Bild: Thomas Kuball
Luxusuhren erleben in den letzten Jahren einen Boom wie kaum in einer Zeit davor. Dass es vielen Käufern dabei um Statussymbole geht, steht besonders bei den bekannten Marken im Vordergrund. Eigentlich geht es aber bei den kleinen mechanischen Wunderwerken, für die besonders die Schweizer Manufakturen seit langer Zeit weltberühmt sind, um Handwerk und ein Wort, was ich bei meinem Besuch bei Zenith bestimmt hundert Mal gehört habe: Präzision.
Seitdem es der Nürnberger Schlossermeister Peter Henlein im 15.Jahrhundert geschafft hat, Uhren von der Größe einer Kirchturmuhr auf ein Format umsetzen konnte, das man bei sich tragen kann, ist die Menschheit nicht nur in der Lage, jederzeit zu wissen, was die Stunde geschlagen hat, sondern es wurden auch immer mehr Verbesserungen, Varianten und auch Uhren-Moden kreiert. Viele Uhrenmarken entstanden in der Zeit der Industrialisierung im 19.Jahrhundert, als die Menschen, die nicht zum Großbürgertum oder Adel gehörten, sich Taschenuhren leisten konnten. Die Schweiz etablierte sich schnell mit ihren vielen kleinen Betrieben und Heimarbeitern, die über das ganze Land verstreut waren, als das Mekka der Uhrenhersteller. Das ist bis heute – bis auf wenige Ausnahmen, wie das deutsche Glashütte – so geblieben.
Allerdings war es für die meisten klangvollen Namen über die vielen Jahrzehnte auch ein dorniger Weg und besonders die Quarzuhrenkrise in den Siebziger Jahren ließ die Eidgenossen, die meist an den mechanischen Uhrwerken festhielten, in viele Konkurse, Schließungen und das Verschwinden von Betrieben und Arbeitsplätzen schlittern.
Bilder: Thomas Kuball
Heute sind Uhrenmanufakturen meist großen Luxuskonzernen, wie Richemont oder LVMH, angeschlossen und ein Teil des Lifestyles und der Sortimente von vielen Modemarken geworden. Oder sie sind durch den Mantel des Konzerns so abgesichert, dass sie international durch Marketing und Werbung besonders in den Schwellenländern zu den begehrtesten Luxusprodukten Europas zählen. Wie viel Arbeit und wie viel Geduld und Präzision für die Herstellung nur eines Chronographen aufgewendet werden muss, ahnen sicherlich die wenigsten Konsumenten, wenn sie den Kaufpreis für ein solches Manufakturprodukt auf den Tisch des Juweliers blättern.
Egal wie klangvoll der Name ist – was unter dem Gehäuse steckt, ist das, was den Wert der Uhr ausmacht. Bei Zenith bin ich aber genau an der richtigen Adresse gelandet, um zu erfahren, was in einer Uhr drinsteckt, denn Zenith in Le Locle in der Schweiz fertigt von A – Z noch alles im eigenen Haus.
Dass es sich dabei um ein besonderes Haus handelt, in das ich mich ziemlich schnell verliebt habe, werde ich euch in mehreren Artikeln berichten – einer würde nicht reichen. Außerdem ist mir Zenith schon als Kind ein Begriff gewesen, da ich mich sehr für das Leben von Mahatma Gandhi begeistern konnte und fasziniert von seiner Philosophie bin. Der Meister hatte kaum Besitz, aber ein Wecker von Zenith mit Leuchtziffern hatte er stets bei sich – er erinnerte ihn immer daran, wann es Zeit für ein Gebet war. Der Wecker war ein Geschenk von Indira Nehru, die ihn zum unglaublichen Preis von 40 Pfund Sterling kaufte. Gandhi war Visionär und der Schöpfer der Uhr auf seine Weise auch …
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Kommt man nach Le Locle im Schweizer Kanton Neuenburg, befindet man sich nicht nur in einer der herrlichsten Berglandschaften Europas, sondern auch in der Wiege der Schweizer Uhrenindustrie. Dass dort immer schon vorausschauende Tüftler und Visionäre lebten, vermutet man auf den ersten Blick gar nicht. Schaut man aber genauer hin, säumen fast alle bekannten Uhrenmarken die beschaulichen Straßen der nahe an der französischen Grenze gelegenen Region.
Seit 2009 ist das „Uhrental“ geschütztes UNESCO Weltkulturerbe. Als ich bei meinem Besuch die Manufaktur Zenith sehe, die immer noch komplett erhalten ist, wie zu Zeiten ihres Erbauers Anfang des 20.Jahrhunderts, wird mir klar warum: Hier hat ein Geist gewirkt, der zu seiner Zeit so weit voraus war und eine klare Vision hatte, dass ihn die meisten für einen Fantasten hielten. Als Georges Favre-Jacot 1865 seine Firma gründete war er erst 22 Jahre alt und hatte den Traum, dass seine Uhren eines Tages in alle Welt verkauft werden. Trotz seines Alters hatte er schon Erfahrungen gesammelt und wollte, inspiriert von Henry Ford und dem amerikanischen System der Industrialisierung, die Produktion der Uhrwerke unter ein Dach bringen. Das war nicht üblich, denn jedes Teil wurde in Heimarbeit oder kleinen Handwerksbetrieben der Region gemacht und am Ende zugeliefert und montiert. Außerdem wollte er moderne, helle Werkstätten und eine Art Sozialsystem schaffen, das Arbeitsplatz und Leben zusammenführte.
Favre-Jacot war Perfektionist und überließ bei der Planung nichts dem Zufall – sogar die Steine für seine Fabrik kamen aus einer extra gegründeten Ziegelei, weil sie besondere Formen und Eigenschaften haben sollten. Zunächst verkaufte er unter eigenem Namen – Markennamen gab es noch nicht. Erst im Zuge der Weltausstellungen und der ersten Globalisierung, Anfang des 20.Jahrhunderts, wurden die Uhren mit der Marke „Zenith“ versehen, entnommen vom Namen eines Uhrwerks, das Favre-Jacot 1897 kreiert hatte. Egal wo Zenith fortan ausstellte und präsentierte – man war von der Fortschrittlichkeit fasziniert und bis heute ist die Marke mit ihren 2.333 Preisen für Innovation und technische Neuheiten die am meisten ausgezeichnete Uhrenmarke. Allen voran natürlich das berühmte El Primero-Laufwerk von 1969, das zur Legende wurde.
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Zenith atmet bis heute den Pionier und Tüftlergeist von Favre-Jacot. Betritt man die Anlage, spürt man eine fast „laborhafte“ Atmosphäre. Die Manufaktur, frisch renoviert zum 150-jährigen Jubiläum, an einem Hang erbaut, wurde mit viel Glas für die Ateliers und Werkstätten angelegt und die Bauweise ganz der Reihenfolge der Gewerke der Metallverarbeitung angeglichen. Alles beginnt mit einer Schiene aus einer Speziallegierung von Messing, aus denen die so genannte „Barquette“, also die Schale, auf der alle Bestandteile des Uhrwerks montiert und eingebettet werden, ausgestanzt wird. Sie bildet die Arbeitsplattform des Uhrmachers. Schon hier darf es nicht zu Abweichungen um tausendstel Millimeter kommen und so gleichen alle Ateliers in ihrer Rein- und Staubfreiheit eher den Laboren der NASA, als dem, was man sich langläufig unter einer Fabrik vorstellt. Immer wieder werden die einzelnen Teile, die dann in den weiteren Räumen gestanzt und ausgefräst werden, unter Glasglocken oder in rotierenden Trommeln gereinigt. Einige der Bestandteile, wie kleine Rädchen oder Brücken, die später montiert werden, sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum sehen kann.
Bilder: Thomas Kuball
Neben den alten Maschinen an denen einem klar wird, wie schwieriger früher die Herstellung dieser Mikroteile war, stehen hochmoderne computergesteuerte Fertigungsmaschinen, die aber immer noch von den Meistern ihrer Zunft bedient werden. Die Präzision und eine ruhige Hand bekommen für mich bei diesem Rundgang eine völlig neue Bedeutung und ich realisiere, dass völlig aus der Zeit gefallene, absolute Ruhe und Genauigkeit die größte Begabung einer jeden hier beschäftigten Person sein müssen. Hunderte Arbeitsgänge sind nötig und ich glaube, man fragt nach dem Betrachten der Prozesse nie wieder nach einem Uhrenpreis, bevor die Uhrmacher schließlich mit der Montage und dem Gängigmachen des Uhrwerkes überhaupt beginnen.
Nichts ist Konfektion und für jedes Modell und jede Mechanik muss Bauteil für Bauteil neu entwickelt, konstruiert, die Stanzen hergestellt und programmiert werden. Entwicklungsprozesse dauern oft Jahre und viele tausende Versuche. Aus der Design- und Entwicklungsabteilung darf man natürlich nichts berichten – kein Wunder, die anderen Weltmarktführer sind ja nur einen Steinwurf entfernt angesiedelt.
Ein Rundgang durch die Fertigung dauert einen halben Tag. Ein Uhrwerk ist hingegen oft wochenlang unterwegs – die Uhrenindustrie scheint entschleunigt zu sein. Man nimmt sich Zeit für das Produkt, das, sorgsam gehütet wie ein Baby, von Tablett zu Tablett wandert und einem wie ein Anachronismus zu der Unbarmherzigkeit, mit der uns das Endprodukt die Vergänglichkeit der Zeit anzeigt. Jeder Arbeitsgang, jedes Teil erfordert eine Spezialausbildung und Fertigkeiten, die wir später beim Tragen der Uhr nicht mal erahnen – oder wusstet ihr, dass es den Beruf der „Zeiger Biegerin“ gibt, die aus freier Hand eine auf die Nuance stimmige Biegung in den Zeiger bringt?
Bilder: Thomas Kuball
Natürlich kauft man eine Uhr nach dem optischen Eindruck und ob sie einem gefällt. Solche Modelle entdecke ich dann auch im Kollektionszimmer der Manufaktur und ich habe mich sofort in ein Modell schockverliebt, das sicherlich alle Register der Handwerkskunst zieht und die ich auch immer wieder bei ihrer Entstehung fotografieren musste: die Christophe Colombo. Sie ist so etwas wie die Haute Couture der Uhren, hier genannt Haute Horlogerie und eine vielfach ausgezeichnete Komplikationsuhr, die alles an Können der Handwerker in sich vereinigt. Sicherlich nichts für täglich aber später irgendwann in den Museen der Welt zu sehen.
Bild: Thomas Kuball
Das Archiv und die Dachböden mit den Original Werkzeugen vom Anfang bis heute habe ich danach natürlich nur zu gern erkundet und wie bei den Manufakturen, für die ich sonst arbeite, auch diesen Stolz und das absolute Wissen darum gespürt, dass man nur neue Dinge schaffen kann, wenn man die Glut seiner Historie immer wieder weiterentwickelt. Manufaktur und Handwerk hat immer etwas mit Kultur und der Überlieferung von Wissen und Können zu tun. Es darf keine Lücken geben, weil dann unwiederbringlich Verfahren und Know-how verloren gehen. Das ist etwas, was bei Zenith als Marke stark berücksichtigt wird und ihre Nische ausmacht. Eine Uhrenmarke für Kenner, die weniger auf marktschreierisches Marketing setzt als auf das, was schon ihrem Gründer 1865 wichtig war: die Präzision und die Vollkommenheit des Uhrmacherhandwerks in die Welt zu tragen. Damals hat er sicherlich nicht geahnt, wie weit in die Welt, denn in der Schweiz gehen, entgegengesetzt dem Sprichwort „das die Uhren etwas langsamer gehen“, die Uhren sehr genau! Vielleicht hat ihn die Enge der Berge mehr herausgefordert, als ein Visionär zu sein …
Siegmar
26. Mai 2015 at 15:38Was für ein schöner, stimmiger Artikel über die das wunderschöne Uhrental und die Marke Zenith. Da ich lange in der Branche gearbeitet und oft dort war, begeistert der Artikel mich sehr. Die Kunst eine Uhr zu entwerfen und herstellen ist absolut begeisterungswürdig. Wer Gelegenheit hat eine Manufaktur zu besichtigen sollte es unbedingt tun, teilweise werden 2 Jahre für die Fertigung einer Uhr benötigt und dann versteht man auch den Preis einer solchen. Dazu müßte man noch einen Blick in die Fertigung der Armbänder für die Uhren werfen, genauso so spannend, durfte ich auch besichtigen und war sehr beeindruckt. Diese Manufaktur lag in einem kleinen französischem Ort direkt hinter der schweizer Grenze und fertigt die Armbänder für die exklusivsten schweizer Marken.
Mark
26. Mai 2015 at 17:07Mit meiner Zenith bin ich nicht so zufrieden. Es soll eine Automatik sein. Sie bleibt dennoch immer stehen. Habe ich überprüfen lasssen. Angeblich ist alles in Ordnung. Außerdem geht sie nach.
Siegmar
27. Mai 2015 at 10:12@ Mark
Das würde ich direkt Zenith mitteilen, bei einer Automatik kommt es auf die Gangreserve an. Die sollte schon mindestens 48 Std. betragen damit die Uhr nicht stehen bleibt.
Mark
27. Mai 2015 at 22:31@ Siegmar
48 Stunden wären ein Traum. Ich wäre schon mit weniger zufrieden und werde denen mal eine E-Mail schreiben. Zumal meine andere Automatik auch länger läuft. Danke für den Hinweis!
Julian
30. Mai 2015 at 13:34Ganz große Klasse – bin gespannt auf die weiteren Teile und wunderbar veranschaulichend geschrieben! Da will man vor Ort sofort Mäuschen spielen. ;))
Die Woche auf Horstson – KW 22/2015 | Horstson
31. Mai 2015 at 13:48[…] spazieren und für ein Gespräch mit Jens Henning Koch, Marketingvorstand von Montblanc. 4) Zenith Schweiz: Wo die Uhren laufen lernen – Peter besuchte für uns die Uhrenmanufaktur von Zenith in Le […]