Bild: Peter Kempe/ Horstson
Ende Januar und Anfang September versammelt sich in Paris die gesamte Branche rund um das Interieur Design, Möbelhersteller, Dekorationsfirmen, Teppich- und Wohnaccessoires-Hersteller zum sogenannten Salon. Eigentlich heißt die Messe offiziell „Maison et Objet“ und es gibt, angefangen von der Geschenkkarte, Papeterie bis zum teuersten Kristalllüster, fein aufgeteilt in den verschiedenen Hallen, alles, was der Mensch weltweit für die Dekoration seiner Apartments oder Häuser braucht.
Zwei der insgesamt acht Hallen drehen sich komplett um alles, was Küche und den gedeckten Tisch betrifft. Natürlich sind auch die Flaggschiffe dieser Branche, wie Lalique, Baccarat oder Hermès, vertreten und es werden die Trends für das gesamte kommende Jahr gezeigt. Auch im Bereich des Interieur Designs ist Paris, genau wie in der Mode, das „Capital de la Création“. Pariser Firmen, die in der Stadt ihre Stammsitze haben, nutzen gerne die Möglichkeit, ihre Gäste aus aller Welt in ihre Ateliers einzuladen. Wir nutzten dieses Mal den Salon dafür, eine der ältesten und aufwendigsten Manufakturen zu besuchen – den Silberschmied Puiforcat.
Puiforcat ist eine reine Handmanufaktur, in der noch alles vor Ort von Spezialisten ihres Faches gefertigt wird. Die Firma hat eine lange Tradition und beherrscht Handwerkstechniken, die einmalig oder zumindest sehr selten in Europa geworden sind. Hohlteile aus Sterlingsilber, wie Terrinen, Saucieren und Platzteller, haben in der Güte sonst nur noch Odiot oder Lapparra in ihren Sortimenten …
Bei Puiforcat gibt es einen „Maitre des Métier“, der vom französischen Staat auch dazu auserkoren ist, dieses einmalige, zum nationalen Kulturerbe Frankreichs gehörende Handwerk weiterzugeben. Frankreichs Silberkultur hat eine Geschichte, die weit bis ins 15.Jahrhundert zurückreicht und vor allem zur Regentschaft der Bourbonen, wie Louis XIV. und Louis XV. ihren Höhepunkt fand. Sämtliche Monarchen Europas begehrten schon damals genau die Produkte, die der französische König am Hof von Versailles zur Repräsentation benutzte. Allerdings wurde zu Notzeiten, oder zur Finanzierung von Kriegen oder Staatskrisen, fast alle Gegenstände aus Silber oder Gold immer wieder eingeschmolzen und so existieren nur noch wenige Vorbilder aus den frühen Perioden. Die größte Sammlung befindet sich heute im Louvre und wurde von Stavros Niarchos gestiftet, der sie wiederum von den Puiforcats gekauft hatte, denn bevor Anfang der 90er Jahre Hermès Puiforcat unter seine Fittiche nahm, war die Manufaktur einer wechselnden Periode ausgesetzt und gehörte unter anderem auch dem griechischen Tankerkönig Niarchos.
Das Herzstück und der größte Besitz einer Silbermanufaktur sind seine Modelle, Formen und Werkzeuge und eben das ist das größte Kapital von Puiforcat.
Gegründet wurde die Manufaktur im Jahre 1820 von Émile Puiforcat und seinen zwei Cousins und sie bekam schnell einen ganz ausgezeichneten Ruf für perfektes Handwerk und besondere Ausführungen von Tafelaccessoires aus Silber. Aber Èmiles größte Leidenschaft war das Sammeln von Vorlagen, Modellen und antiken Gegenständen und er begründete damit einen reichen Formenschatz und ein Repertoire, das bis heute seines Gleichen sucht. In der dritten Generation der Puiforcats wurde dann ein Jahrhunderttalent zum stilprägendsten und bedeutendsten Silber-Künstler des 20.Jahrhunderts. Praktisch der Begründer der Moderne und des Art déco in seinem Metier mehr Bildhauer als Handwerker: Jean-Émile Puiforcat.
1920 machte Puiforcat sein Meisterpatent und revolutionierte ab diesem Zeitpunkt seine Sparte auf das Gründlichste. Durch seine Freundschaft und Verbindungen zu Künstlern wie Charlotte Perriand, René Herbst, Le Corbusier und Pierre Chareau wurde er zu einem der Wegbereiter des neu aufkommenden und nach der Ausstellung „Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes“ benannten Stiles Art déco und schuf bis heute einmalige Modelle, die nach wie vor in den Ateliers produziert werden. Klassiker, wie das Besteck Nantes oder Cannes oder das aus vielen hundert Teilen bestehende silberne Schachspiel aus Elfenbein und Silber. Puiforcat sah sich mehr als Architekt und so sind seine Kreationen streng geometrisch und von einer ungeheuren Modernität geprägt. Puiforcats Schöpfungen gehören heute zu den Schätzen einiger wenigen Museen in der Welt und werden auf Auktionen im sechsstelligen Bereich gehandelt.
Zu seinen Kreationen gehört auch immer wieder, dass er Silber und exotische Hölzer, wie Macassar oder Ebenholz, verbindet. Jean-Émile Puiforcats Kreationen führten nicht nur zu seiner Berühmtheit, sondern auch zu einer neuen Blütezeit der Manufaktur.
Seitdem 1993 Hermès die Firma übernahm, um die Tradition und das Handwerk zu pflegen, sind die Handwerker in den Ateliers mit ihren tausenden von Spezial-Werkzeugen der alten einmaligen Einrichtung untergebracht und kooperieren mit vielen Künstlern und Designern. Die Formensprache von Jean-Émile Puiforcat, aber auch das Erbe aus der Zeit der Sonnenkönige, wird aber genau noch so gepflegt wie damals.
Wenn man die Manufaktur besucht, hat man das Gefühl, in einer Zauberschmiede zu sein. Handwerk ist halt etwas unbeschreiblich Schönes. Tabletop de luxe – mit Silber von Puiforcat …
thomash
23. September 2013 at 11:07Endlich wieder ein Cuttings-Montag. Und dazu noch so ein schöner!
Volker
23. September 2013 at 13:01Kannte die Manufaktur gar nicht! Schöner Einblick!
Siegmar
23. September 2013 at 14:07wunderbarer Einstieg in die Woche, danke, sehr schöner Artikel. 🙂