(Dawid Tomaszewski; Bild: PR)
Neuausrichtung, Relevanz und Standortwechsel – Die diesjährige Berliner Modewoche stand ganz im Zeichen des Aufbruchs. Weniger Schauen im Veranstaltungskalender, das ewerk als neuer Austragungsort und überhaupt: Qualität statt Quantität. Schon klar, der ein oder andere Pessimist suhlte sich seit Bekanntwerden der Änderungen durch die Hauptsponsoren Mercedes Benz und IMG (den Artikel zu den News gibt’s hier zum Nachlesen) in Prophezeiungen à la „Berlin hat halt keinen Stellenwert im Modewochenkalender“ oder „eh nur Trash“. So einfach ist es glücklicherweise (!!!) nicht und ich kann die Stimmen ehrlich gesagt nicht mehr hören, die ewig meckern, schlechtreden und schließlich doch à la „nächste Saison mache ich denn wirklich nur noch New York, London, Mailand und Paris“ partizipieren wollen. Diese defizitorientierten Sprachrohre unserer Zunft sind gewiss nicht neu, und doch sind sie jedes Mal nervenaufreibend lästig. Warum? Weil Berlin auf einem guten Weg ist, ehrlich versprochen und selbst erlebt! Gerade wenn man mitbekommt, wie tolle und vielversprechende Persönlichkeiten der Branche gemeinsam an einem Strang ziehen, ist es frustrierend die ewig negativen Worte verschiedener Redakteure/ Blogger wahrzunehmen.
Ich für meinen Teil wollte mich diese Saison unbedingt mal wieder selbst überzeugen, wie es vor Ort aussieht, und bin so, nach ein paar Saisons Abstinenz – parallel liefen die letzten Jahre immer Barcelona, der SIHH in Genf oder jede Menge Pflichtvorlesungen in Hamburg – endlich mal wieder in der Hauptstadt zugegen gewesen. Vor Ort habe ich alte Freunde, Bekannte und jede Menge neue interessante Leute kennenlernen dürfen. Und eins ist ganz klar: spannende Mode und Visionäre gibt es in Berlin en masse! Zeitlich etwas eng getaktet, weil ich bereits ab Mittwoch wieder in der Universität sein musste, habe ich jede Menge (Fashion-)Input inhaliert. Ein paar meiner Highlights…
Zuallererst wäre DER BERLINER SALON zu nennen, der mit deutlichem Abstand zu den allerwichtigsten Treffpunkten der Berlin Fashion Week gehört. Hier reichte sich nicht nur das who-is-who der Branche die Hand, sondern auch jede Menge Newcomer, Modeinteressenten und Einkäufer (vor Ort habe ich z.B. viele Vertreter verschiedener Concept Stores gesichtet). Bereits zum siebten Mal rückte die Gruppenausstellung im Kronprinzenpalais deutsches Design in den Vordergrund. Diesmal wurden nicht nur Modelabels, sondern zusätzlich auch Designobjekte und Fotografien gezeigt. Eine Kombination, die durchweg positiv aufgenommen wurde und ein durchweg gelungenes Zusammenspiel bot.
Statt von aufwändigen Faltenwürfen und visionären Details übermannt zu werden, gab es nämlich jede Menge erlesenes Handwerk anderer Disziplinen zu entdecken – Porzellan, Möbel, Schmuck, Düfte, Kerzen und Kunstwerke. Klar, mein Blick richtete sich in erster Linie auf die Mode, deshalb war ich schließlich vor Ort. In dieser Saison wurden mitunter Entwürfe von Dawid Tomaszewski, Hien Le, Malaikaraiss, Maiami, Lili Radu und Marina Hoermanseder gezeigt – sie wurden auch von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe unterstützt. Die Liste der weiteren Teilnehmer ist lang und ebenfalls nicht zu unterschätzen: Während Labels wie Antonia Zander, Dorothee Schumacher, Gabriele Frantzen, Marjana von Berlepsch, Myikita, PB 0110, Saskia Diez kaum mehr von der Präsentationsplattform wegzudenken sind, sorgten Neuzugänge wie Atelier Oblique, Jan Kath, Stählemühle, Thomas Lohr oder Victor Foxtrot für großes Entzücken bei den Besuchern – eine gelungene Mischung, soviel steht fest. Meine Favoriten waren dabei definitiv die Entwürfe von Antonia Zander, Hien Le und Odeeh. Letztere überzeugten wie gewohnt mit einer Bandbreite an farbfrohen Mustern und Details, Le gehört mit seiner modern-zeitlosen Formsprache nicht umsonst zu meinen absoluten Favoriten (die rote Kombi ist jawohl mal der Knaller, oder?). Zander war und ist mit ihrem eklektischen Muster- und Lagenlook in meinem Gedächtnis geblieben, definitiv empfehlenswert.
Apropos: Zum Teil wurden die neuen Modestücke an Live-Modellen präsentiert, hierbei sorgte der langjährige Salon-Partner CATRICE für den richtigen Look der Models. Vor der Tür warteten Streetstyle-Fotografen aus dem In- und Ausland, von zu plakativ-protzigen Outfits jedoch keine Spur. Durch und durch tolle Styles und Kleiderkombinationen wurden von Blogger_innen und Redakteur_innen durch die herrschaftlichen Räumlichkeiten Unter den Linden getragen, für Modefans bot sich damit eine Augenweide nach der nächsten.
An anderer Stelle, im ewerk, ging es während der ersten Tage der Berlin Fashion Week um einiges hektischer zu: Jede Menge Interessenten, durchaus auffälligere Outfit-Auftritte und sehr, sehr viel neue Gesichter. Dividiert man das Drumherum auseinander und konzentriert sich auf das Wesentliche – das Sichten von Kleidern, warum sonst war man schließlich vor Ort –, konnte man den Neuerungen des Formats Modewoche absolut Null Prozent etwas Negatives ankreiden. Für die Eröffnungsshow von Dawid Tomaszewski fuhr ich bequem mit der Bahn vor, die Lage ist bestens und unweit der Mall of Berlin gelegen. Der Laufsteg selbst erfüllte ebenfalls seinen Zweck, warum im Nachhinein so viele kritische Stimmen zum neuen Hauptstandort durch die sozialen Medien raunten, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Tomaszewski schien das Ganze auch nicht zu stören, schließlich wurde er lange und ausgiebig beklatscht, nachdem er seine Outfits für die kommende Saison erstmals mit der Öffentlichkeit teilte. In der Front Row? Ein Potpourri an Journalisten, Celebrities und unzählig vielen Influencerinnen! Ähnlich wie seine Freundin Marina Hoermanseder versteht es der Berliner Designer bestens mit den neuen Meinungsmachern der Branche zu kooperieren – das ein oder andere alteingesessene Traditionshaus könnte hier durchaus etwas lernen. Auf dem Laufsteg? Tolle Kleider, fließende Stoffe soweit das Auge reicht! Samt, satte Farben sowie Lagen über Lagen. Dazu gab es Bauhaus-Prints – mittlerweile ein, nicht wegzudenkendes, Markenzeichen des gebürtigen Polen – beerenfarbene Karomuster und Plüsch von Ohr bis Fuß.
Knapp zwölf Stunden später, noch etwas müde, schaute ich am Dienstagmorgen auch bei IVANMAN vorbei. Das Männermodenlabel setzte mitunter auf sattes Grün und signalgelbe Accessoires. Klare Formen, moderne Oberbekleidung und Anzughosen. Mein Favorit? Die froschgrüne Daunenjacke im Neunzigerjahre-Look. Augenscheinlich einzigartig? Die blumig-feine Krempelmethode von jeweils einem Hemd- oder Jackenärmel! Ein Label, was man auf jeden Fall auf dem Radar behalten sollte. Bei diesem Stichwort mache ich den Übergang zu Strenesse, einem Traditionsunternehmen, welches ich in letzter Zeit ehrlicherweise doch etwas aus den Augen verloren hatte.
Ziemlich zukunftsorientiert ging es bei der Präsentation am Pariser Platz einher. Rein visuell überzeugten Leinwände mit Animationen und aufwändiger Lichtshow. Die Damenmode selbst habe ich erst auf dem zweiten Blick wirklich verstanden, es lohnte ein näherer Blick. Das Thema war, wie so oft in letzter Zeit, dem „Future is female“-Vormarsch gewidmet. Per se eine sehr gute Sache, dachte ich mir. Und doch konnte ich mich nicht von einem komischen Gefühl verabschieden. Wisst ihr was ich meine? Warum springt momentan beinahe jedes Label auf den Zug auf? Feminismus ist eine verflixt, verflixt wichtige Sache und gerade im Rahmen der gegenwärtigen Schieflage in Sachen #metoo nicht aus den Medien samt Berichterstattung wegzudenken! Ist dem Thema denn damit geholfen, dass selbst Modekollektionen immer und überall darauf verweisen müssen? Kann eine Kollektion nicht nonverbal, ohne dicken Banner auf Leinwand, für sich auf seine_n Betrachter_in wirken? Es würde mich sehr interessieren, was ihr denkt! Bei der Präsentation wurden verschiedenste Entwürfe gezeigt, jede Menge Hosenanzüge und die passende Garderobe für die moderne Geschäftsfrau (schließlich sprechen wir hier von Strenesse). Mein Favorit war die fluffig-cremefarbene Kombi aus Blazer und schwarzer Krawatte, auch die Accessoires und weiten Anzughosen haben mir sehr zugesagt.
Messen und weitere Modenschauen im ewerk habe ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr besuchen können. Obgleich ich nur einen kleinen Ausschnitt der Berlin Fashion Week erlebt habe, lässt sich ein durchweg positives Feedback festhalten: Egal, wo ich war und wen ich getroffen habe, überall spürte man eine einzigartige Energie, jede Menge Kreativität und Unternehmensgeist. Die Designer, Fädenzieher wie z.B. beim mehr als gelungenen BERLINER SALON, PR-Leute und Berichterstatter sind durchweg auf Zack, gerade was Innovationen angeht. Dazu gab es jede Menge Mode zu sehen, die ihr ganz eigenes Standing hat und nicht mal ansatzweise neben den anderen Standorten der internationalen Fashion Weeks den Kürzeren ziehen muss.
Ich freue mich über euer Feedback und habe euch ein paar Impressionen zusammengestellt! Meldet euch gerne falls ihr weitere Rückfragen zu den einzelnen Events haben solltet…
vk
22. Januar 2018 at 17:37ich find es ganz toll, wie sich berlin um seinen eigenen nabel dreht. schnodderige fan boy herrlichkeit bei gleichzeitiger selbstverachtung auf der einen, hard core zicken unterkuehltheit auf der anderen seite. ich brauch nichts davon. ist alles fuerchtlich distant und wenig lebensfroh. gegenseitiges ausbremsen der geschmackselite. wo ist der witz? wo is datt leben? wo relevanz? berliner fashion week zuechtet ein bitter kraut zwischen stue und shuttle limo.
Peterkempe
22. Januar 2018 at 19:09Julian ich finde es gut, dass du die Berlin Fashion Week so beleuchtest, denn eigentlich gibt’s immer nur Klatschgeschichten und keine Analyse des Ausgestellten bzw. was über Events hinausführt! Danke dafür!
Wie man die Berlin Fashion Week findet und welches Gewicht sie in der Weltmode hat, wird ja jede Saison auf’s Neue verrissen … warum eigentlich? Die Fashion Week Barcelona oder São Paulo wird nie angeklagt … Es sind halt nationale Veranstaltungen und sie vergleichen sich auch gar nicht mit Mailand oder Paris.
Siegmar
22. Januar 2018 at 23:59Danke Julian, gut mal einen so positiven Artikel über die FW Berlin zu lesen. Ich denke durchaus die die FW ihren Stelkenwert hat. Bei den FW‘s wurden immer irgendwelche sogenannte Promis aus der RTL Riege wichtiger genommen, als die Mode selbst. Das hat sich jetzt geändert und das ist auch gut so. Diese sogenannten Influencer bewirken bei mir irgendwie nur Abneigung und Übelkeit. Auf einigen Shows erlebt, wenn sie sich auf die „ Gifts“ stürzen, den Champagner und die Häppchen leer machen um dann, im gesponserten Hotel, meist das Soho-House, ihre Artikelchen schreiben und mitteilen, wie enttäuscht sie doch wieder von der Berliner FW sind. Warum kommen die eigentlich dann hierher. Wenn man aus Passau kommt will man dann auch lieber ins „Berghain“ gehen und nicht wirklich zu einer Show. Berlin hat nie den Anspruch geltend gemacht, Paris zu sein. Berlin ist Berlin mit guten Designern, dem Berliner Salon der wirklich klasse ist, gute Vernetzung und eine spannende Stadt mit einer außerordentlichen, inspirienden Kulturszene, fragt Frau Arp!
vk
23. Januar 2018 at 17:30entschuldigt meine miese laune. so sehr ich tilda swinton liebe und seit drerek jarman zeiten geliebt habe, ebenso funktioniert es irgendwie nicht, wenn ne ganze stadt die tilda macht. und dabei wuerde man es sich wuenschen. eigentlich muesste es sogar so sein. aber es bleibt irgendwie zurueck und ich weiss nicht, was da die bremse zieht. eigentlich ist es die welt, und eigentlich kann die welt nix anderes sein als berlin. aber irgendwie funktioniert es in der mode fuer mich gerade nicht, und macht mich leider auch irgendwie aggressiv. anyway. es bleibt ja noch so vieles andere, das fuer die stadt spricht.
Monsieur Didier
23. Januar 2018 at 20:07…ein sehr gut geschriebener Artikel und es freut mich, dass Du Dich auf die Schauen und Designer konzentrierst und dich nicht in kleinen, überflüssigen Schwafel-Geschichten verlierst… so muss es sein…!
Was mir allerdings auffiel: wenn man nicht wußte, dass FW ist, man hätte es in der Stadt nicht gemerkt…
aber das hat nichts zu heißen…
jetzt kann die FW den eingeschlagenen, offensichtlich richtigen Weg weiter gehen und vielleicht ein bisschen ausbauen…!
Mirco
25. Januar 2018 at 14:12Ob es gut ist wenn in der Stadt niemand merkt das Fashionweek ist vage ich zu bezeifeln 😉