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Calvin Klein Herbst/Winter 2017 – Der Geniestreich des Raf Simons

Zwar haben die Herbst/Winter-Schauen in New York traditionell mit eisigen Temperaturen begonnen, doch die Modejournalisten können aufatmen. Das erste Highlight des in den nächsten vier Wochen stattfindenden Schauenmarathons in London, Mailand und Paris wurde prompt geliefert. Raf Simons stellte die Männer- und Frauenkollektion für das Label vor, das als das Synonym für den „All American Style“ der Neunziger Jahre gilt – Calvin Klein.
Die Schau wurde, nachdem Raf Simons seinen Job als künstlerischer Kopf bei Dior niedergelegt hatte, mit großer Spannung erwartet. Er fühlte sich bei seinem damaligen Arbeitgeber durch die unzähligen Kollektionen in seiner Kreativität zu sehr unter Druck gesetzt. Viele Beobachter vermuteten allerdings, dass er bei einem amerikanischen Konzern dann doch, wie es so schön heißt, vom Regen in die Traufe kommen würde.
Doch eine Voraussetzung schien schon bei der Verbindung von Calvin Klein und Raf Simons klarer, als in der Kombination mit Dior: Calvin Klein ist ein Synonym des Stils, der für klares Design, den Purismus Anfang der Neunziger Jahre, Business Stil und Kleidungsstücke, die tragbar und eher alltagstauglich sind, steht. Das Designprinzip Calvin Kleins prägte die Zeit, als Simons begann, sich mit Mode zu beschäftigen und es ist ein Haus, das ihm sicherlich mehr entspricht, als ein auf weibliches Image aufbauendes, Couture geprägtes französisches Traditionshaus mit Codes, die in der Nachkriegszeit festgelegt wurden.

Raf Simons ist es mit seiner ersten Kollektion für Calvin Klein gelungen, sich treu zu bleiben und trotzdem dem Haus ein scharfes Profil zurückzugeben, das richtungsweisend wirkt. Denn trotz klingendem Namen und einem Umsatz von ca. 8 Milliarden Dollar fehlt es dem Label in den letzten Jahren an dem, was man als klar zu definierenden Stil und einer stringenten Designlinie bezeichnet. Hinzu kommt, dass die Hauptlinie fernab von dem steht, was mode- und zukunftsweisend ist, was sicherlich dazu führte, Simons zu engagieren. Ich glaube, die Manager bei Calvin Klein werden diese Entscheidung nicht bereuen, denn schon Raf Simons erste Schau zeigt, dass er alle Register gezogen hat und mit einem Paukenschlag klarmacht, was Calvin Klein ist.

Die Schau überzeugte in seiner Gesamtheit genau so, wie jeder einzelne Look es auf den Punkt brachte und mit Hunderten Zitaten und visionären Ideen eine umwerfende Modernität ausstrahlt. Raf Simons Kollektion hat nichts mit dem zur Zeit vorherrschenden überbordenden und opulenten Eklektizismus zu tun und auch nichts mit den persiflierenden und überzeichnenden Kollektionen wie bei Vetements & Co. Die Kollektion lehrt uns das, was Mode ausmacht: eine klare Haltung zu haben und zu zeigen, wofür die Marke steht.
Mit berückender Klarheit folgte dann eine Sternstunde der Mode, die das Amerika zeigte, das man liebt und an die großen Zeiten der New Yorker Fashion Week mit sensationellen Helmut-Lang-Defilees anknüpfte. Zum genialen Soundtrack von Michel Gaubert mit David Bowies „This is not America“ und Auszügen aus dem Soundtrack „Virgin Suicides“ paradierte die Quintessenz von dem, was amerikanische Mode, Calvin Klein und Raf Simons groß gemacht hat.

Schon der Vorraum wurde von Raf Simons langjährigem Künstlerfreund und Kooperationspartner Sterling Ruby gestaltet. Er ließ die Spannung auf den Höhepunkt steigen und schloss, genau wie die in den letzten Wochen schon veröffentlichten Kampagnen von Willy Vanderperre, an die Wurzeln Calvin Kleins und die Zeit von Andy Warhol und Co. an. Der Mythos des Labels wurde in den Kontext zum Neuen gesetzt, indem man einfach eine Original Unterhose aus dem Archiv gegen ein Model im Stars-and-Stripes-Rock im Stil amerikanischer Bürgerkrieg-Wimpel setzt.
American Workwear, Denim in purster Form, Calvins geliebter zweireihiger Blazer in Glencheck, Business Outfits mit knöchellangen Röcken, wie sie Sigourney Weaver in „Working Girl“ getragen wurden – die Kollektion ist trotz (oder wegen) Zitate an den Anfang der 90er-Jahre begehrenswert. Blazermäntel erinnern an die Wallstreet – die Klassiker von Calvin Klein setzt Raf Simons messerscharf in Szene (einmal bitte alle Mäntel!).

Die Hosen mit den breiten, verdeckten Übertritten sind eine Hommage an den von Raf so geschätzten Helmut Lang. Spannend sind die durchsichtigen Shirts mit farbigen Ärmeln im Stil von Jodie Foster in „Taxi Driver“ und die flächige Workwear-Optik bei Hemden mit untergezogenen Rollis. Trenchcoats mit transparentem Vinyl Überzug (auch hier ein Gruß von Helmut Lang) oder auch großartige Hosenanzüge in feinen Glenchecks, immer zweireihig, erinnern an die Glanzzeit des Labels und wirken – wohltuend Appetit machend – modern. Ein Highlight ist der Parka mit Amish Quilted Futter, das herausblitzt sowie typische, grafische Raf-Simons-Applikationen, dazu Cowboyboots – aber eher die „New York Version“.

Die Hoch-Zeiten Amerikas und das was man daran geliebt hat, machen einem plötzlich klar, dass Simons genau das trifft, was man anziehen kann und will. „All about America“ mit den Augen von Raf Simons gesehen zeigt, dass es genau an der Zeit ist, sich wieder für seine Klarheit zu entscheiden und dass es eine Alternative zu allen Richtungen gibt, die uns zurzeit suggeriert werden. Die Ehrlichkeit und das Genie von Raf Simons wirken jetzt schon wie ein Fingerzeig der Branche und werden vielleicht wieder darauf Mut machen, die Schlichtheit weiter in den Vordergrund zu rücken. Raf Simons Calvin-Klein-Frauen wirken selbstverständlich und intellektuell, ohne gleich – wie bei den meisten Labeln – zu flächigen Galeristinnen zu werden.

Das Überragende in der Kollektion liegt in der Quintessenz einer tragbaren Ästhetik, die nicht überdreht wirkt und die den Faden von Calvin Klein, Martin Margiela, Helmut Lang und Raf Simons eigener Designphilosophie weiterspinnt.

Ein grandioses Debüt für Raf Simons und Calvin Klein, was auf den Punkt die Marke und den Designer zu einer Einheit mit großer Vision vereinigt und wieder in die allererste Reihe der Avantgardisten rückt. Die Sensation der New York Fashion Week!

  • Georg
    13. Februar 2017 at 14:39

    Simons hatte bei Dior nie richtig gepasst.

  • Siegmar
    13. Februar 2017 at 16:00

    sehr klasse, gefällt mir sehr.

  • Markus Brunner
    14. Februar 2017 at 09:34

    top kollektion, die mäntel sind super, die hosen auch, hätte gerne den parka

  • Junikäfer
    14. Februar 2017 at 17:58

    Seen it all from him before…
    Setting = Herbst/Winter 2014/15
    Monochrome, plakative Farben = Jil Sander Frühling/Sommer 2011 Herren/Frauen
    Schwarzes Leder = Jil Sander Herbst/Winter 2012 Herren
    Vinyl = Jil Sander Frühling/Herbst 2012 Herren + Dior Couture Frühling/Sommer 2015 + Prêt-à-porter Herbst/Winter 2015
    Strickärmel = Dior Frühling/Sommer 2016
    Doppelreihige Mäntel und klobige Schuhe grundsätzlich immer.
    Sehr, sehr enttäuschende Kollektion!

  • vk
    16. Februar 2017 at 14:54

    pedder! es macht immer son spass, deine texte zu lesen!
    auch wenn man vielleicht gar keinen bock hat, nicht in der stimmung ist o. ae.
    nach zwei drei halbsaetzen ist man drin. umfangen von ganz eigener atmosphaere. veranda. der blick aufs land. plauder plauder. unter freunden braucht man sich nicht zu verstellen und das tut dann auch keiner und man beschreibt die welt in begeisterung und guete.
    ich finds grossartig. grossartig wie sich peter auch jeden boesen gedanken verbietet. grossartig, wie dieser irrsinnig nette kerl sich niemals aufdraengt. sich nie in beifallheischenden formulierungen versteigt. hier spielt sich der schreibende nie vor das beschriebene. eine in unserer zeit rare und wohltuende kunst. hier nimmt sich einer zurueck, und sucht, und findet, und zeigt und teilt mit. und das ist toll und das ist wirklich originell.
    1000dank

  • PeterKempe
    16. Februar 2017 at 22:46

    Whoww – @vk, was soll man zu einem so großartigen Lob und einem solch würdigenden Kommentar sagen, außer zutiefst mich bedanken und Dir sagen, dass es einfach Spaß macht zu schreiben, wenn man, so wie von dir, wahrgenommen wird. Mir geht es darum, Mode und Kollektionen einzuordnen und den Hintergrund zu erfassen, der schließlich als Zeitgeist wahrgenommen wird. Etwas, was immer rarer wird, weil Instagram und Co. nur abbilden, aber nicht erklären.
    Danke, danke, danke!

  • Die Woche auf Horstson – 07/2017 | Horstson
    19. Februar 2017 at 16:33

    […] es mit seiner ersten Kollektion für Calvin Klein gelungen, sich treu zu bleiben und trotzdem dem Haus ein scharfes Profil zurückzugeben. 3) Jan sagte uns, was sich gehört. Dieses Mal mit Musik von Katy Perry, Henry Green, Hercules […]