(© Courtesy of Burberry)
Vor einigen Tagen präsentierte Burberry erstmals seine Damen- und Herrenkollektion in einer Schau. Doch das war nicht das einzige Novum, das uns die Briten zum Umdenken mit in die neue Saison geben. Als eine Art „Revolution der Fashionbranche“ wurde Anfang des Jahres das „See now, buy now“-Konzept angekündigt. Burberry will in Zukunft direkt im Anschluss zur Schau die Looks in den eigenen Stores und im Onlineshop verkaufen. Hinzu kommt, dass das Unternehmen auf die althergebrachten Saisonbezeichnungen wie „Frühling/Sommer“ und „Herbst/Winter“ verzichten wird. Laut Burberry ist durch die fortgeschrittene Globalisierung eh irgendwo Sommer oder Winter und die Bedürfnisse der Kunden haben sich stark verändert. Es gibt bei Burberry also nur noch die Kollektionen „September“ und „Februar“. Zweimal jährlich werden die Hauptkollektionen, und alles, was mit Herren- und Damenkollektionen zu tun hat, gezeigt. Das bedeutet auch, dass die Journalisten nur einmal nach London reisen müssen und dass sich der Aufwand verringert – so zumindest die Idee. Christopher Bailey erklärt, dass im Fall von Burberry die Damen- und Herrenkollektionen gemeinsam entwickelt und designt werden und sie sich thematisch angleichen.
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Schon bei Bekanntgabe der Veränderungen gab es eine hitzige Diskussion, ob es überhaupt möglich ist und welche Modehäuser auf den Zug von Burberry aufspringen. Außerdem würden die Fashion Weeks, da viele Brands sowohl Damen-, als auch Herrenkollektionen präsentieren, im Terminkalender ausgedünnt werden. In einigen Modehäusern stand man vor der Frage, wo man alle Journalisten und Einkäufer bei den Schauen hinsetzen kann, wenn Damen und Herren gemeinsam gezeigt werden. Die größte Frage war allerdings, wann Entwurf, Modellentwicklung und Stoffdisposition stattfinden sollen und vor allem, wie ohne vorherige Orders die Stückzahlen der produzierten Teile festgelegt werden können. Etwas, über das sich Burberry scheinbar Gedanken gemacht hatte, was aber wenig Nachahmer findet.
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Die Pariser Chambre Syndicale antwortete auf Burberrys Bekanntgabe mit einem klaren Nein zur Zusammenlegung der Männer- und Damenschauen und wies darauf hin, dass im französischen Luxusbekleidungshandwerk der Rhythmus von Saisons und der dazwischen liegenden Produktionszeit weiter eingehalten wird, um die Besonderheit des Design- und Qualitätsanspruches zu gewährleisten. Auch in Mailand reagierte das dort ansässige Pendant der Vereinigung italienischer Luxushäuser ähnlich. Lediglich Gucci kündigte an, ab Frühjahr 2017 die Schauen zusammenzulegen. Allerdings begründete Alessandro Michele es damit, dass in seinen Kollektionen thematisch eine so enge Verbindung besteht, dass beide Linien zeitgleich erstellt werden. Der Rhythmus des Orderns und der Auslieferung in die Filialen und Retailer bleibt genau so erhalten, wie die klassischen Saisons. Was bleibt, ist viel Lärm um Nichts.
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Nun wurde sie also erstmals gezeigt, die „September“-Kollektion von Christopher Bailey für Burberry – das älteste und nebenbei auch größte Luxuslabel der britischen Inseln. Eine Marke, die nicht nur den Trenchcoat erfunden und salonfähig gemacht hat, sondern seit über 150 Jahren für den englischen Lifestyle steht.
Christopher Bailey verstand es in den letzten Jahren, dem Label einen Stil einzuhauchen, der zwar mit den Icons der Marke spielt, der aber gleichzeitig Elemente von typisch Londoner Modebewegungen der letzten Jahrzehnte einbrachte. Mod- und Brit-Guy-Attitüde ebenso, wie Einflüsse aus der New Romantik der Achtziger Jahre oder Anklänge an den Punk.
Ein Teil des Erfolges von Burberry besteht darin, dass Bailey den immer noch für Stil und Klasse stehenden eigenwilligen „British Way of Life“ internationalisierte und – drastisch verjüngt – zukunftstauglich macht. Das begründet auch der Erfolg in den neueren Märkten wie Asien oder dem Mittleren Osten.
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Die „September“-Kollektion ließ sich durch den Roman „Orlando“ der englischen Schriftstellerin Viginia Wolf und der Bloomsbury Bewegung, die Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts aus Schriftstellern und Malern bestand und eine romantisch-moderne Lebensart propagierte, die traditionelle und futuristische Elemente kombinierte, inspirieren. Der Bloomsbury-Stil stand für die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Toleranz von Lebensgemeinschaften jeglicher Art. Etwas, was das edwardianische Zeitalter natürlich zutiefst erschütterte.
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Die Verquickung von Tradition und Moderne und das Spiel mit den Geschlechtern passt, nicht zuletzt durch Alessandro Michele, in den Trend der neuen Opulenz und Romantik. Christopher Bailey verpasst dem seinen eigenen Stempel und schöpft aus dem unerschöpflichen Fundus der anglizistischen Kultur und übersetzt es perfekt auf die Looks und Silhouetten.
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Bei den Looks gibt es viel Neues und eine deutlich weitere Silhouette, die mit Oversized und Casual Looks und viel Layerelementen spielt. Anklänge an die Neunziger Jahre blitzen überall heraus. In Verbindungen mit Materialien, Farben und Mustern des Bloomsbury-Stils gibt es eine perfekte Burberry-Interpretation für 2017 wider.
So werden Pyjamahemden in Seide mit Pfingstrosenmotiven in staubigen Farben zu englischen Moleskinhosen in weiter Optik und zweireihigen Samtjacketts kombiniert. Hinzu kommen Sweatshirts mit Puffärmeln zu dekorativen Jeans in Kupfernuancen. Die Lammfellfliegerjacke wird mit elisabethanisch anmutenden Panelen an den Ärmeln versehen und zur überweiten Samthose getragen. „Tunika Hemden“ in Baumwollvoile oder blau-weißen Metzgerstreifen erhalten Rüschen-Details, Volants oder Jabot-Knopfleisten. Chesterfield Mäntel mit Tunika werden zu Skinny Jeans mit Nieten oder im Militarylook kombiniert.
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Weitere Highlights sind die floralen Feldjacken, Pyjamahemden, Military Hemden, Cricket Pullover, gestreifte und ungefütterte die University Blazer. Unter gepatchten Steppjacken mit Bloomsbury-Mustern schauen die überlangen Ärmel der Hemden heraus und weite Hosen werden mit geschlungenen Gürteln geschlossen.
Leuchtend gelbe Drucke, die an die Tapeten der englischen Landhäuser des Empires erinnern, erscheinen auf Bomberjacken und einreihigen Jacketts und werden mit breitgestreiften Pyjamahosen gezeigt. Dazu klassische Chelseaboots in braunem Veloursleder und Bridle Bags, die an die Taschen von Boten erinnern. Diese Taschen gleichen Satteltaschen und sind mit Nieten verziert, oder in Materialmix in zahlreichen Varianten vertreten. Puderige Farben, Kupfer und Rost, tiefes Blau, Oliv, Braun, Khaki und Rosé dominieren die Kollektion.
Burberrys Klassiker, der Trenchcoat, wird dekonstruiert und neu gedacht; das Burberry Check fügt sich dezent als Pyjamahemd unter lang geschnittenem Chesterfield ein.
Uniform Paradejacke und Fieldjackett – auch Dauerbrenner bei Burberry – werden als Bruch zum romantisierenden Look eingesetzt.
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Die Kollektion kann man bereits bei Burberry.com und in den Flagshipstores sowie den großen Departmentstores wie Barney’s New York oder auch Selfridges London kaufen. Zur Beruhigung der aufgebrachten Fashionszene sei aber gesagt: Auch bei Burberry gibt es – besonders bei den Klassikern – ganz normale Liefer- und Orderrhythmen. Natürlich gibt es auch weiterhin regionale Unterschiede, was den Schwerpunkt von wärmerer Kleidung im Winter bzw. leichteren Sachen im Sommer betrifft. Trotzdem hat Zukunft bei Burberry – zumindest bei einem Teil der Kollektion – begonnen.
Christopher Bailey hat mit dieser Kollektion eine gute Balance zwischen Klassik und romantischem Touch gefunden. Seine Bloomsbury-Kollektion lädt alltagstauglich zum Träumen ein. Und Virginia Wolf werde ich auch mal wieder lesen …
siegmar
26. September 2016 at 16:44Insgesamt finde ich die Kollektion wirklich gelungen und wie immer, Peter´s wunderbarer Artikel
Die Woche auf Horstson – KW 39/2016 | Horstson
2. Oktober 2016 at 16:45[…] Ausführliche Berichte über die Gedankenwelt der Designer zu den Kollektionen von Burberry, Gucci und Prada präsentierte Peter. Sehr […]