Männermode

Genauer hingesehen – Louis Vuitton Men’s Collection Winter 2017

(LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb)

Die Kooperation des Luxushauses Louis Vuitton mit dem amerikanischen Skaterlabel Supreme ist ohne jeden Zweifel die meistbesprochene der Pariser Männermodewoche. Doch Louis Vuittons Winterkollektion nur auf diese Zusammenarbeit zu beschränken, erscheint uns etwas zu schwach. Deshalb sehen wir uns die Kollektion noch mal etwas genauer an.
Kim Jones ist, wie sich schon in den letzten Saisons zeigte, ohne Zweifel einer der begabtesten Menswear Designer, der für ein international renommiertes Unternehmen arbeitet. Der Brite brilliert nicht nur mit Entwürfen, die der Heritage des Hauses immer wieder ein neues Gesicht verleihen. Er schafft es auch, seine eigene Handschrift und Vorlieben mit dem Designerbe von Louis Vuitton zu verbinden.
Kim Jones ist, wenn es um die Auswahl von Kooperationspartnern geht, ein guter Stratege, der auf ein internationales Netzwerk zurückgreifen kann: Die Zusammenarbeit mit den Chapman Brothers ist nur ein Beispiel dafür, womit Jones Louis Vuitton viele Hotseller bescherte – und das, obwohl die Männerkollektionen in vielen Häusern bis heute ein eher stiefmütterliches Dasein fristen. Die Taschen und Accessoires mit den Tierzeichnungen aus der aktuellen Kollektion waren in den Läden schnell vergriffen und selbst mit langen Wartelisten kann die Nachfrage nicht befriedigt werden. Ein Phänomen, das bei Damentaschen häufiger vorkommt, in Herrenkollektionen jedoch zur Seltenheit gehört.

LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb

Kim Jones hat es in wenigen Jahren geschafft, Louis Vuittons Männerlinie ein komplett eigenständiges Image zu verleihen und den klassischen Geist von Formal Wear und tragbarer Klassik mit Streetwear und Must-haves zu verbinden. Louis Vuitton kann, wenn man bereit ist, das Geld auszugeben, gleichermaßen den reiferen Kunden wie auch eine jüngere Zielgruppe bedienen. Dabei stehen für Kim Jones Materialien und Handwerk aus der Heritage des Hauses genau so im Vordergrund, wie der Einsatz von innovativen Materialien. Raffinesse, die sich nicht mehr alle Designerkollektionen leisten.
So ist es in der Weiterentwicklung des, laut eigener Aussage sehr zur Streetwear tendierenden Designers nicht verwunderlich, dass Kim Jones seine wunderbar tragbare Kollektion mit der Supreme-Kooperation in eine weitere Dimension führt. Außerdem liegt eine Zusammenarbeit zwischen zwei Labels solchen Formats auf der Hand: Auch Luxuskunden, besonders jüngere, kaufen Crossover und bedienen sich gleichermaßen bei Streetwearlabels, um ihre Garderobe lässiger, tragbarer und nicht so plakativ erscheinen zu lassen. Eine Ausnahme bildet vielleicht die Heerschar asiatischer Instagram-Nutzern, die durch Komplettlooks eher clownesk und lächerlich wirken und die keinen eigenen Stil suggerieren. Ansonsten mischen Kunden – sofern sie Spaß an der Mode haben – besondere Items mit Basics von Mainstreammarken oder Streetwear Brands.

LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb

Etwas, das in Amerika anfing, und zwar in dem Amerika, das auch Kim Jones liebt und das seine Inspirationen lieferte, waren die Grunge-Periode, die Hip-Hop-Bewegung, die Sneakerkultur, die Denimwelt und die Zeit des Studio 54. Das Amerika was wir mögen, das nicht mit Donald Trump und dem Amerika zu tun hat, das uns aktuell erschreckt und mit Sorge in die Zukunft blicken lässt. Timing ist eben manchmal alles und so hätte Kim Jones keinen besseren Zeitpunkt wählen können, um genau diese positiven amerikanischen Strömungen und diese großartige Kooperation vorzustellen, als an dem Tag, an dem der neue amerikanische Präsident schon während seiner Amtseinführung diese Werte in den Schmutz riss.

LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb

Wer die Nase darüber rümpft, wie eines der einflussreichsten Luxusbrands der Welt ausgerechnet auf Supreme kommt, dem könnte ein kleiner Ausflug in die viel kürzere Historie des Labels als Erklärung dienen. Louis Vuitton, 1854 gegründet, ist im Verhältnis zu Supreme, das 1994 von James Jebbia in New York als Skaterlabel gegründet wurde, ein Dinosaurier.
Doch Supreme, anfangs für Basics wie T-Shirts, Basecaps, Vans-Slipper und Boards bekannt, machte seine Sache von Beginn an anders als andere Skatermarken. Das Label setzt auf die Wirkung der Marke und ihrer CI. Doch vor allem studierte Jebbia die Präsentation und das „Begehrlich-machen“ der Produkte von Luxushäusern wie Louis Vuitton, Hermès und Chanel. Seine, man verzeihe es mir, Massenartikel sollten sich nicht verschleißen und sollten präsentiert werden, als wären sie etwas sehr Besonderes – natürlich mit einem unglaublichen Coolnessfaktor.
Und genau das gelang Jebbia sehr schnell, denn schon 1998 produzierter das Avantgardemagazin „i-D“ eine zehnseitige Strecke über den neuen Supreme-Laden in Los Angeles mit Fotos, die denen des Flagshipstores von Chanel in der gleichen Stadt gegenübergestellt waren. Supreme setzte auf Signale: Das signalrote Label mit der markanten schwarzen zeitlosen Schrift, genau wie das französische Modehaus mit seiner in keine Zeit datierbaren Grafik. Die Einrichtung des Ladens mit sparsamen Präsentationen und wie auf Altären des Konsums ein T-Shirt oder Rucksack zum Objekt der Begierde stilisiert. Das ist zwar heute alles normal, doch vor der Erfindung neuer Handelskonzepten war das Zukunftsmusik. Supreme schaffte es so, T-Shirts mit noch nicht einmal aufwendigen oder fantasievollen Artworks für 100 Dollar und mehr zu verkaufen. Nur weil klar, wie auf einer Zahnpastatube oder einem Feuerlöscher, der Name draufstand.

LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb

Jeder, der jünger ist als ich, weiß, wie es bei Supreme weiterging. Nicht nur die Basecaps und die Schlüsselanhänger wurden Kult – die Firma schafft es heute, Ziegelsteine und Wasserflaschen für aberwitzige Verkaufspreise in sekundenschnelle im Netz auszuverkaufen oder Kunden in die Filialen zu ziehen, die zuvor stundenlang auf Einlass warteten. Ein Phänomen, das Louis Vuitton in den Achtziger Jahren in Japan erlebte. Lang ist es her …
Schon in der Vergangenheit gab es Berührungspunkte von Louis Vuitton und Supreme, allerdings nicht gerade freundschaftlicher Natur: Als im Jahr 2000 ein rechtlich nicht gedecktes Louis-Vuitton-Logo auf Supreme-Skateboards auftauchte, kam es zur Urheberrechtsklage; die Boards wurden vom Markt genommen. 17 Jahre später aber nun hat sich das Blatt gewendet – Accessoires und Kleidungsstücke in exakt derselben Ästhetik sind Teil der Kollektion von Louis Vuitton.

LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb

Dass Luxusmarken wie Prada oder Louis Vuitton um sich zu verjüngen mit Künstlern zusammenarbeiten, gehört spätestens seit Marc Jacobs, der Anfang der 2000er Jahre mit Steven Sprouse oder Takashi Murakami die lange Liste der Kooperationen einläutete, zum Alltag. Das brachte zwar viele neue Kunden aber nur eine bedingte Verjüngung. Das lag nicht nur an den Preisen, sondern auch an der vermeintlichen Begehrlichkeit von anderen Labels, die in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung zugenommen hat – der „Athleisure“-Wear.
Dazu bedurfte es einer Generation von neuen Designern, die in den vergangenen Saisons scheinbar Alltägliches in Kooperation mit gewohnten Marken in Preis- und Designliga der Luxusbranche katapultierten. Der Erfolg von Labels wie Off-White, Vetements und Gosha Rubchinskiy belegt das Potenzial von Street Credibility im hochpreisigen Segment auch hinsichtlich erhoffter Absatzzuwächse – Märkte, die auch ständig in den Couture- und Prêt-à-porter-Häusern auf der Suche nach zukünftigem Wachstum gesucht werden.

LOUIS VUITTON © Louis Vuitton Malletier – All rights reserved; Bild: Matthieu Dortomb

Dass es sich um zwei schlaue und gewitzte Marken handelt, dürfte jedem klar sein. Wer den größeren Nutzen davon hat, kam natürlich sofort als Begleitfrage auf. Dass der Goldstaub von Louis Vuitton auf Supreme fällt, ist nur zum Teil richtig: Die Zeichen der Zeit und vor allem die Alltagstauglichkeit und Selbstverständlichkeit von Supreme sind nicht zu unterschätzen.
Es ist wie ein Ritterschlag auf Gegenseitigkeit: Der Eine bringt die Tradition mit, der Andere die Jugend und die Coolness, die die Gesamtheit vom Sockel heben und das Niveau scheinbar senken. Gegensätze, die passen, denn die Welt ist nicht mehr stromlinienförmig und Luxus hat heute eine bessere Überlebenschance, wenn er auch ein bisschen „Proll Attitüde“ hat. Genau das hat aber Kim Jones geschafft.
Die unglaublich guten weiten Hosen sind aus feinsten Stoffen, die Pullover haben Patches aus Krokoleder und die Lederjacken wissen noch nichtmal, wie das Wort „Punk“ geschrieben wird und trotzdem ist es alles lässig. Eine wahrhaft geniale Kollektion, die auch noch ein wunderbares Zeitdokument einer nicht einfachen Periode der Luxusbranche ist. Bravo Kim Jones!

  • Roman
    25. Januar 2017 at 12:43

    Schöner Beitrag. Leider macht es die Kollektion nicht bezahlbarer. Der Koffer soll 40000 Euro kosten, frage mich wer das Geld investiert.

  • PeterKempe
    25. Januar 2017 at 13:21

    Ja Roman, so etwas ist dann leider überspannt und soll dann den Hype verstärken! Der Koffer ist aber auch eher nen Show Piece und wird wahrscheinlich in den Special-Commande Ateliers gefertigt. Es gibt aber auch erschwingliche Teile, die im Lauf der Saison zu bekommen sind.

  • Siegmar
    26. Januar 2017 at 11:16

    Den Strick finde ich sehr und toll und diese Jeans-Jacke mit LV-Monogramm will ich haben

  • Siegmar
    26. Januar 2017 at 11:16

    sehr toll soll es heißen

  • Monsieur Didier
    29. Januar 2017 at 10:52

    …der Umsatz wird ja nicht mit Koffern gemacht, die 40.000 € kosten, das sind die Stücke, über die berichtet wird und die weltweit durch sämtliche Medien gejagt werden…
    der richtige Umsatz wird mit den ganzen kleineren Pieces gemacht, den Portemonnaies, den Schlüsselanhängern, den Handschuhen und den kleinen Taschen, die man sich ganz keck um die Schulter hängen kann…
    und durch den Hype auf diese Stücke schafft man es vielleicht, eine ganz neue Kundenschicht an die bekannten, gut designten Stücke zu lenken…
    es ist eine Art Frischzellenkur… und ja, ich muss gestehen, ich bin auch schon sehr gespannt darauf, diese Stücke zu sehen und mir vielleicht das eine oder andere davon zuzulegen…
    also alles richtig gemacht…