifte Handschuhe, üppige lange Ketten und breite Taillengürtel runden den Mix and Match-Ferien Look ab.
Courtesy of Chanel
Auch die Chanel Taschen sind alle in Ferienstimmung: weiß, blau und pink dominieren, dazu Segelmotive und aus Tauwerk geflochtene große Shopper. Gewachster Canvas als Saddle-Bag erinnert an Fischer Taschen und Fischernetzdetails blitzen, wie bei den Stickereien, auch an Taschen hervor. Die Boy Bag wird wie ein Ranzen getragen und spielt mit maritimen Colourblockings, Leder mit gesprinteten Haifischzähnen gehen mit an Bord. Gabrielle Bags kommen in exotischen Ledern und Sun-Set-Farben daher und die Chanel 31 matched den silbernen Mary Jane Schuh mit seinem bequemen Blockabsatz in silbermetallischem Leder. Two-Tone Clutches sind allover und für die Sammler gibt es diesmal Minaudières in Rettungsringform, in deren Mitte bunte Kamelien schwimmen. Die Fantasie, wenn es um Ferien geht, scheint bei Chanel keine Grenzen zu haben. Nicht umsonst von Vielen als schönste Zeit im Jahr gefunden, was könnte es besser ausdrücken, als eine fröhliche und unbeschwerte Mode.
Wenn es einmal kühler an Bord wird, dann hat man ja wunderbare, an frühe Sonia Rykiel Ensembles erinnernde und schon von Chanel in den dreißiger Jahren lancierte Strickensembles, die in wollweiss mit ihren Pastellstreifen und den geraden Strickröcken und passenden weißen Strümpfen, die neue sportliche Eleganz wie keine anderen Looks symbolisieren. Lagerfelds Mutter Elisabeth liebte sie und es gibt viele Bilder auf denen sie solche Ensembles trägt.
Kongenial diesmal auch der Soundtrack von Michel Gaubert, der genau diese Leichtigkeit und die Stimmung der unbeschwerten Reisen unterstrich. Paula Moores „Valparaiso“ wurde zum Ohrwurm und das Finale mit „Go West“ von den Pet Shop Boys besiegelte endgültig den Triumph einer grandiosen Kollektion von Karl Lagerfeld für Chanel und einer Show, die von der Stimmung und dem grandiosen Dekor mal wieder für eine kaum zu überbietende Inszenierung im Grand Palais sorgte. Lagerfeld gibt uns unsagbare Realitäten von dem, was seine Fantasie im Kopf an Bildern erzeugt und die jeder von uns als Idealbild vor Augen hat.
Das Umsetzen erscheint einem manchmal als Mirakel, er und Chanel wagen es mit ungeheurem Aufwand perfekte Visionen zu realisieren, erinnern in jeder Show und Kollektion wieder daran, was Haute Couture und luxuriöse Prêt-à-porter eigentlich ausmacht. Es ist die Sparte, die in unglaublichem handwerklichem Aufwand die Träume der Mode realisiert, die in der normalen Konfektion und bei den Massenmarken nicht verwirklicht werden können. Der Unterschied und das Alleinstellungsmerkmal, das nur die Ateliers in Tausenden Arbeitsstunden erzeugen und umsetzen können.
Courtesy of Chanel, Olivier Saillant
Karl Lagerfeld würdigte im Finale aber auch noch etwas anderes, denn diesmal nahm er Virginie Viard mit auf die Brücke, um die Ovationen nach der Schau abzunehmen. Seit Jahrzehnten an Lagerfelds Seite und Kopf der Chanel Studios ist sie diejenige, die Karls Visionen perfekt umsetzen kann. Lagerfelds Respekt für seine Mitarbeiter ist groß und nur dadurch können solche grandiosen Kollektionen wie die „La Pausa“ Cruise Collection zu einer wirklichen realen Traumreise werden.
Die Chanel Cruise Collection beschert in jedem Teil und jedem Look eine Traumreise und die Show gehört für mich zu einer der Besten überhaupt.
Schiff ahoi! Go West! Mit Karl Lagerfeld auf zu neuen Chanel Ufern.
JayKay
8. Mai 2018 at 17:42Vielen Dank für die detailreichen Einblicke und für die ausserordentlich schön beschriebenen Hintergrundinformationen. Es ist sozusagen eine Betriebsanleitung der Kollektion, ohne die viele Kleinigkeiten einfach unbeachtet blieben.
Der „La Pausa“ Pulli würde mir sicherlich auch gut stehen.
Und ich hoffe, dass uns Karl in dieser Form noch lange erhalten bleibt.
Elke kempe
9. Mai 2018 at 13:53Ein sehr schöner und liebevoller Bericht!DieCruise Collection strahlt soviel Strand u.Meer u.Urlaub aus…….man hätt schon gern ein paar Teile!!
Peterkempe
10. Mai 2018 at 08:23Merci an euch beide! Es macht aber auch mega Spaß, eine solch tolle Kollektion zu dechiffrieren. Chanel Kollektionen haben halt immer so etwas wie ein Drehbuch, weil sie so äußerst durchdacht sind. Es ist halt toll, wenn eine Marke so viele eigene Elemente hat und sich nicht staendig der Trends anderer bedienen muss, wie es heute Gang und Gaebe ist.
vk
16. Mai 2018 at 12:58toll, peter.
dennoch liegt viel melancholie und abschied in der inszenierung.