Wenn das Homeoffice mal Pause macht oder man keine Lust mehr auf Netflix und Co. hat, dann macht es vielleicht dem ein oder anderen Spaß, ein bisschen die Geschichte hinter den Modehäusern zu erkunden, die Entstehung einer Kollektion zu beobachten oder auch vielleicht das ein oder andere aus der Modegeschichte wiederzuentdecken.
Wie verschieden Mode ist, zeigt, glaube ich, mein kleiner Strauß an Youtube-Videos. Ich habe einen Mix aus ein bisschen längeren Dokus und auch kürzere Clips für euch zusammengestellt, denn trotz Quarantäne hat man ja manchmal nur kurz Zeit …
peterkempe
(Courtesy of Hermès: L‘Annee du Cheval 1993 Leïla Menchari Photo: Guillaume de Laubier. Archives Hermès Paris)
Die Frau, die mich schon als Kind vor ihren fantastischen Schaufenstern für das Haus Hermès in der Rue du Faubourg Saint Honoré in Paris träumen ließ, starb jetzt 93-jährig in Paris. Ein Grund, der berühmtesten Schaufenstergestalterin eine Hommage zu widmen. Eigentlich trifft dieser Begriff sie gar nicht, denn sie war viel mehr eine Träumerin, die uns das zeigte, wovon die meisten noch nicht einmal zu träumen wagten. Visionärin des Schönen schuf sie mit ihren Auslagen eine Pilgerstätte für alle Schaufensterdekorateure der Welt und die Visitenkarte des Hauses Hermès über das man Jahrzehnte sprach. Aber ihre Kunst lag nicht nur in den großartigen Fantasien und Szenarien, die sie jede Saison neu erdachte, sondern passend zu den Kollektionen wurden Hunderte Gegenstände und Objekte zu den Jahresthemen extra angefertigt. Ob der Fuß des Götterboten Olymp oder ein weißes lebensgroßes Nashorn aus weißem Leder, nichts schien unmöglich für die Ateliers anzufertigen, was sich diese charmante Frau ausdachte, die 1927 in Tunis geboren wurde.
„In einem Haus zu leben, das nicht widerspiegelt, wer man ist, ist ein bisschen so, als würde man die Kleidung eines anderen tragen.“ – Christian Dior
Wenn man wie Christian Dior nicht nur ein genialer Modeschöpfer war, sondern auch ein Ästhet auf ganzer Linie, dann ist es nicht verwunderlich, dass er auch immer seine Umgebung verschönern wollte. Schon als Kind in Granville war er begeistert von den Arrangements auf den Tischen der großbürgerlichen Villa und half seiner Mutter beim Arrangieren der Blumen aus dem hauseigenen Garten und bewunderte den schön gedeckten Tisch mit kostbarem Sèvres Porzellan. Später als er seine Galerie hatte, lernte er Inneneinrichter wie Georges Geffroy oder Künstler wie Christian Bérard kennen, stromerte über Flohmärkte oder zu Antiquitätenhändlern, um seiner Wohnung seinen persönlichen Stil zu verleihen.
(Paris 31 rue Cambon 2019/20 Métiers d’art collection Photo: Olivier Saillart)
Die französische Luxusindustrie, einer der größten Wirtschafts-und Imagefaktoren des Landes reagiert seit Anfang der Corona-Krise verstärkt auf die Solidarisierung mit dem Gesundheitswesen und den Hilfsorganisationen des Landes. So hat die LVMH Gruppe mit Firmen wie Dior oder Louis Vuitton schon seit Wochen seine Parfum-Produktion auf Desinfektionsmittel umgestellt, die an die französischen Krankenhäuser gespendet werden. Geldspenden und vor allem die Umstellung in Kriegs- und Notzeiten haben Tradition in Frankreich und schon Paul Poiret entwarf die Uniform der französischen Soldaten des Ersten Weltkrieges, Lanvin schneiderte die Overalls der Frauen, die in Fabriken Dienst verpflichtet waren.
Hermès, seit 1837 ein Haus der Objekte, präsentiert mit La Beauté Hermès und der ersten Kollektion Rouge Hermès, die der Schönheit der Lippen gewidmet ist, sein sechzehntes Métier und erstmals in der Geschichte dekorative Kosmetik. Parfums sind bei Hermès schon lange fester Bestandteil des Sortiments und Klassiker wie Calèche oder Amazone gab es schon früh. Doch an eines wagte sich das Familienunternehmen lange nicht heran, Make-up Linien wirkten fast zu profan, sollte man meinen. Der Anspruch bei Hermès ist hoch und so ist das Ergebnis auch keine normale Lippenstiftlinie. Kleine Kunstwerke wurden mit vielerlei Bezügen zur Geschichte des Hauses kreiert und die Geschichte der Entwicklung begann schon vor fünf Jahren.
(Dior Männerkollektion Winter 2020/2021; Bild: Brett Lloyd für Dior)
Dass Kim Jones einen exzellenten Job für Dior Homme macht, steht schon seit seiner Debütkollektion 2018 außer Frage. Der Engländer liebt die Codes des Hauses. Besonders die Zeit des Gründers Christian Dior liefert für ihn augenscheinlich die größte Inspirationsquelle in den Dior-Archiven. Fasziniert, nicht nur von der Perfektion der Zeit und dem Handwerk, das er gekonnt in die Menswear des Hauses neu einführte, und dem Spannung des Bogens von der ursprünglich nur den Frauen vorbehaltenen Haute Couture zu der modernen Männerkleidung – eine Symbiose, die Jones nach und nach perfektioniert. Feminine Elemente, jetzt in fast jeder Männerkollektion zu sehen, weiß er, im Gegensatz zu anderen Designern, mit viel Feingefühl und einer roughen Art umzusetzen. Jones‘ Inspirationen werden durch zahlreiche Künstlerkooperationen immer wieder um neue Facetten erweitert. Dabei gelingt es ihn, seine britischen Wurzeln durchscheinen zu lassen – ja, es ist für ihn der Kern seines eigenen Stils. Das alles koordiniert Jones zu der faszinierenden Melange, die Diors Männerkollektionen heute ausmacht und unverwechselbar erscheinen lässt.
Chanel Spring/Summer 2020 – Über den Dächern von Paris
Posted on 24. Oktober 2019(Chanel Spring/Summer 2020 – Photo by Olivier Saillant)
Wenn ich an Paris denke, fallen mir sofort die grauen Zinkdächer ein mit den vielen Schornsteinen und Dachfenstern, die morgens, wenn ich aus dem Fenster schaue, wie ein endloses Meer vor meinem Blick liegen. Darüber der Himmel und darunter die aufwachende Stadt. Einige Dachluken sind geöffnet und man sieht jemanden, der Café kocht, sich anzieht, seine Kinder für die Schule fertig macht oder die Fenster putzt. Tausende Geschichten unter dem Meer aus Dächern, eine endlose Wiederholung und doch jede anders und voller skurriler Konstruktionen. Unter den Dächern der Rue Cambon, ganz oben, befinden sich die Ateliers von Chanel und dort wird das realisiert, was ein paar Stockwerke darunter von Virginie Viard und dem Team des Studio Chanel erdacht wird. Ob Haute Couture, Prêt-à-porter oder Métiers d‘Art Kollektionen, für alles gibt es Ateliers mit Spezialisten für den jeweiligen Bereich, die sich mittlerweile über mehrere Häuserblöcke erstrecken.
(Chanel Haute Couture Fall/Winter 2019 – Photo by Olivier Saillant)
Als Anfang Juli Virginie Viard ihre erste eigene Haute-Couture-Kollektion für das Haus Chanel im Grand Palais zeigte, war die Fashion Welt gespannt, wie sie den Bogen schlagen würde zwischen der Tradition des Hauses und ihrer eigenen modernen Interpretation der neuen Chanel-Frau. Eines sei gleich vorweggenommen, Virginies Kollektion verknüpft perfekt die Wurzeln und Codes der Gründerin Coco Chanel, den Elementen und Inspirationen Karl Lagerfelds und ihrer eigenen Version der modernen Couture-Kundin, die Haute Couture als täglich tragbaren Luxus für sich selbst sieht. Chanel-Kundinnen sind moderne Frauen, die sich handgearbeitete, auf sie zugeschnittene Garderobe leisten, die sie lange in ihrem Kleiderschrank begleiten wird. Unaufgeregt und voller Raffinesse, der neue Chanel-Stil 2019 – Parisienne und „très Chanel“ schlägt Viard wunderbar ein neues Kapitel, der über hundertjährigen Geschichte des Hauses und des Savoir-faire der Haute-Couture-Ateliers auf.
Hermès Männer Frühjahr/Sommer 2020 – Mit Leichtigkeit durch den Sommer
Posted on 3. Juli 2019(Hermès Défilé Herren Spring/Summer 2020 – Photo: Geordie Wood)
Veronique Nichanians Design steht als Basis für eine gründliche Kombination aus Lederhandwerk, künstlerischem Ausdruck und Geschichtenerzählen, die das ausmachen, was normale Mode von einer Highend-Kollektion unterscheidet, die Hermès wie kein zweites Haus symbolisiert. Dabei, obwohl klassisch und auf keine Trends aufspringend, überdenkt sie diese immer wieder neu und beherrscht es sie raffiniert und extra zu machen. Immerhin ist der Hermès-Mann ein Weltbürger von einwandfreiem Geschmack.
Mit Zuversicht und Leichtigkeit schreitet er durch den Sommer 2020. Seine sommerliche Lässigkeit gedeiht in einer großzügigen Silhouette, die ein Gefühl der glücklichen Freiheit vermittelt, aber trotzdem nicht oversized wirkt. Exzellentes Fitting, das trotzdem casual erscheint.
Durch fließende und luftige Materialien fühlt er sich entspannt und einige Teile sind sogar reversibel, beidseitig tragbar, und passen sich dem Tag und der Stimmung an. Hier werden die emblematischen Materialien des Hauses, wie Leder, Seiden- oder Baumwolldrucke in völliger Einfachheit mit Einfallsreichtum und Know-how neu erfunden und kombiniert.
(AMI Alexandre Mattiussi, Frühling/Sommer 2010; Bild: PR)
Das Grand Palais pur – lediglich zwei große konzentrische Kreise aus einfachen Holzstühlen unter der großen Kuppel sind für die Besucher aufgebaut – das Dekor von Alexandre Mattiussi für seine Schau am 18. Juni 2019. Etwas meditatives und trotzdem konzentriertes wünschte sich der Designer, um seine neue Linie für Männer und Frauen für das nächste Frühjahr zu präsentieren.
Der Designer, der zwar schon seit längerem auch die Frauenmode für sein kreatives Schaffen entdeckt hat, zeigte diesmal aber eher nicht an seine Herrengarderobe angelehnte Modelle, sondern eine eigenständige Linie, die nach dem Motto „Garderobe rund um die Uhr“ wie ein gut durchdachtes Baukastensystem wirkt. Überhaupt scheint Mattiussi, den wir ja bei Horstson schon seit seiner ersten Kollektion begleiten, das Image des guten Jungen von nebenan, der seine Freunde und Pariser Jungs mit tragbaren, aber raffinierten Kleidungsstücken anziehen möchte, verlassen zu wollen. Etwas, was ja auch bis zum Exzess von einem seiner Kollegen durchgezogen wird und der mit breit erhältlichen Kollektionen die Gefahr der Vergleichbarkeit beinhaltet.