Da steckte da ganz sicher nicht diese Absicht dahinter, aber die Louis Vuitton Menswear-Schau für den kommenden Winter, die wir euch auch als Livestream zeigen durften, ist für mich das wohltuend auf die Essenz reduzierte Gegenmodell zu all dem Promigewusel und Wannabe-Fashion-Center-of-the-World-Rummel der MBFW in Berlin. Es interessiert nicht, was Alexa Chung, Jenny Elvers und gefühlte achtzigtausend Modeblogger zu Klamotten zu sagen haben, wenn kostenintensive Entscheidungen über die Sortimente im gehobenen Mode-Fachhandel, den Luxus-Onlineshops und den Flagship-Stores der Label getroffen werden.
Schon die Location, ein architektonisch schlichter Stahl-Glasbau, der weit abseits im Parc André-Citroën liegt, sorgte auf perfekte Weise dafür, dass man sich auf das konzentrieren konnte, worum es bei Modeschauen für Fachpublikum eigentlich geht: Um nichts anderes als die Kollektion.
Und welche Kollektion!
Ich gehöre ja zu dem Teil altmodischer Modefanatiker, die immer noch der romantischen Vorstellung anhängen, Klamotten, die viel Geld kosten, sollten ihre Träger möglichst schöner machen und bei vielen Anlässen, und das über Jahre hinweg, begleiten. Natürlich mit allen Facetten. Mode soll auch überraschen, neue Looks erzeugen, originell, jung und frisch sein. Aber am Ende stecken in den Teilen Männer, die mit ihrem neuen Anzug auch im Job auflaufen können müssen, denn in der Freizeit dominieren legere Looks.
All das bringt Kim Jones auf den Punkt. Ich könnte mich zwischen so vielen gelungenen Anzügen, allesamt schmal aber nicht knackig eng, nur sehr schwer entscheiden. Da sind diese gemusterten feinen Wollstoffe, die den schmalen Anzügen mit Zweiknopf-Jacketts einen extra Twist geben. Sehr schön auch die Idee, so einem Anzug mal andersfarbige Ärmel aus dem gleichen Stoff zu verpassen.
Die Schnitte wurden bis zur Perfektion optimiert, dafür und für die edlen Stoffe und das ausgereifte Design zahlt man schließlich die stolzen Preise solcher Anzüge.
Als Ergänzung und Styling-Idee zu den klassischen Anzügen mit Twist gibt es entweder fein gemusterte Hemden oder auch mal karierte, und sei es zu Nadelstreifen …. aber die Innovation dieser Kollektion schlechthin sind die dünnen und hochgeschnittenen Westen im Kimonoschnitt. Das sieht sehr modern und doch irgendwie klassisch aus. Im ersten Moment dachte ich, das sind überbreite Seidenschals, die man über Kreuz gelegt und in den Hosenbund gesteckt hatte. Das Styling der Anzüge wird durch Schnürschuhe mit Metallkappen abgerundet, an die ich mich erst noch gewöhnen muss. Aber sehr schick sieht das auf jeden Fall aus.
Auch Liebhaber Grauer Anzüge, Hosen und Mäntel kommen auf ihre Rechnung. Eines der schönsten Outfits der Kollektion ist ein eleganter, überknielanger Grauer Mantel, unter dem das Model (sieht schwer nach Lars Burmester aus) eine Graue Nadelstreifen-Hose, ein legeres schwarzes Jackett und einen Hellblauen Melé Pulli mit Rundausschnitt trägt. Als Schmuck am breiten Revers eine Silbernadel mit Silberkette, an der eine helle Feder baumelt. Ich bin schlecht in Vogelkunde, kann euch über den edlen Spender leider nichts Genaueres sagen.
Der Einfluss asiatischer, genau genommen japanischer Elemente in dieser Kollektion erklärt Kim Jones damit, dass diese Kollektion das Ergebnis einer der Quintessenzen des Reisespezialisten Louis Vuitton sei: „a tale of two cities,“ Paris und Tokyo, zwei der Kulturhauptstädte der Erde, mit denen schon Georges Vuitton, den Sohn des Gründers Louis eine fruchtbare Affinität verband. Er war angetan von den japanischen Blumenmalereien und etwas vom dem Geist schwingt in dieser Kollektion aus sehr viel Louis Vuitton-Moderne, auf dem breiten und tragfähigen, handwerklichen Sockel der Tradition des Hauses, das schon seit seiner Gründung wie die Kollegen von Hermès, Chanel, Gucci und wenige neu hinzugekommene Luxushersteller, auf Nachhaltigkeit baut.
Das alles kann aber heute nur funktionieren, wenn man einen richtig guten Chefdesigner hat, der im Puls der Zeit tickt und diesen Herzschlag mit den hochfliegenden Wünschen und Erwartungen der sicher sehr verwöhnten Klientel und dem zu verbinden weiß, dass so eine Kollektion eben auch was mit klassischer Schneiderkunst, und nicht bloß mit dem Zusammenschustern von Stoffteilen, zu tun hat.
Klar kann sich auch in Zukunft kaum jemand viele so teure Teile leisten, aber wer sich mal was gönnen will und kann, der ist sicher gut beraten, in das eine oder andere Stück hinein zu schlüpfen. Um den Unterschied zu spüren und zu sehen.
Die Farben sind durchwegs klassische Männerfarben, Grau bis hin zu dunklem Graphit, Schwarz, auch mal mit Mitternachtsblau, Kamel, sehr schöne Brauntöne, die selbst mit ausgesprochenem Braunmuffel gefallen, ganz wenig Dunkles Rot und viele Zwischentöne dieser Hauptfarben. Die Eloquenz im Farbkonzept findet ihren Niederschlag darin, dass es immer der schönste Ton dieser Farbe ist und die zahlreichen Kombinationen neu und ungesehen sind, so dass man auf den ersten Blick sieht, dass der Look auf der Höhe unserer Zeit ist.
Ich mag alles, obwohl ich tendenziell eine Freundin von sehr modernen und coolen Looks bin. Aber manchmal ist eben die edel-elegante Klassik nichts als pure Avantgarde.
Anmerkung: Wir stoßen als Modeblogger trotz des tollen Livestreams und der Detailbilder von Louis Vuitton und bei style.com nur leider an unsere Grenzen, da man von so einer vielfältigen Kollektion gerade zu den Materialien und den Besonderheiten nur dann einen Kompletteindruck gewinnen und wiedergeben kann, wenn man vor Ort war und die von a bis z gelungene Kollektion, aus nächster Nähe sehen durfte.
Aber schaut euch das hier auf den Bildern und im Stream an, wenn ihr Zeit und Lust habt und schlüpft mal zumindest probeweise in so ein Teil rein, wenn die Dinger im Laden hängen.
Kim Jones ist so toll und cool und ist mir schon jetzt so sympathisch, wie mein Liebling Christopher Bailey!
Alle Fotos: Louis Vuitton / Ludwig Bonnet
Siegmar
24. Januar 2012 at 15:53@ Daisydora
ich unterstreiche jede einzelne Aussage zu diesen absolut tollen Kollektion.
Die Location finde ebenfalls perfekt, ich enne das Gebäude überhaupt nicht, ist aber in Richtung meines Allzeitlieblings-Berlin-Gebäude, die neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe
muglerette
25. Januar 2012 at 07:52tolles casting
tolle musik
tolle kollekton!!
bravo kim!!!!
Daisydora
25. Januar 2012 at 16:10@Siegmar
Danke für das Feedback. Die Nationalgalerie ist auch meinbe Kragenweite … ich könnte ja in sowas glatt wohnen …
@muglerette
Sagt der Fachmann und behält damit recht…