Richtig, ich hatte ein paar Fragen an Kilian Kerner. Also holte ich mir fachkundige Verstärkung mit Lisa Riehl von der ELLE Online und so begleiteten wir vor ein paar Wochen das Look Book Shooting für die Spring/Summer 2014 Kollektion von Kilian Kerner in Hamburg. Wir trafen auf ein sehr nettes Team und einen gesprächigen Kilian Kerner …
Wie ist aus Kilian Kerner der Modedesigner geworden?
Ich habe Schauspiel studiert und habe mir damals für eine Filmpremiere ein T-Shirt gemacht, was aber eigentlich durch Zufall entstanden ist: Ich bin umgezogen und habe mit einem Mädchen zusammen gewohnt. Und diese Wohnung war total ekelig und wir haben da erst einmal geputzt und da ich sehr unordentlich war, lagen dort alle meine Klamotten auf dem Boden. Ich habe dann – trottelig wie ich bin – eine Flasche Chlorex umgeschmissen und habe dann selber mit Schwämmen darin rumgemalt. Das Ergebnis, die Shirts, wollten dann Freunde haben. Das war so der erste Kontakt. Dann habe ich mir für eine Filmpremiere ein einfaches T-Shirt gekauft, umgedreht und die Rolling Stones-Zunge draufgenäht. Bei einem Nena-Konzert – ich bin riesiger Fan – habe ich das Shirt dann wieder angezogen, sie hat es gesehen und wollte es dann haben und dann bin ich irgendwann nach Berlin umgezogen, habe aber hier weiter Schauspiel studiert und wollte auch wirklich Schauspieler werden. Das mit der Mode hat sich dann irgendwann so entwickelt und ich habe für mich Sachen gemacht und für eine Freundin und das war eher so malen auf T-Shirts und zerreißen von Jeanshose und sowas. Das haben dann immer mehr Leute gesehen und so hat sich das entwickelt. Ich sollte dann eine Modenschau machen und dann hatte ich irgendwann keine Lust mehr. Dann wurde ich von einem Freund zu einer Modenschau überreden lassen und dabei gemerkt, welch eine Disziplin und Ehrgeiz ich innerhalb von drei Wochen entwickeln konnte, 30 Outfits rumzubasteln und habe dann so gemerkt, dass das genau das ist, was ich machen möchte.
Wie hast du deine ersten Kollektionen aufgebaut? Hast Du dann gleich Nähen gelernt?
Ich habe mich dann mit einer Schneiderin zusammengetan, war Tag und Nacht bei ihr und habe zugeschaut was sie macht. So hat sich das dann entwickelt. Für mich waren dabei meine ersten sechs bis sieben Kollektionen meine Ausbildung, in der ich gelernt habe, was geht, was geht nicht. Im Nachhinein finde ich das gut, dass ich das alles gar nicht konnte, weil ich dadurch viel freier war. Ich habe einfach Sachen gewollt, die andere vielleicht nicht gemacht hätten, weil der Weg dahin sehr kompliziert war.
Wie gut beherrschst du das Schneiderhandwerk mittlerweile?
Heute weiß ich von vorne bis hinten wie es geht. Das ist mittlerweile ja auch schon meine siebzehnte Kollektion. Auch wenn man als Designer nicht selbst näht, weiß ich wie es funktioniert. Ich mache das jetzt seit neun Jahren.
Denkst du dein Arbeitsprozess ist ein anderer als bei anderen Designern?
Ich denke da kommt man automatisch in einen Fluss rein, so dass sich meine Arbeitsweise gar nicht so sehr von anderen unterscheidet. Ich bin allerdings nicht der Typ, der Inspirationen aus Zeitung ausreißt und Moodboards erstellt – die erstelle ich grundsätzlich nicht. Bei mir kommt meist schon bei der Fertigstellung der einen Kollektion die Idee zur nächsten Kollektion. Zumindest der Titel entsteht dann schon. Ich arbeite da schon anders, da ich mich ja in den Emotionen versinke, mich zuhause einschließe und mich in diese Situation hineinbringe und fange dann an zu entwerfen und schaue was passiert. Das ist vielleicht anders, aber wie man die Kollektionen dann nachher aufbaut, von den ersten Skizzen bis zum Schnitt bis zum Fitting und sowas das ist dann das Gleiche.
Wodurch entsteht die Vielseitigkeit in deinen Kollektionen?
Ich glaube, ich habe mir selber in meinem Kopf einmal eine gewisse Freiheit gegeben. Gerade auch in der aktuellen Kollektion. Wenn man sie im Gesamtbild sieht, sieht man den roten Faden. Für mich ist eine Kollektion wie ein Song. Es sollte Wellen schlagen und ich finde es ganz langweilig, eine Linie zu fahren. Es sollte vielfältig sein und dennoch im Einklang sein. Mir gefallen auch immer viel zu viele Stoffe, als dass ich mir drei vier aussuchen könnte, um nur daraus etwas zu machen. Mein Weg ist etwas anders …
Wie findest du die Stoffe mit denen du arbeitest?
Ich habe schon Vorstellungen von verschiedenen Stoffen. Aber hauptsächlich gehe ich auf die Stoffmessen und – es hört sich bescheuert an – aber ein Stoff redet mit dir. Du sieht ihn und man hat eine Chemie oder man hat keine. So ist das einfach. Ich glaube viele Leute sagen, dass es das ist, was Kilian Kerner ausmache, dass ich ein Händchen für den besonderen Stoff habe. Man selber merkt man ja gar nicht mehr, was das besondere ist, weil man da selbst in seinem Ding so drin ist. Und ich überlege mir ja nicht, ich brauche jetzt einen besonderen Stoff.
Wir machen schon eigene Prints, aber eigene Stoffe das wär mir viel zu aufwendig, dafür gibt es viel zu viele schöne Stoffe, die man kaufen kann.
Verfolgst du da immer die gleiche Idee in deiner Herren- und Damenkollektion?
Da gibt es schon Unterschiede. Es gibt Stoffe, die verwende ich tatsächlich gerne in beiden Kollektionen, aber es gibt auch Stoffe, die eignen sich einfach nur für Frauen oder nur für Männer. Aber es gibt auf jeden Fall Parallelen. Die Frau und der Mann begegnen sich schon.
Was möchtest du mit deiner Mode noch erreichen?
In erster Linie sollen sich die Leute, die meine Sachen tragen, damit identifizieren können. Ich finde es ganz schlimm, wenn sich die Leute etwas anziehen, weil es in ist. Ich glaube schon, dass das sehr starke Persönlichkeiten sind, die Kilian Kerner tragen. Dien trotzdem etwas sehr zerbrechliches haben. Ich finde, Karoline Herfurth ist immer das beste Beispiel dafür: Das ist die Frau für mich, die für mich eine Kilian Kerner-Trägerin ist. Sie hat dieses zarte, zerbrechliche Wesen und ist aber eine extrem starke Persönlichkeit. Ich glaube, man weiß, was man will und wer man ist.
Mein persönliches Ziel ist es natürlich, mein Leben lang diese Marke weiterführen zu können und hoffe, dass sich das so weiterentwickelt. Ich habe jetzt so einen riesigen Schritt gemacht, der einem manchmal den Atem wegzieht, weil es auf einmal so schnell ging, aber es ist toll. Man wartet immer darauf und hofft, dass es so richtig durchstarte. England Geschichte. Die beste Idee, die ich je hatte, war Kilian Kerner Senses. Die Zweitlinie. Ich bin ehrlich und weiß nicht, ob es das Label Kilian Kerner noch geben würde, wenn es die Zweitlinie nicht gäbe. Das gibt mir gleichzeitig die Freiheit, in der Premium Kollektion avantgardistischer zu sein, obwohl ich gar nicht das Ziel habe, total avantgardistisch zu sein. Ich möchte auch, dass man die Premium-Kollektion trägt. Aber Senses ist der Türöffner in die Shops gewesen.
Hast du das Gefühl, dass du mehr darauf achten musst, dass deine Sachen sehr tragbar sind?
Darauf habe ich eigentlich schon immer geachtet. Jetzt ist eher das Gegenteil der Fall. Seit es Senses gibt, kann ich in der Premium ausgefallener werden – auch wenn das eigentlich gar nicht mein Ziel ist. Klar gibt es Teile, die untragbar sind, aber genauso Teile, die Alltag- und bürotauglich sind. Ich will meinen Sachen auf der Straße begegnen. Von beiden Marken. Senses ist natürlich nur tragbar. Aber das ist schön und macht mir unfassbar viel Spaß, weil man sieht, wie die Leute das tragen. Und Senses ist ja trotzdem noch etwas besonderes. Mich schränkt das gar nicht ein und ich versuche, das Konzept hinter Senses auch weiter umzusetzen – nämlich höchste Qualität zu einem erschwinglichen Preis anzubieten …
Natürlich gibt es manchmal Aussagen wie „Die Kilian Kerner Kollektion ist zu subtil …“, aber eigentlich soll sie das auch sein.
Wie unterscheidet sich die Ideenfindung für Kilian Kerner Senses?
Das ist immer eine andere Inspiration. Es ist nicht so gefühlvoll. Es gibt schon immer so Dachthemen. Dieses Mal habe ich zum Beispiel die Themen Dirty Dancing und Pretty Woman. Diese beiden Welten treffen aufeinander und daraus entstand dann Dirty Woman, obwohl es gar nicht um dirty woman in diesem Sinne geht. Eher die 70er treffen auf die 90er.
Fühlst du dich durch die Expansion nach England nun mehr unter Druck gesetzt, erfolgreich zu sein?
Auf jeden Fall. Wenn du mich im Oktober oder November gefragt hättest, hätte ich noch gesagt, der Druck sei gar nicht so groß. Aber der Druck ist riesig. Momentan ist es schon so, dass alles jetzt eine Aktiengesellschaft ist. Aber der Druck auf einmal international etwas aufzubauen ist schon größer. Man hat das auch schon vorher natürlich versucht, aber jetzt gibt es diese zwei Länder, die so im Fokus stehen – England und Deutschland. Auch das Marketing: wie geht man weiter vor? Ich zeige meine Kollektion in Berlin, aber wir müssen natürlich auch nach London gehen. Man will nicht zwei Mal das selbe zeigen, aber Senses ist für mich eigentlich keine Kollektion, mit der ich eine Show machen will. Also zeigen wir in Berlin eine Kollektion und haben ein neues Konzept, das wir dann in London zeigen. Was aber mit der Premium Kollektion zu tun hat. Das ist viel mehr Arbeit, aber es geht nicht anders, denn in England sind wir auf einmal in den Geschäften und du musst dort bekannt werden.
Was kannst du schon zu dem Konzept in London verraten?
Die Premium Linie wird dafür weitergeführt und wir werden in London weitere Teile in der Kollektion zeigen. Wir werden eine Red Carpet-Installation zeigen – alle Outfits, die man auf dem Red Carpet trägt und die im Zusammenhang mit der Kollektion stehen. Es werden auch einige Teile, die wir heute shooten sein und dann gibt es noch mehr Red Carpet Outfits.
Wie sieht es aus mit Kilian Kerner-Taschen, Sonnenbrillen und Parfüms?
Solche Ideen gibt es tatsächlich manchmal, aber da sage ich ganz klar Nein. Parfüm ist für mich die Königsklasse und da bin ich noch lange nicht bereit zu. Es gibt zwar Ideen, wie man die Produktpalette erweitern kann. Für ein Parfüm ist es allerdings viel zu früh. Ich fände zum Beispiel einen Lippenstift super. Handytaschen vielleicht auch.
Für ein Parfum bin ich und das Label auch noch zu klein. Ich würde jetzt auch nicht in Paris zeigen wollen. Ich glaube auch nicht, dass meine Kollektion Paris ist. Ich finde nicht, dass ich dort zeigen müsste. Ich sehe das schon eher in London oder New York. New York ist dann auch irgendwann mal so ein Schritt, den ich gerne gehen würde. Aber alles zu seiner Zeit. Ich glaube man kann auch ganz schnell ganz viel falsch machen, wenn man überproduziert. Das mag ich nicht.
Was überzeugt dich weiterhin davon, Kilian Kerner in Berlin zu zeigen?
Ich finde es super, in Berlin zu zeigen. Mir hat das enorm viel gebracht und ich wäre heute nicht hier, wenn es die Berlin Fashion Week nicht gegeben hätte. Auch andere Labels wie Lala Berlin, Kaviar Gauche etc. – wo hätten wir sonst diese Aufmerksamkeit herbekommen, wenn wir nicht diese Shows hätten?
Was sagst du dazu, dass wieder einige Labels Berlin den Rücken kehren?
Ich finde das sehr schade. Vor allem, dass Hugo Boss nicht zeigt. Auf der anderen Seite, freue ich mich, dass jetzt wir kleinen Labels der Mittelpunkt sind. Ich glaube trotzdem weiterhin an Berlin. Ich kann nicht sagen, dass ich noch weitere zehn Saisons dort zeigen werde, denn für uns werden im Moment auch andere Länder sehr wichtig und wir müssen/wollen in London zeigen. Wie oft man da zweigleisig fahren kann, weiß ich nicht. Aber das hätte niemals etwas damit zu tun, dass sich die Berlin Fashion Week nicht entwickelt. Ich finde super, was da passiert und Berlin bleibt hoffentlich noch eine viel größere Konstante. Ich finde auch, dass Labels wie Kaviar Gauche und Lala Berlin jedes Jahr dort zeigen sollen. Denn das sind die Labels, die die Fashion Week in dieser Stadt ausmachen. Aus meiner Generation von 2004, wo wir alle hergekommen sind, gibt es schon nicht mehr so viele. Da sind Lala, Kaviar und ich übrig geblieben. dann gibt es noch Esther Perbrandt und ich finde dass man da viel mehr Zusammenhalt haben muss.
Die internationale Berichterstattung wird immer besser. Die Aufmerksamkeit wird internationaler. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.
Letzte Saison wurde das erste Mal alles bei style.com gezeigt, die italienische Vogue hat tolle Berichte gebracht … Ws ich damit sagen will: die internationale Relevanz steigt. Was ich nicht verstehe ist, warum die Fashion Week zeitgleich zur Pariser Couture stattfindet. Wohin wird wohl Suzy Menkes gehen?
Welches Label fehlt denn deiner Meinung nach in Berlin? Welches würdest du dir wünschen?
Wunderkind fände ich großartig. Und ich würde mich freuen, wenn wirklich Labels wie Lala und Kaviar jede Saison zeigen. Ich kann nachvollziehen, warum man das nicht macht. Es kostet unfassbar viel Geld und ist eine unfassbare Arbeit mit einem unfassbaren Zeitdruck, der durch den Termin der Fashion Week Berlin entsteht. Das Problem hat man nicht, wenn man im September auf die Stoffmesse geht und im März zeigt. Aber wir zeigen im Januar und müssen oft beten, dass der Stoff rechtzeitig ankommt.
Boss war ein internationales Zugpferd wegen internationaler Promis, die da eingeflogen werden, um in der ersten Reihe zu sitzen und mediale Aufmerksamkeit zu erreichen. Kein anderes Label hatte etwas davon, dass internationale Journalisten bei Boss waren, denn zu anderen Schauen gingen sie dennoch nicht.
Ich bin gespannt, wer am Donnerstagabend zeigt – ich würde mich freuen, wenn jede 20 Uhr-Abendshow von einem Berliner Designer besetzt wäre. Das fände ich super.
Sind die Designer in Berlin denn untereinander miteinander vernetzt?
Mich mögen die glaube ich eh nicht. Ich weiß nicht warum.
Schaust du dir die Schauen der anderen Designer an?
Während der Fashion Week schafft man das zeitlich nicht. Im Nachhinein schaue ich mir die Schauen aber online ein. Ich bin da sehr interessiert. Ich liebe zum Beispiel Frida Weyer, wir verstehen uns super. Die ist super menschlich. Guido liebe ich auch und ich gucke jeden Abend Shopping Queen – moderieren würde ich diese Show aber nicht. Ich kann zwar auch eine Rampensau sein, aber immer nur zu gewissen Zeiten. Ich würde das nicht jeden Tag können und wollen. Ich liebe Fernseh gucken, weil ich in meiner Freizeit nur vorm Fernseher sitze.
Betrachtest du die anderen Berliner Designer dabei als Konkurrenz?
Nein, ich glaube dass wir alle sehr unterschiedliche Kollektionen machen. Es gibt Labels die sich vielleicht ein wenig ähneln, aber ich finde wenn man zum Beispiel Lala Berlin, Kilian Kerner und Kaviar Gauche nebeneinander stellt, hat man drei komplett unterschiedliche Aussagen. Das hat gar nichts miteinander zu tun und ich sehe das nicht als Konkurrenz. Ich denke eher, dass man geballte Kraft zusammen haben sollte. Alle zusammen schaffen mehr als einer! Es gibt so viele Läden und Zeitschriften, in die man kommen kann. Ich empfinde da keinen Neidfaktor. Ich habe zum Beispiel schon einigen Designern nach der Show geschrieben „tolle Kollektion“, aber noch nie eine Antwort bekommen. Auch nicht von den ganz jungen …
Welche Designer favorisiert du in Berlin vom Design?
Ich mag Schumacher sehr – schon immer. Wie gesagt, Frida Weyer. Ihre Hochzeitkleider aus der letzten Kollektion fand ich wunderschön. Und natürlich Kaviar und Lala. Das sind die, die ich wirklich gut finde. Und das ist nur mein persönlicher Geschmack. Ich finde, wenn man das subjektiv betrachtet, ist da schon viel Talent in der Stadt. Es gibt viele, die wirklich gut sind. Ich glaube weiter an Berlin.
Wir haben jetzt so viel von deinem eigenen Label gesprochen. Könntest du dir vorstellen…
… ja, ich möchte eine Kollektion für H&M machen!
Das haben wir nicht gefragt … Kannst du dir vorstellen wie zum Beispiel Marc Jacobs Creative Director eines großen Modehauses zu werden?
Es gab schon Angebote, die ich aber bisher abgelehnt habe. Es gibt aber Labels, für die ich gerne etwas machen würde. Aber in erster Linie würde ich gerne eine Tenniskollektion machen. Wirklich gerne für Nike oder so entwerfen. Und ich würde tatsächlich gerne eine H&M-Kollektion machen. Schon seit Jahren. Ich finde das irgendwie spannend, eine Kollektion für einen so riesigen Markt machen. (back to the roots wäre das dann, denn mit H&M Shirts hat er ja auch angefangen). Auch wenn sich ganz viele darüber aufregen, dass man sich dann angeblich verkauft. Ich würde es nicht einmal aus finanzieller Sicht sehen. Bei Senses denkt man schon an den oberen Massenmarkt, aber ich hätte Lust zu sehen, wie das dort funktioniert. Und ganz wichtig: Wenn man etwas für H&M macht, dann muss es auch nach H&M aussehen – die Maison Martin Margiela für H&M Kollektion mochte ich ehrlich gesagt nicht.
Welches ist denn dein Lieblingslabel?
Victoria Beckham und Stella McCartney. Ich hoffe, Stella McCartney nach dem Designer for Tomorrow Award zu sehen und mich ihr vorzustellen zu können.
Kannst du dich mit dem Nachhaltigkeits-Gedanken von Stella McCartney identifizieren?
Nicht in dieser Form. Pelz spricht mich zum Beispiel gar nicht an. Aber Spitze spricht mich zum Beispiel auch überhaupt nicht an. Ich musste vor kurzem ein Hochzeitskleid machen, in dem Spitze drin war und es ist mir erstmal nicht so leicht gefallen. Eine Freundin von mir heiratet und sie wollte unbedingt Spitze haben. Ich habe lange gesucht. Ich glaube, diese Nachhaltigkeitsmode ist gut und wichtig, aber ich bin da kein Vorreiter. Da finde ich es wichtiger, wie mit Senses keine Wegwerfmode zu kreieren, sondern ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu schaffen. Hohe Qualität zu einem angemessenen Preis, die man lange behalten kann.
Was war dein teuerstes Stück, was du dir gekauft hast?
Eine Marc Jacobs-Tasche, die ich in Amerika gekauft habe. Sonst muss ich mir zum Glück gar nichts teures kaufen, weil ich immer in meinem eigenen Atelier schauen kann.
Hast du auch Lieblinge unter den Menswear-Designer?
Ich mag Acne und Dior immer ganz gerne. Mein persönlicher Stil ist eher sportlich-klassisch.
Wie findest du die Entwicklung von Saint Laurent?
Ich finde das ganz ganz schlimm. Alleine die Namensänderung verstehe ich nicht, warum man das erlaubt hat.
Ich glaube Yves Saint Laurent wäre mit der der Entwicklung des Labels nicht zufrieden.
Wie würdest du es finden, wenn jemand in 50 Jahren so etwas mit deinem Label macht?
Du meinst ‚Kilian‘ wegstreichen und das Label heißt dann ‚Kerner‘?? Ich würde vorher in meinem Testament festlegen, dass man den Namen nicht verändern darf. Das fände ich eine Frechheit!
Würdest du denn wollen, dass dein Label nach dir weitergeführt wird?
Ja das wäre ja schlimm, wenn es das einfach nicht mehr geben würde. Mein Ego ist allerdings zu groß, um mir momentan vorstellen zu können, dass das jemand anderes entwirft. Ich entwerfe auch im Moment noch alles alleine. Ich bin gespannt, wann dieser Schritt kommt, aber jetzt kann ich mir das noch nicht vorstellen. Nicht, weil ich denke, ich bin der tollste Designer der Welt – das Selbstbewusstsein habe ich gar nicht – aber wenn dann jemand sagen würde „das ist das schönste Kleid der Kollektion“ und ich hätte das dann nicht entworfen, wäre das schlimm für mich. Noch bin ich zu sehr mit der Kollektion verbunden. Aber es gibt auch andere Sachen, die ich niemals aus der Hand geben wollte. Das Styling habe ich zum Beispiel bis vor fünf Saisons noch selber gemacht und fand das zum ersten Mal auch total komisch. Aber jetzt vertraue ich meinem Stylisten Ingo Nahrwold voll und ganz.
Wie beschreibt Du das Styling der aktuellen Kollektion und die Zusammenarbeit mit Deinem Stylisten?
Die Kollektion ist sehr outfitlastig entworfen – man wird während der Show sehen, dass viel passiert. Es sind viele unterschiedliche Muster und um diesen roten Faden reinzubekommen, musste ich „outfitmäßig“ entwerfen. Ich finde es ganz wichtig, dass ein Stylist dabei ist, denn er sieht die Kollektion ganz anders als der Designer, erweitert den Horizont und die Zusammenarbeit ist sehr inspirierend. Zum Beispiel hatten wir einmal so flache Business-Schuhe die er vorgeschlagen hatte, obwohl ich Frauen in High Heels liebe. Er hat mich überredet und meine Bedingung war dass wir für die Abendkleider doch Heels verwenden. Am Ende kamen nur flache Schuhe und das Ergebnis war super.
Kam so auch die Kooperation mit Nike zustande?
Dabei ging es wirklich darum, dass die Kollektion so ein bisschen runtergeholt werden sollte.
Was wäre das schlimmste, was man deinem Label stilistisch antun könnte?
Wenn man das Label komplett umkrempeln würde. Etwas, das nichts mehr mit Kilian Kerner zu tun hat. Mode, die total emotionslos ist.
Was war das Schönste, das du über dich gelesen hast?
Als Suzy Menkes über mich geschrieben hat, hat mir das echt Selbstbewusstsein gegeben. Man glaubt immer, ich bin so selbstbewusst, aber das bin ich eigentlich nicht. Bei der Schauspielerei damals war ich zu selbstbewusst, ich wusste was ich konnte, aber in der Mode habe ich immer das Gefühl, ich müsste mir wieder etwas beweisen, weil mir am Anfang niemand etwas zugetraut hat und es ist immer noch so ein bisschen haften geblieben. Aber ich freue mich über vieles Nettes, das geschrieben wird. Ich möchte, dass man meiner Mode eine Ehrlichkeit und eine Entwicklung ansieht. Damals war Kilian Kerner ja auch schrecklich. Da macht man Fehler. Zum Beispiel mag ich die erste Kollektion die ich auf der Fashion Week gezeigt habe immer noch, währen die zweite mit das schlimmste ist, was ich je gemacht habe. Das lag auch daran, dass die erste Kollektion so gut aufgenommen wurde und man denkt, man müsse nun alles übertreffen. Ich hatte nur sechs Wochen Zeit, weil ich noch für ein anderes Label gearbeitet habe, um Geld zu verdienen und wir hatten eine Kooperation mit einem Sponsor, so dass mindestens zehn Outfits mit Boxhandschuhen funktionieren mussten. Das hat man einfach gesehen. Aber so Ausrutscher gehören ja dazu und das ist ok.
Man darf auch gerne kritisieren, man muss meine Sachen nicht gut finden, solange es nicht persönlich wird.
Man muss auch Designer eine Entwicklung zugestehen – wie wäre es, wenn man damals eine 10 Jährige gegen Steffi Graf hätte Tennis spielen lassen? Damals hätte die 10 Jährige sicher verloren, Jahre später gewinnt sie ein Turnier …
Wo siehst du denn die Berliner Fashion Week in zehn Jahren?
Ich denke dann kann Berlin in einer Reihe mit den großen Modestädten stehen, wenn die Designer sich so weiterentwickeln. Ich finde, die Stadt müsste auch mal ein bisschen mehr tun. Die Förderung müsste nachhaltiger gestaltet werden, nicht nur über ein oder zwei Saisons. Warum fördert man nicht nach einer Saison nicht weiter? Und man braucht ja auch erstmal einige Saisons, um ein festes Standbein zu haben.
Wie beurteilst Du die Nachwuchsförderung in Berlin? Zufrieden?
Es gibt ja bereits gute Unterstützung aus Berlin, aber die wird jede Saison an andere vergeben. Warum baut man nicht erst einmal ein Label über vier Saisons auf, bis sie es alleine stemmen können? Auch wir zahlen eine Show noch zu einem großen Teil durch Sponsoren. Und zum Glück schaffen die kleinen Designer es bisher irgendwie, aber ich weiß ja selber wie viele schlaflose Nächte dahinter stecken, weil man eben nicht weiß, ob man es schafft. Und das kreide ich der Stadt an. Das gibt es in London zum Beispiel nicht. Da ist er klar, dass die kleinen unterstützt werden. Das fände ich viel sinnvoller, als so einen Senats-Slot jede Saison neu zu vergeben.
Ich merke das auch an Praktikanten so oft. Viele haben so eine falsche Vorstellung von einem Leben als Designer. Es ist ein knallhartes Business. Mehr Glamour als so ein Abendkleid gibt es nicht. Wer das aber schnell lernt, ist bei mir willkommen. Viele Leute, die bei mir Praktika gemacht haben, arbeiten anschließend bei mir. Also meine längste Mitarbeiterin war zum Beispiel erst Praktikantin. Wenn die gut sind, bauen wir die gerne auf.
Wie hast du dir das Label finanziell aufgebaut?
Durch Kooperationen, Kooperationen und noch mehr Kooperationen. Und permanente Arbeit neben den Kollektionen bis dann irgendwann ein Investor kam.
Würden dich Uniformen auch reizen? Wie McDonalds?
McDonalds jetzt nicht unbedingt. Aber für so eine Fluggesellschaft das würde mich schon reizen. Denn ich finde ja so versteckten Sex in Blazern und so ganz geil.
Auch für die Oper oder Ballet oder so?
Auf jeden Fall. Und was wir jetzt schon verstärkt machen, mehr Filme auszustatten. Da kommt hoffentlich auch was internationales, denn auch die Schauspielerei liegt mir noch immer sehr am Herzen.
Kommt für dich denn auch Produkt-Design in Frage oder Kooperationen in diesem Bereich?
Wie gesagt, Schritt für Schritt und da muss man vorsichtig sein, dass alles hochwertig ist und zu der Marke passt. Es sollte beiden Marken etwas bringen.
Und es kommt natürlich auch auf den Beweggrund an, also warum man eine solche Kooperation eingeht. Sicher würde ich es nicht machen, um mir einen Porsche zu kaufen, aber um Geld in meine Firma zu stecken vielleicht schon …
Würde es dich eigentlich reizen, Couture zu kreieren?
Nein, ich mag es zwar avantgardistische Sachen zu entwerfen, aber Couture ist Kunst und das kann ich nicht. Davor habe ich viel zu viel Respekt. Dieses Wort verbinde ich mit Kunst und ich bin kein Künstler. Es reizt mich nicht, weil ich glaube dass ich es nicht könnte. Das überlasse ich dann anderen Leuten.
Ist deine Kollektion für Frauen mit jeder Figur?
Natürlich. Ich produziere sehr groß. In der Senses Linie geht es sogar bis 3XL. Nicht bei jedem Kleid, wenn es in einer bestimmten Größe nicht funktioniert. Kilian Kerner sieht auch gut aus, wenn man nicht super dünn ist.
Was sagst Du zum Thema Streetstyles – Selbstdarstellung oder Inspiration?
Übertriebene Selbstdarstellung finde ich ganz schlimm. In dieser Masse ist das sehr sehr anstrengend und bekommt einen übertriebenen Touch. Das fängt bei Facebook und bei Modeblogs an, die sich nur um sich drehen. Das find‘ ich persönlich schlimm. Es gibt auch in der deutschen Modebranche Selbstdarsteller, die ich nicht mag – aber Namen nenne ich natürlich nicht. Binnen kürzester Zeit werden Menschen zu Ikonen – es reicht nicht einen verrückten Hut zu tragen.
Liest du Kritiken denn noch?
Ich lese nicht mehr alles. Aber es interessiert mich doch. Im Gegensatz zu früher tut es mir nicht mehr weh, wenn jemand die Kollektion schlecht findet. Aber man sollte das allein schon lesen, um zu reflektieren, was die Show in Berlin für mich bringt.
Ich habe ein paar Lieblingsmagazine – Madame, TUSH, Elle und die Couch lese ich gerne. Aber auch die Brigitte und die Gala lese ich.
PeterKempe
2. Juli 2013 at 21:18Bescheiden und nicht abgehoben – gefällt mir! Und sehr entspannt wirkend in einem verdammt hartem Business! Viel Glück, Kilian Kerner !
monsieur_didier
2. Juli 2013 at 21:30…zu Beginn des Interviews war ich sehr skeptisch…
aber je mehr ich gelesen habe, desto mehr gefiel es mir…
tolles Gespräch, vielen Dank dafür…
und weiterhin viel Glück und Erfolg, Kilian Kerner…!
Daisydora
3. Juli 2013 at 11:47Gefällt mir sehr, sehr gut … ich hatte mich ehrlich gesagt nie groß für Kilian Kerner interessiert, weil mir Berlin zu bedeutungsschwanger ist …. habe durch das Interview ein sehr gutes Bild von ihm bekommen und freue mich darüber.
Lustig, dass ausgerechnet auf der Luxuslabel-Enklave hier das längste und beste Interview kommt 🙂 … well done, Horst und Mrs. Elle Online!
Siegmar
3. Juli 2013 at 11:55sehr gutes Interview, die Männersachen von Kilian Kerner gefallen mir und sind tatsächlich bezahlbar. Der Erfolg ist ihm zu gönnen, besonders da er ja grundsätzlich von einem Berliner Blog aufs übelste niedergemacht wird. 😉
Horst
4. Juli 2013 at 10:26@siegmar ja, da kann ich mich auch noch dran erinnern und ich bin mir sicher das Kilian Kerner das auch noch kann. Ich finde das da eine Grenze überschritten wurde.
@all freut mich das euch wir Kilian Kerner etwas näher bringen konnten! 🙂
Arndt
5. Juli 2013 at 12:06Ganz ehrlich ?
Ich war am Dienstag vor Ort und hab die Schau gesehen und war ehrlich gesagt entsetzt darüber wie rudimentär und schlecht die Sachen schon am Laufsteg aussahen. Schlecht sitzende Anzüge und Kleider. Überall zog und zerrte es Falten die DORT gewiss nicht hingehörten.
Models, Make-up, Haare ….. alles desaströs.
Sah aus wie Modeschule erstes Semester, so mies und lustlos waren die Klamotten zusammengezimmert. Gänzlich unmöglich fand ich die Nike-Sneaker zu den Kleidern. Die Models watschelten hilflos und stillos über den Laufsteg als hätte sie sich hinter der Bühne noch n paar Backpfeifen abgeholt bevor sie rausgeschubst wurden.
Genauso tragisch wie die Kollektion war by the Way das Publikum. Eine torkelnde Judy Winter mit Perücke und ein abgerissener Jay Kahn um den sich noch nicht mal mehr der Paparazzi der Bäckerblume gerissen hat.
Fazit: Tragische Klamotten mit tragischer Präsentation – so siehts aus.
Daisydora
5. Juli 2013 at 12:18@Arndt
Für Dich zur Info: Ich habe bisher vier Outfits auf Bildern gesehen, warte noch auf das komplette Bildmaterial, ohne das ich prinzipiell keinen Kollektionsbericht schreibe, wenn ich, so wie hier, die Schau nicht gesehen habe.
Und ich halte es für möglich, dass diese Kollektion, so wie Du das erlebt hast, vielleicht tatsächlich nicht wirklich gelungen ist, da meiner Meinung nach bei fast allen Kreateuren, selbst bei den ganz großen, mal eine Kollektion nicht so gut gelingt. Das macht sich ob der logistischen, etc. Probleme, mit denen jüngere Labels, ohne Konzern im Rücken, der sich um alles geschäftliche und logistische kümmert, naturgemäß noch stärker bemerkbar.
Kurz: Unser Bericht kommt. Danke für Deinen ehrlichen Kommentar 🙂