(Bilder: Celine, Instagram)
Zugegeben: Ich habe mich auf diesen Abend gefreut und jeden noch so kleinen Schritt und jede Bekanntgabe der ersten Tasche (an Lady Gaga), das erste Kampagnenbild etc. gefeiert und allem entgegengefiebert. Ich hatte gedacht (gehofft?), dass es was Neues wird. Erstmals Männermode! Gut, das stimmt zwar so nicht ganz, denn es gab sehr wohl mal eine Linie namens „Celine Homme“ mit Konfektionsware. Diese wurde allerdings 1997 eingestellt. Aber trotzdem, Männermode von Hedi Slimane! Endlich wieder! Und dann noch Düfte und Couture. Es kam also die erste Tasche an Lady Gaga. Sehr klassisch, schöne Form, könnte was werden. Dann die ersten (Kampagnen) Visuals auf Instagram. Androgyne Models in schwarz/weiß gehalten … man ahnte schon etwas.
Dann die Bekanntgabe der Einladungen. Diese enthielten Bilder aus Pariser Nachtclubs. Ein paar davon konnte man sehen. Es war dieser Moment, in dem zumindest mir klar war: Viel wird sich an Look & Feel der Hediklamotte nicht ändern bzw. sehr viel wird sich bei Celine ändern. Der Kurzclip direkt vor der Show zeigte dann ein wunderschönes kurzes Kleid mit weiten Ärmeln, präsentiert von einer Eiskunstläuferin mit rockiger Musik im Video. Kurz, aber nur kurz, war man sich nicht mehr ganz so sicher, ob es nicht doch vielleicht nicht typisch Hedi sein würde. Dann der 28. September. Der Tag, der wohl am meisten erwarteten Show dieser Saison. Location? Direkt vor Napoleons Grab bei Les Invalides. Das Set-up wie immer bei einer Show von Slimane mehr Bühne als Laufsteg. Eine in sich verspiegelte Installation aus deren Mitte das erste Model kommen sollte. Aber zu Beginn erst einmal: Trommeln. Ein sehr symbolischer Akt mit einem vielleicht sehr großen Augenzwinkern. Denn bereits ein paar Tage vorher gab er ein Interview für Le Figaro, in dem er klar machte, dass er eine klare Vision hat, von der er nicht abweichen wird. Und genauso war es dann auch. Die Kollektion namens „Paris la nuit“ war exakt was der Name vermuten mag. Ultrakurze Kleider im 80ies Look, Clubkid-Attitüde und meistens mit Boots. Der Look der Kollektion setzte exakt dort an, wo Slimane mit der letzten Saint Laurent Kollektion aufgehört hatte. Einzig die kleinen Fascinator, welche die Mädels trugen, waren nicht so 100% Saint Laurent. Die Anzüge und Hosen waren schmal, aber tragbar. Die Looks der Celine-Männer waren allesamt (auch für Frauen) tragbar, meistens schwarz-weiß und alle hatten mindestens eines seiner Essentials im Look: Schmale Silhouette, Lederjacke oder Blouson und wenn um den Kragen was passierte, dann eine schmale Krawatte. Was allerdings auffiel: Es gab wenig Taschen und keinen einzigen Sneaker, weder bei den Frauen, noch bei den Männern. Die Kollektion war kommerziell und nett, mehr kann man dazu nicht sagen. Nicht herausragend oder innovativ oder sonst was. Einfach nett und schön. Vielmehr zu sagen hatten allerdings Presse, Einkäufer und (Ex)Kunden von Celine. Und hier wird es interessant.
Beruhigt euch!
Großer Aufschrei und Verwunderung: Die Sachen, die Hedi Slimane da gemacht hat, sähen zu sehr nach Saint Laurent aus und gar nicht nach Celine. Wow. Wir haben oben ja das up and down bis zur Schau und den Spekulationen hergeleitet. Spätestens nach den Kampagnen-Motiven war zu 98 % klar, wie Celine aussehen wird. Dass er nach zwei riesigen Traditionshäusern wie Dior und Saint Laurent bestimmt nicht bei Celine seine Linie, geschweige denn seinen Look ändern wird, machte er im Interview mit Le Figaro klar:
“At Celine, the weight of the past is not as strong as at Dior or Saint Laurent. We can break free of it more easily (…)“, Hedi Slimane.
Celine selber hatte noch nie eine so eine große Tradition, geschweige denn starke Brand Identity, bevor Phoebe Philo diese überhaupt mit ihrem Look erschuf. Er hat also nicht eine ganze Marke zerstört, sondern nur ein aufgebautes Image einer Designerin, die fast 8 Jahre Designerin dieser Marke war. Mein Lieblingskommentar dazu: Wenn ihr Hedi holt, bekommt ihr Hedi!
Ein weiterer Punkt wurde öfters von den Medien aufgegriffen. Phoebe Philo‘s Mode war Mode von einer Frau für Frauen. Jetzt sei ja alles nur für junge Mädels und ein Label, was Frauen nicht übertrieben sexy bzw. „slutty“ dastehen ließ, sei mit Füßen getreten worden. Also erst einmal ist Celine (unter Slimane) nicht wirklich ein Label, bei dem man sich über zu viel Sex in der Klamotte Sorgen machen sollte. Saint Laurent, Balmain, Jacquemus etc. sind allesamt deutlich knapper bzw. sexier. Außerdem gibt es Label wie zum Beispiel Stella McCartney, die wunderbare Entwürfe von Frauen für Frauen macht. Und es soll auch Labels wie zum Beispiel Loewe, Valentino etc. geben, die sehr wohl auch wissen, wie das geht. Außerdem hieße das umgekehrt, dass Männer nicht so gute/tragbare Mode für Frauen machen können wie Frauen selber. Aber das ist ein anderes Thema.
Ja, die Kollektion war (wie alle Kollektionen von Slimane) für junge Mädchen und vielleicht auch nicht unbedingt für ältere Männer. Generation Z eben. Schlau von Slimane auf jeden Fall, denn die Kaufkraft liegt eindeutig dort, wie zahlreiche Journalisten ebenfalls feststellten. Es ist diese Generation, die das gegenseitige Tragen von Looks lebt und auf Geschlechter pfeift. Insofern beruhigen sich jetzt bitte mal alle. Ehemalige Celine-Kunden gehen eben woanders hin oder mit ihren Töchtern und Söhnen dann eben zum neuen Celine. Und alle, die Slimane vermisst haben: Viel Spaß beim Kaufen!
Am Ende würde ich gern noch etwas fragen: Es gab diesen einen Look (Pelzmantel, schwarze Bluse, weite Acid washed Jeans und Boots), der aus der Kollektion herausstach. Meint ihr das war ein kleiner Hinweis auf das, was vielleicht doch noch kommt? Vielleicht doch noch was anderes?
Celine – Frühling/Sommer 2019
JayKay
2. Oktober 2018 at 11:16Danke für deinen endlich mal realistischen Beitrag. Ich bin auch ein Anhänger von Hedi Slimane und ich kann den ganzen Wirbel nicht verstehen.
Und egal welche persönliche Meinung man dazu hat, darf man folgendes nicht vergessen:
LVMH hat bei Hedi angerufen und nicht bei Victoria Beckham oder Stella McCartney etc.
Es hätte durchaus viele auch unbekannte Designer gegeben, die Phoebe Philos geschaffene DNA des Hauses Celine weiterverfolgt hätten.
Aber das wollte LVMH nicht. LVMH wollte Hedi.
Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen.
Horst
2. Oktober 2018 at 11:51Ich mag Hedi Slimane nicht und fand seine Entwürfe schon bei SL gruselig, aber es geht nunmal nicht um meine Meinung und nicht jeder Designer kann an seine Schuhe Flügel basteln, wie es mein Darling Jeremy Scott macht 😉 Wo wir schon beim Thema wären: Scott bringt auch – ohne Rücksicht auf irgendeine DNA – seine Idee von Mode ein (Moschino, Adidas), genauso wie es Alessandro Michele es macht. Nur hat Slimane halt nicht diesen verschwurbelten Ansatz wie Michele, sondern eher einen rockigen Ansatz (ob der noch so modern ist, sei mal dahin gestellt). Abgesehen davon hat Celine gar keine DNA, wie sie andere Häuser haben.
Seine eigene Vision zu haben und diese auch durchzuziehen, finde ich großartig und würde es mir manchmal auch bei anderen Menschen wünschen. Eigentlich geht es doch auch gar nicht so um Mode, sondern um die Menschen dahinter, oder? Wird nicht LV aktuell durch Abloh wieder begehrlich, obwohl man andere Designer für das, was er da abgeliefert hat, über den Hof gejagt hätte? Anders bei Riccardo Tisci: der liefert eine weichgespülte Burberry-Kollektion, so wie es sich die Verantwortlich gewünscht und die Presse erwartet haben, ab – viel Wirbel um nichts, sozusagen.
LVMH wird sich irgendwas dabei gedacht haben, ihn als Nachfolger von Phoebe Philo auszuwählen; am Ende des Tages wird es um eine Gewinnmaximierung gehen, wie bei allen Labels. Die neuen Celine-Kunden werden es lieben, die alten werden sicher auch fündig (man weiß ja gar nicht, was sich unter diesem ganzen Drogen-Chic-Styling verbirgt und für was sich die Einkäufer schlussendlich entscheiden).
Peter Kempe
2. Oktober 2018 at 17:54Vielleicht auch die Sehnsucht nach Beständigkeit in der Mode! Danke, Jan! Wer Hedi engagiert, der bekommt auch Hedi – das ist der Kernsatz und der sagt für mich alles! Das Markenimage in der Sechzigern war allerdings gigantisch gut und das erste westliche Label, was Japan stürmte und auch in Europa mit schwindelnden Umsätzen durch die Japaner gekauft wurde – das nur mal vom Fashion-History-Daddy angemerkt …
Und ehrlich gesagt was für eine völlig bescheuerte Vorstellung zu erwarten, dass, egal wer, die Linie von Phoebe weitergeführt wird; dann bräuchte man ja nicht jemanden anderen berufen. Das kann keiner wirklich vermutet haben, der sich schon mal irgendwie mit Mode auseinandergesetzt hat.
stephan
3. Oktober 2018 at 00:12Ach, und Phoebe wird schon irgendwo wieder auftauchen, dann können ja die Frauen wieder Phoebe kaufen, egal, welches Label dahintersteckt. Ich fand Celine im positiven Sinne kommerziell, auch wenn ich finde, daß Heidi wohl nen Knall hat irgendwie :-))
vk
5. Oktober 2018 at 11:49sehr schoener beitrag, jan.
wie dir auch gefaellt mir das bild mit pelz und acid-jeans. und nochmehr, dass du darin sogar ein moegliches versprechen, den schimmer von neuem, erkennen magst.
wait and see.
Monsieur Didier
6. Oktober 2018 at 19:30…danke Horst…
vollkommen d’accord…!
P.S.: über Jeremy Scott gibt es eine ganz wunderbare Doku auf Netflix…
vorher fand ich ihn eher…………… seltsam……
seit ich diese Doku gesehen habe mag ich ihn, vor allem menschlich, sehr…
und die Plünnen sind nun auch wesentlich besser zu ertragen 😉
Horst
7. Oktober 2018 at 18:00@Monsieur die Doku kenne ich – wirklich super!
Ich hatte neulich auf arte die Balmain Dokus gesehen und war ganz irritiert, wie sympathisch der Designer da rüber kommt…
Monsieur Didier
9. Oktober 2018 at 00:16@ Horst: ja, ich bin eigentlich immer wieder sehr geflasht, wenn ich etwas über Olivier Rousteing sehe…
seine Kreationen mögen teilweise sehr diskussionswürdig sein, aber ihn selber finde ich ausserordentlich sympathisch… bin ganz irritiert 😉
Monsieur Didier
9. Oktober 2018 at 00:20P.S.: Acid-Jeans scheinen gerade sehr en vouge zu sein…
Balmain hatte auch etliche Teile in seiner S/S 19 Kollektion dabei…
ich persönlich finde Acid-Jeans allerdings grauselig, davon gab es in den 80ern einfach zuviel von…!!!