Shopeinrichtung

Ein Treffen mit Lorraine Willems – Maison Marguerite B.

Individuelle Läden mögen wir bei Horstson, wenn dann noch interessante Persönlichkeiten dahinterstehen sogar noch mehr. Dass das Glück im Kleinen liegen und dass man sich immer wieder neu erfinden kann, erfordert zwar meistens etwas Mut, wird aber mit dem belohnt, was viele unter Work-Life-Balance verstehen. Hinzu kommt mit Glück der langfristige Erfolg, der von der Gesellschaft meistens mit wirtschaftlichem Wachstum verwechselt wird.
Jemand, die es gewagt hat, ihr gesamtes Leben auf den Kopf zu stellen und das zu machen, wovon sie schon immer träumte und damit etwas völlig Neues zu kreieren, ist die erfolgreiche Pariser TV- und Dokumentarfilm-Produzentin Lorraine Williams.
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Viele unserer Leser kennen und lieben die Dokumentationen des genialen Loïc Prigent. Den Grundstein legte die Chanel-Doku „Im Haus Chanel“. Es folgten viele Blicke hinter die Kulissen von fast allen bedeutenden Modehäusern wie Fendi, Sonia Rykiel, Jean Paul Gaultier, Isabel Marant oder Versace. Produziert und organisiert wurden diese Sternstunden von Lorraine Willems. Eines Tages beschloss die Französin, die Verantwortung und das Risiko und ihr Leben in Paris gegen eine Alternative einzutauschen.
Die Provence reizte sie schon lange. Nachdem sie dort gemeinsam mit ihrem Mann Jacques und ihren Kindern ein Wochenend- und Urlaubsdomizil entdeckt hat, glaubte sie den Ort gefunden zu haben, an dem sie fernab der Großstadt einen Laden gründen könnte: „Maison Marguerite B.- La Marchande des Jolies Choses“. Es sollte ein Ort werden, an dem sie nur die Sachen verkauft, die sie liebt und die von Menschen gemacht werden, die ihre Philosophie, die Dinge zu lieben, teilen.
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Produzentin wurde Lorraine Willems nur aus Zufall. Im Norden Frankreichs geboren, studierte die Tochter einer Journalistin Philosophie. Das Schlüsselerlebnis zu den Geisteswissenschaften hatte sie mit 14 Jahren, als ihre Mutter einen Interviewtermin bei der gefürchteten Schriftstellerin Marguerite Yourcenar hatte. Yourcenar galt nicht gerade als verrückt nach Jugendlichen, willigte aber dennoch ein, dass Lorraine ihre Mutter begleitet. Neben einem wegweisenden Interview zeigte sich, dass man mit ihr einen wunderbaren offenen Tag verbringen konnte. Philosophie und starke Frauen – der Grundstein zur Haltung in Lorraines Leben verfestigte sich.
Literatur wurde zu ihrem Steckenpferd. Die französische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Filmregisseurin Marguerite Duras hängt nicht zufällig nur einen Steinwurf entfernt von dem Yourcenar Porträt, das an ihrem gemeinsamen Nachmittag in Maine gemacht wurde.
Überhaupt sind überall Bücher in Lorraine Willems‘ Laden griffbereit oder auch wie zufällig dazwischen dekoriert. Neben den Produkten aus den Bereichen Mode, Keramik, Kindersachen, Antiquitäten, Bilderrahmen und vielerlei Papeterie, wird sie wie in einem Salon Lesungen veranstalten und Signierstunden abhalten.
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Den Anfang machte zur Eröffnung Fashionikone und Freundin Inès de la Fressange, deren selbstverständliche Mode bei Marguerite B. vertreten sein wird. „Marguerite“ – ein Name, der sich wie ein roter Faden durch die Familie von Lorraines Willems zieht: jedes Mädchen bekam ihn nach ihrer Urgroßmutter „Marguerite“ als zweiten Vornamen.
Das Label von „Maison Marguerite B .- La Marchande des Jolies Choses“, das zukünftig auch eigene Produkte ziert, wurde von Kera Till, der Münchner Illustratorin gestaltet. Es prangt auf der herrlich blauen Fassade, die traditioneller und französischer nicht sein könnte, auf dem historischen Place Favrier in Saint-Rémy-de-Provence.
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Das Haus, ursprünglich aus dem 18. Jahrhundert, bietet in seinem großen, mit warmen Holzfußboden versehenen Räumen die ideale Fläche, um gleichzeitig Laden aber auch behaglicher Salon zu sein. Die antiken Feldbetten mit breit gestreiften Kissen und übergeworfenen hellen Plaids laden zum Lesen und Plaudern ein. Man guckt sich nicht einfach so um sondern unterhält sich einfach wie bei Freunden, trinkt etwas und zeigt sich wie nebenbei die neuen Sachen.
Keramik und Porzellan von Künstlerinnen, die nicht in jedem Laden vertreten sind und die Lorraine Willems selbstverständlich kennt und die speziell für sie Sachen fertigen. Dabei schafft sie es eine ausgewogene Mischung zusammenzustellen, die zum Teil durch Zufälle ergänzt wird. „Olga etc.“, eine junge Porzellankünstlerin, entdeckte Willems zufällig auf Instagram und war sofort begeistert. Die Oberflächenstrukturen erinnern ein bisschen an Seeigel oder Muscheln. Erst, als sich die beiden Frauen kennenlernten, stellte sich heraus, dass die Objekte in der südfranzösischen Region hergestellt werden.
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Kinderkleidung aus Italien, die qualitativ so hochwertig ist, wie aus den Sechziger Jahren, werden von kleinen italienischen Strickereien produziert. Sie liegt fröhlich neben Flohmarktfunden und irgendwie ist die Klammer immer die Persönlichkeit der Inhaberin. Wer zu Marguerite B. alias Lorraine Willems kommt, möchte auch einen Teil von ihrer Persönlichkeit kaufen, einen Buchtipp bekommen oder eine ihrer Freundinnen treffen. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass Inès de la Fressange nicht nur ihre mittlerweile zu Bestsellern avancierten Paris-Ratgeber signiert, sondern dass man einen gemütlichen Nachmittag mit ihr verbringt und im Gespräch fast alle Themen, die in Paris gerade up to date sind und allerlei Neuigkeiten aus der Fashionwelt erörtert werden.
Dabei geraten dann, wie zufällig, viele der wunderschönen Kleinigkeiten in meine Einkaufstasche. Ein Notizbuch, hübsche Stationary oder auch eine Porzellanschale kann man immer verschenken. Auch wenn man reichlich davon hat, gibt es für solch kleine Schätze immer noch ein Plätzchen zu Hause.
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Nach einem Gespräch und einem Besuch bei Lorraine Willems ist man glücklich. Darüber wird mancher vielleicht verwundert sein und ehrlich gesagt passiert einem das ja auch nicht mehr häufig in einem Laden. Ihre Kultiviertheit und ihr Charme, die schönen Sachen und das Gefühl der Geborgenheit wären fast schnöde, wenn man es als Kauferlebnis bezeichnen würde.
Eines weiß man aber ganz bestimmt: Die Frau hat mit ihrer mutigen Entscheidung alles richtig gemacht. Ein weiterer Grund, den nächsten Urlaub mal in der Provence zu verbringen, denn es gibt jetzt ein wunderschönes neues glückliches Konzept. „Maison Marguerite B.- Marchande des Jolies Choses“ liefert nicht nur die passenden Souvenirs, sondern auch eindrucksvolle Begegnungen …

Alle Bilder: Thomas Kuball