(Gazpacho? Für jene unter unseren LeserInnen, die entweder zu jung sind oder noch keine Fans von Pedro Almodovar, hier der unverbindliche Vorschlag, „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ unbedingt zu gucken. Zum einen ist da diese unterhaltsame Story, die hoch verehrte Rossy de Palma und die ikonische Szene mit der Frage: „Gazpacho?“ Guckt einfach. Am besten alle Filme von Almodovar. Szene aus „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, (1988), Regie: Pedro Almodóvar; Bild: © Fox)
Frauen der westlichen Welt können schon lange hohe Ämter erlangen, Präsidentinnen oder Ministerinnen werden, wissenschaftliche Höchstleistungen erbringen, DAX-Konzerne leiten, Nobel- und Pulitzer-Preise verliehen bekommen …
Hat eine Frau, die noch nie in ihrem Leben wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde, dennoch das Recht, am Weltfrauentag über Gerechtigkeit für Frauen zu schreiben?
Auch wenn ich mir da nicht so sicher bin, die beste hier verfügbare Fürsprecherin der Sache Frauen zu sein, nehme ich die Herausforderung an.
Daran, die Hunderttausendste zu sein, die über den GenderPayGap berichtet, diesen beklagt, bin ich aber nicht interessiert. Frauen in der westlichen Welt haben überall die Chance zur Teilhabe an guter oder sehr guter Bildung, können mehr oder weniger die Herausforderung annehmen, um ihre Karriere zu kämpfen, wie Männer das auch tun, so sie denn Karriere machen wollen. Will oder kann ja auch nicht jeder Mann. Oder wollen wir allen Ernstes für Frauen fordern, auch schwerste und gefährliche Arbeit auf Autobahnen, im Bergbau, auf Ölbohrplattformen, in der Hochseefischerei oder nur bei der Müllabfuhr machen zu dürfen. Könnten wir ja, wenn …
Mein Blickwinkel auf das Thema der Frauengerechtigkeit ist dadurch geprägt, dass mir durch mein nebenberufliches Engagement als Freiwillige viele Frauen begegneten und bis heute bekannt sind, deren Leben wahrlich erbärmlich ist.
Es sind Frauen, die niemals eine Schule besuchen durften oder den Schulbesuch beenden mussten, als sie geschlechtsreif wurden. Solche, die als Kinder zwangsverheiratet und vergewaltigt wurden. Alles in manchen Ländern völlig legal. Als mir zum ersten Mal eine Frau gegenüberstand, die gerade mal 21 Jahre jung war, fünf Kinder hatte und erklärte, im Alter von 11 Jahren von ihren Eltern an den Ehemann verkauft worden zu sein, kippte ich sprichwörtlich hinten aus den Schuhen. Man hatte gelesen, was Christoph Reuter schon 2009 in seinem Artikel: So liebt Afghanistan „Liebe, was ist das?“ im Stern über die erbärmliche Situation der Mädchen und Frauen in Afghanistan erklärte und beschrieb … nur haben solche Meldungen in der westlichen Welt ein rasches Verfallsdatum.
Wir tanzen gerne um den eigenen Bauchnabel herum. Mag sein, dass ich herzlos bin, wenn die Klagen von Frauen aus ihrer Bubble auf hohem Niveau an mir komplett vorbeigehen. So ferne es sich um Frauen handelt, die alleinerziehend sind und in lausig bezahlten Berufen das Geld verdienen müssen, das die Familie zum Überleben braucht, bin ich wieder ganz bei uns. Da wäre es schön gewesen, hätten gerade solidarische Frauen laut danach gefordert oder gar danach geschrien, dass der Mindestlohn deutlich angehoben werden müsste. Was er nun ja auch wird. Nur ist das nicht das Ergebnis von Frauensolidarität.
Wie viele Frauen, denen es gut geht, könntet ihr, jenen Frauen, denen es finanziell schlecht geht und deren Kenntnisse und/oder Nerven dafür nicht ausreichen, um Leistungen aus dem Topf von Bildung und Teilhabe für die Kinder zu beantragen, dabei unterstützen und diese kleinen Services für Frauen „am Rande des Nervenzusammenbruchs“ erledigen …
Zurzeit sind wir alle ganz im Banne der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine, sind froh, den Menschen etwas helfen zu können. Darunter sind ja hauptsächlich Frauen und Kinder. Man kann davon ausgehen, dass der heutige Weltfrauentag zu deren kleinster Sorge gehört. Die Frauen haben den Wunsch, die Männer und im Lande verbliebene Familien und Freunde mögen am Leben bleiben.
Wie verschieden die Bilder des Elends und der Bereitschaft, zu helfen, doch sein können: Wir, die wir allesamt vergleichsweise privilegiert sind, sollten den Weltfrauentag auch dafür nutzen, zu reflektieren, wo sich Frauen mit existenziellen Problemen befinden, die unsere Hilfe und Unterstützung gegen Unterdrückung und Gewalt von Männern und Frauen (auch Mütter verkaufen Mädchen an alte Männer) dringend benötigen.
Die Verantwortlichen in Deutschland beteuern geradezu gebetsmühlenartig, alle Ortskräfte aus Kabul und ganz Afghanistan evakuieren zu wollen, rühren aber keinen Finger, um jene modernen, gut ausgebildeten jungen Frauen zu retten, die sich wegen ihres Unglaubens und des Engagements für Menschen- und Frauenrechte in großer Gefahr befinden. Diese Frauen haben in aller Regel ein abgeschlossenes Studium, sind unverheiratet, haben keine Kinder; sind weltoffen und westlich orientiert. Wir kennen leider schon Fälle solcher Frauen, die in den Fokus von Männern der Taliban gerieten und vergewaltigt wurden.
Besonders tragisch ist der Fall einer Frau, die als Mitglied einer Volleyballmannschaft wegen der getragenen passenden Sportklamotten – es geht hier nicht um Beach-Volleyball – von den Taliban enthauptet wurde.
Wo bleibt die gebetsmühlenartig beschworene Frauensolidarität für diese Frauen?
Jede ist sich selbst die Nächste, oder?
Nun gut: Der Weltfrauentag ist heute. Zum ersten Mal fand der Tag am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz statt. Mögen alle Demonstrationen und Reden dazu beitragen, dass wir uns wirklich für benachteiligte Frauen einsetzen und etwas verändern. Durch unsere Taten.
Eine der ersten und wichtigsten Taten sollte unser Kampf dafür sein, dass Mädchen allüberall Zugang zu sehr guter Schulbildung haben. Da gibt es auch hierzulande noch viel zu tun, wenn es darum geht, zu verhindern, dass ungünstige Familienverhältnisse dazu führen können, dass so manches Mädchen nicht den Schulabschluss erreicht, den es unter günstigeren Rahmenbedingungen erreichen könnte. Darunter leider auch Töchter aus den Familien Geflüchteter, in denen nach Jahren kein Deutsch gesprochen wird … auch das ist ein Frauenthema.
Das letzte Wort soll hier eine Frau haben, die neben dem bemerkenswerten Erfolg als Wissenschaftlerin, die einen Nobelpreis in Medizin erhalten hatte, durch die richtige Sicht auf das Thema der Gerechtigkeit für Frauen auffällt:
Professor Christiane Nüsslein ist „die Förderung von Wissenschaftlerinnen ein persönliches Anliegen. Nüsslein-Volhard, die selbst keine Kinder hat, hat eine Stiftung gegründet, mit der sie Wissenschaftlerinnen mit Kind hilft, die nötige Freiheit zu haben, ihre Arbeit in der Forschung weiterzuverfolgen. Sie selbst war bei ihrer Berufung als Direktorin in der Max-Planck-Gesellschaft noch eine Ausnahme. „Und Ausnahme ist anstrengend.“ Eine Frauenquote lehnt sie aber ab. „Das verekelt einem den Erfolg, wenn man sich immer fragen muss: Liegt es an der Quote oder hab ich’s wirklich selbst verursacht?“ Sie wäre froh über ein Ende der Diskussion. „Man möchte eigentlich gemessen werden an dem Wert der Arbeit und nicht an dem Geschlecht.“ (Der Spiegel, 19.10.2017).
Auch von ihr stammt der launige Ratschlag an Frauen, sich weniger Sorgen um ihr Aussehen, als um ihre geistigen Fähigkeiten zu machen …
Gastautorin: Eva Parke