(Courtesy of Isaiah Lopaz)
Wie gerne würde ich sagen, dass ich keine Vorurteile habe, doch das wäre gelogen. Ich habe sie; wenn auch nicht bewusst, doch sie sind da, obwohl sie eigentlich gar nicht da sein dürften. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass mir ein Vorurteil durchs Gehirn schießt, und würde am liebsten sofort im Erdboden versinken. Doch so einfach geht das natürlich nicht. Also bleibt dann nur, sich zu hinterfragen, zu reflektieren und zu versuchen, dem Vorurteil auf den Grund zu gehen und sie über Bord zu werfen. Das klappt mal mehr, mal weniger und macht vielleicht auch den Menschen aus. Das ist vielleicht lustig, zumindest wenn es um Kleinigkeiten geht. Vielleicht arbeiten sämtliche Anzugträger gar nicht von Nine-to-Five in langweiligen Büros? Ab einem gewissen Grad ist es aber nicht nur strunzdoof, sondern brandgefährlich, sich in diesem gleichermaßen schwierigen und schmierigen Gefühl der Vorurteile zu laben. Ihr wisst, was ich meine.
Courtesy of Isaiah Lopaz
Nun lernen wir schon in unserer Kindheit, die Welt zu ordnen. Wohl dem, der verantwortungsvolle Eltern hat, die einem beibringen, dass man eben nicht alles in Schwarz oder Weiß einordnen kann. Mädchen sind gar nicht immer süß und Jungs weinen eben doch. Die Wahrheit, so sagt man, liegt eh meist irgendwo dazwischen.
Damals, als ich aus guten Gründen ein Profil bei Gayromeo hatte, vertrödelte ich die Zeit zwischen Chats am liebsten in der Gruppe „Schwule Wohnkultur“, in der man sich mit viel Humor und noch größerer Leidenschaft mit einem Mythos auseinandersetzte: Schwule haben Geschmack und ein nahezu unfehlbares Händchen für Inneneinrichtung. Dass dem nicht so ist, wurde einem in dieser tagtäglich vor Augen gehalten. Siehe da, Schrankwände mit Kuscheltieren im Regal fanden sich auch bei der vermeintlichen Geschmackselite zuhauf. Ein vergleichsweise harmloses Vorurteil.
Courtesy of Isaiah Lopaz
Dass man es sich manchmal mit Vorurteilen vergleichsweise leicht macht, erklärt sich vermutlich durch ein Überangebot an Input und der parallelen Faulheit des Gehirns, eben diese Infos zu verarbeiten. Das, was sich so einfach erklären lässt, ist umso schmerzhafter für den Adressaten der Vorurteile, insbesondere dann, wenn sie sich häufen – ob mal will oder nicht.
Der Berliner Isaiah Lopaz ist Vorurteilen Tag für Tag ausgesetzt. Glaubt man ihnen, verkauft er Drogen, er hat keine Kultur, da er von Sklaven abstammt, er kann afrikanisches Essen zubereiten und die Frage, ob er – wohin auch immer – zurückgeht, ist legitim. Ist es aber nicht.
Dass Lopaz in Los Angelas aufgewachsen ist und seit fast zehn Jahren in Berlin lebt, spielt im Grunde genommen keine Rolle. Die Vorurteile, die sich der 36-Jährige jeden Tag anhören muss, umschwirren ihn wie Motten das Licht. Doch niemand bekam die unliebsamen Biester mit, bis Isaiah Lopaz angefangen hat, sie sichtbar zu machen und sie sich aufs T-Shirt zu drucken.
Inspiriert wurde Isaiah Lopaz durch die Aktion „I, too, am Harvard„, bei der Studenten über den omnipräsenten Alltagsrassismus an der Eliteuni protestierten.
Courtesy of Isaiah Lopaz
Natürlich kann man die T-Shirts nicht kaufen. Es wäre absurd, mit den Vorurteilen, mit denen in diesem Fall Isaiah Lopaz kämpfen und – ja – umgehen lernen muss, durch die Straßen zu laufen. In Harvard selbst hat die Aktion eine neue Diskussion über rassistische Stereotype entfacht – vielleicht sollten sich einfach mehr Leute trauen, den Vorurteilen, denen sie begegnen, auf ihrer Brust zu tragen.
Celine
23. November 2016 at 21:05Danke, dass Ihr darauf aufmerksam macht. Zu viele Menschen fühlen sich nicht angesprochen, wenn es um Alltagsrassismus geht, da es sie nicht persönlich betrifft und schauen einfach weg.
andreas
23. November 2016 at 23:30vor jahren wurde ich von einem „schwarzen“ aus martinique gefragt,
ob ich ein wikinger sei, weil ich so weisse haut habe und rötliche haare.
war das mir gegenüber rassistisch?
auch wollte er mit mir sex haben, weil ich mir den kopf rasiert hatte
und er noch nie mit einem sex hatte, der eine glatze hatte. in beiden
fällen habe ich mit „nein“ geantwortet.
der zweite fall kam mir innerhalb der letzten 15 jahre öfter vor. aber
muss ich darin ein vorurteil sehen? ich weiss es nicht. ich finde es
eher harmlos. nicht besonders clever vielleicht. aber eher harmlos.
ich denke, nicht jedes vorurteil ist wirklich beleidigend in der form,
dass es versucht, einem die würde zu nehmen. man sollte nicht alles
auf die goldwaage legen.
ich würde, wenn ich leute einlade auch jeden fragen, etwas aus
seiner heimat mitzubringen. ich würde vorher fragen, woher die
leute kommen und dann fragen, ob sie etwas typisches mitbringen
können. würde mein gegenüber sagen, dass er aus afrika kommt,
würde ich sagen, bring was afrikanisches mit. würde er aber sagen,
dass er aus bayern kommt, dann würde ich sagen, bring weisswürste
mit. zumindest an dieser sache finde ich nichts verwefliches. eher
eine gewisse unsicherheit im umgang und naivität, aus der man
ein vorurteil ableiten könnte.
generelle angriffe wegen der hautfarbe sind natürlich nicht akzeptabel.