Paris Fashion Week

Triumph eines Stils – Chanel Haute Couture Winter 2012

Wenn das Haus Chanel auf seiner Einladung zur Haute Couture Schau für den Herbst und Winter 2012 letzte Woche das Motto der Kollektion ‚New Vintage‘ angibt, denkt man sofort, dass Karl Lagerfeld einige sensationelle Modelle der letzten dreißig Jahre in veränderter Form wie eine Bestenliste des Hauses defilieren lässt – Es gäbe ja mehr als genug Stoff dafür.
Aber weit gefehlt und Herr Lagerfeld wäre nicht er selbst, wenn er nicht eine total eigenständige und völlig andere Philosophie daraus entwickeln würde.

Veränderte Lebens- und Gesellschaftsformen der Menschen, die sich Haute Couture leisten können und vor allem wollen, lassen ihn die übliche Gewichtung dieser Maß und Einzelanfertigungs-Kollektionen einfach umkehren. Leute mit dem nötigen Kleingeld wollen heute ihre Teile täglich tragen und nicht Traumgebilde aus Taft und Tüll für immer seltener werdende Bälle für Hunderttausende Euro erwerben, die man ein- oder maximal zweimal tragen kann. So ist der Star der Chanel Kollektion die „Tages Couture“ Ensembles in legerer und klarer Silhouette, die man häufig zu vielen Anlässen tragen kann und die selbstverständlich auf den ersten Blick wirken, natürlich aber höchst raffiniert und voller Details und ungeheurem Handwerks und Material Aufwand sind.

Unaufgeregt,ohne vordergründiges Bling-Bling steht eine weiche, abgerundete Linie in Phantasie Tweeds und Loops im Mittelpunkt der ersten Modelle. Typische Lagerfeld Lieblings-Tweeds in kubistischen Strukturen lockern das Bild auf – von „très“ Chanel Bouclé und aus feinsten Bändern gewebten Stoffen, die den Eindruck von feinen Fransen und Flittern suggerieren. „Das“ Chanel Jäckchen wird mit feinstem Chiffon optisch effektvoll verlängert, Schleifenblusen und die berühmten gebauschten Gazar-Pouf-Armblusen, die Chanel in der Mitte der dreißiger Jahre auf den Bällen bei Graf Etienne de Beaumont trug, taucht dazwischen auf.

Feinster Panne-Samt lässt die Hommage an Chanels Kammerzofenkleid weich erscheinen und setzt gleich darauf noch die heutige Version der Silhouette nach, die Chanel 1916 die erste Aufmerksamkeit in amerikanischen Zeitschriften brachte. Pureness wird mit dem Augenzwinkern von Blickdichten Lurex Strumpfhosen (sie sind wieder da) gewürzt.
Weite, fließende Hosen dominieren, lockere Silhouetten, die ein wenig die Schultern abrunden und den Körper umspielen, lassen die Looks komfortabel erscheinen. Bei aller Aufwendigkeit und handwerklicher Kür wirkt alles eher selbstverständlich mit dem gewissen Chanel-Touch.

Sicherlich ist unser Bild stark davon geprägt, dass in Magazinen, wenn Couture gezeigt wird, meistens aufwendige Traumroben abgebildet werden, die üppig bestickt und von ausladender Opulenz uns weit entfernt vom Leben erscheinen. Genau diesen Begriff korrigiert Lagerfeld mit dieser Kollektion, denn eigentlich war Haute Couture genau auf den Körper der Trägerin passend zugeschnittene, perfekt sitzende Kleidung. Ist die Form eher simpel, spielt Lagerfeld mit Stickereien oder mit irisierenden Geweben oder plissierten Chiffon. Verspieltere, kompliziertere Schnitte werden in ruhigeren Stoffen und Farben präsentiert. Pastelle, Naturtöne und Grauvarianten dominieren. Hier und da flackern Sorbet-Nuancen auf. Alles strahlt Edelmut und Harmonie aus.

Karl Lagerfelds Kollektion ist für mich eine der stärksten Couture Kollektionen, die er in den letzten Jahren gemacht hat. Die Stärke liegt eindeutig in der Ruhe und Geschlossenheit und das auf den Kern gebrachte Couture Prinzip. Jedes Modell kann seine Trägerin die nächsten zwanzig Jahre begleiten, nichts wirkt kostümiert. Man merkt, dass in diesem Genre die Zeit ist, Schnittechniken zu entwickeln, zu verfeinern und zu tüfteln. Der Faktor Zeit ist die Qualität, die hier reingesteckt und bezahlt wird und das merkt man der Kollektion an. ‚Jede Woche eine neue Welt‘ überlässt man bei Chanel gerne anderen – wenn man den nächsten Millimeter zur besten Qualität sucht, dieses gar nicht machbar ist. Genau dazu bekennt sich die New Vintage Kollektion von Chanel. Chanel sagte einmal „Die Kunst beruht auf der Schlichtheit“.
Großes Kino Karl Lagerfeld! Ein klares Statement zur Zukunft der Couture.

Bilder: Chanel

  • Renate
    5. Juli 2012 at 10:50

    Lieber Peter! Deine Berichte sind immer wieder Meisterwerke und du verzauberst mich immer wieder mit deinen Sätzen 🙂 Danke!

  • Siegmar
    5. Juli 2012 at 11:15

    Mein lieber Peter, dein Artikel über die Show ist ganz wunderbar, man muss Deine Artikel und besonders diesen sammeln und Herrn lagerfeld schicken, ich denke er wäre begeistert.

  • Monsieur_Didier
    5. Juli 2012 at 12:24

    …mich würde es nicht wundern und überraschen, wenn Herr Lagerfeld jemanden beschäftigt, der die wichtigsten Blogs sichtet und ihm die entsprechenden Highlight-Berichte in einer Mappe vorlegt…
    und damit hat er auch Kenntnis von diesem wunderbaren Artikel 🙂

    by the way:
    die Pailettenfarbverläufe sind wunderschön…
    und auf dem ersten Bild, der Bouclémantel…
    der ist einfach Wahnsinn…!

  • peter
    5. Juli 2012 at 12:52

    @alle
    man konnte nur begeistert sein weil die kollektion fantastisch ist!!! aber eure motivation tut gut und ich werd mir weiterhin hübsche sachen für euch ausdenken!!

  • peter
    5. Juli 2012 at 12:53

    @didier
    dein egdanke gefällt mir antürlich vor allem weile es ausgedruckt wird und in einer mappe vorgelegt wird….dann sind wir nämlich wieder beim print!!!wunderbar!!