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Chanel Cruise 2020/21 – Spaziergang am Mittelmeer

(CHANEL 2020/21 Cruise Collection – Photo by Bea de Giacomo)

Dass sich Modepräsentationen in diesen Zeiten neu erfinden müssen, stellt hohen Anspruch an die Kreativen sämtlicher Modemarken. Der Weg dorthin zeigte sich auch während des Confinements schon als gar nicht so einfacher Prozess, denn weder Avatar-Modenschauen noch Home-Made-Zoom-Präsentationen werden sicherlich der Erwartungshaltung eines wirklichen Luxus-Klientels gerecht. Außerdem bildet das Fortführen von Kollektionen auch eine Herausforderung an das Fingerspitzengefühl, denn eines ist sicher: Die Zeiten sind zwar reif für Neues und um positive Akzente zu setzen, aber nicht wirklich, um überdrehte Moderevolutionen zu starten.

CHANEL Cruise 2020/21 – Photo by Julien Martinez Leclerc

Augenscheinlich ist, dass im Moment weder Marketing oder auch übersteigerte Werbung der Weg zum Erfolg ist. Vielen Marken, die kein wirklich glaubhaftes Storytelling oder gar eine Authentizität besitzen, fallen nicht nur durch mangelnde Strategie, sondern auch durch Unglaubwürdigkeit sowie Orientierungslosigkeit auf und geraten dadurch bereits nach wenigen Monaten ins Schlingern. Deshalb liegt es natürlich besonders bei den Luxuskonzernen nahe, wer besonnen agiert, wählt vielleicht einen leiseren Weg, der auf Präsentationen zurückgreift, die zeigen, dass man, um seine Botschaft weiter fortzusetzen, nicht marktschreierisch agieren muss.

Das Haus Chanel geht genau diesen Weg – die Tradition und auf den Ursprung von Modepräsentationen Zurückgehende mit der virtuellen Zukunft zu verbinden. Für die eigentlich auf der italienischen Insel Capri im Mai geplanten Schau der Cruise 2020/21 „Balade en Méditerranée“ wurde jetzt eine virtuelle Fassung vorgestellt, die mit klassischem Set einer leicht romantischen Terrasse als Studioinszenierung, die sowohl auf Capri oder auch an der Côte d’Azur sein könnte, 51 Looks, Accessoires, Schuhe und Taschen vorstellt.
Unaufgeregt und im Stil einer traditionellen Salon-Präsentation, wie sie früher von Chanel für die Kundinnen in der Rue Cambon gemacht wurde. Das Thema, der von Karl Lagerfeld erstmals Anfang der 1990er-Jahre eingeführten „Croisiere“ Defilés, die Leichtigkeit und Easyness von sommerlichen, in den Codes des Hauses, einfacheren Lieblingsstücken, die zum Reisen oder einfach zum Kombinieren unter sommerlichen Temperaturen einladen.


CHANEL Cruise 2020/21 – Photo by Julien Martinez Leclerc

Es geht nicht um große Roben oder repräsentative Outfits, sondern darum, leicht zu reisen – mit „einer Garderobe, die in einem kleinen Koffer auf Rädern verstaut werden kann, dazu einen Shopper und einer bestickten Handtasche zu reisen,“ wie Virginie Viard erklärt. Die einfach zu tragenden Mehrzweck-Kleidungsstücke, die alle perfekt zusammenpassen und sich je nach Tageszeit, Lust und Laune verwandeln: Lange Röcke werden durch Hochziehen zu trägerlosen Kleidern, lange Jacken aus schwarzem Chiffon können tagsüber über einem Dreiecksbikini oder am Abend mit einem luxuriös von Lesage besticktem und gestickten Bandeau-Oberteil und Jeans getragen werden. „Wenn sie über nackter Haut getragen werden, wird sie zu einem Déshabillé.“ Man ist angezogen und doch herrlich frei in der warmen Luft der Mittelmeerküste. Die Kleider aus feinem transparentem Lamé sind mit Jacken kombiniert, die lässig über eine Crêpe-Shorts gezogen werden können, während Wickelkleider und Röcke schwingende Bewegungsfreiheit erlauben. Das Pink der Bougainvillea und die sonnig leuchtenden Farben des Ginsters und weiche Pfirsich-Nuancen stehen ebenso im Vordergrund wie gebleachter Denim. Schwarz für Chiffon, den Abend oder anschmiegsamen Jersey. Anzüge aus weichem Nappaleder, das so geschmeidig ist wie eine zweite Haut, und ein leichter ungefütterter Tweed, sind weich und fließend und wirken federleicht. T-Shirts und voluminöser Strick werden zu Lieblingsteilen des Sommers.


CHANEL Cruise 2020/21 – Photo by Julien Martinez Leclerc

Virginie Viard erspürt liebevoll und mit Fingerspitzengefühl, was dieser Zeit entspricht. Ihre Mode bringt die Chanel-Codes und die Stimmung der Orte, die an der französischen und italienischen Riviera in den Sechziger-Jahren dem Jetset erlaubten, eine neue freie Lässigkeit auszuleben. Die Fotos von Mary Russel kommen einem sofort in den Sinn, in denen Schauspielerinnen in ihre Denims schlüpften, ihr Bikinioberteil anbehielten und einfach eine große Strickjacke darüber warfen, sobald es kühler wurde. Die Freiheit genießend und der Öffentlichkeit entflohen zu sein und der Konvention zu entsagen, ein Novum für die damalige Generation.
Virginie Viard setzt auf eine Schlichtheit, die tief die Codes von Gabrielle Chanel, einer befreiten Frau, verinnerlicht hat, immerhin hat Gabrielle die schlichte Urlaubsgarderobe 1913 in Deauville erfunden, aber auch ihre Hommagen, in verjüngter Form an Karl Lagerfelds Meilensteine anknüpfend, werden besonders bei den Accessoires sichtbar. Ob die Mikrostepp-Taschen, die sich zu Ketten verwandeln oder Vanity-Case-Taschen, diesmal in herrlichem Korbgeflecht. Augenzwinkernde Anspielungen auf die Anfang der 1990er-Jahre Claudia Schiffer Kollektionen.
Perlenstecker und Gürtel mit dekorativen Chanel-Logos, die auf nackter Haut getragen werden, lässig gefranste, gesteppte Matchsacs, Madraskaro-Taschen, Frottee- und Häkeltaschen und flamboyante glitzernde Lesage-Abendtaschen setzen hübsche Akzente. Bei den Schuhen: Bequeme Two-Tone Mary-Janes, ganz Mademoiselle 2020, oder raffinierte Tropeziennes runden die Accessoires ab. Viard lässt Chanels Codes nicht nur schlichter und intelligent mehr nach innen gekehrt erscheinen, sondern gibt ihm auch mehr spielerische Selbstverständlichkeit, das Besondere drückt sich parallel zur Persönlichkeit und dem Stil der heutigen Trägerin aus und unterstreicht mehr denn je das, was die junge Gabrielle Chanel ihrer Generation öffnete, die Schlichtheit bemerkenswert zu machen, wie sie es selbst formulierte.


CHANEL Cruise 2020/21 – Photo by Julien Martinez Leclerc

Die Kollektion, die im Dezember in die Boutiquen kommt und komplett auf Chanel.com zu entdecken ist, will bewusst keine Moderevolution hervorrufen, sondern genau die Teile bieten, die sich nach den Erfahrungen der letzten Monate auch auf unsere veränderten Lebenssituationen einstellen: leiser Luxus mit Respekt vor den Materialien und dem Handwerk, der unaufgeregt begleitet.

Seit über 100 Jahren fasziniert das Haus Chanel dadurch, das es sich immer wieder verwandeln konnte ohne seine Werte, Codes und Heritage zu verleugnen oder zu veralten, weil das Träumen der Frauen und der Sinn nach Freiheit ihrem Stil immer wieder neuen Esprit verleiht und Femininität gepaart mit Stärke zum zeitlosen Ausdruck der Selbstverständlichkeit werden lässt. Werte, die jeder Krise geschmackvoll trotzen und wohltuend bestärken, anstatt das Rad neu erfinden zu wollen und sich vordergründiger Aggressivität zu verschreiben und sich damit der Vergänglichkeit preis zu geben.

  • Siegmar
    11. Juni 2020 at 20:33

    Sehr gelungene Kollektion

  • Horst
    11. Juni 2020 at 20:53

    Tatsächlich frischer! Ich mags – und auch wenn ich vielleicht altmodisch klinge: Ich mag auch das Brimborium um eine „richtige“ Schau. 🙂

  • Elke Kempe
    12. Juni 2020 at 10:54

    Ein schöner Bericht und eine sehr hübsche Mode,!Geht doch!Auch in dieser schwierigen Zeit!

  • Gerd
    12. Juni 2020 at 18:18

    vielleicht hält sich die Form der Präsentation – toll geschrieben, Peter.

  • Dior zeigt in Lecce – ohne Publikum | Horstson
    25. Juni 2020 at 21:18

    […] hat vor wenigen Tagen die Cruise Collection digital gezeigt, Gucci will sich auf zwei Präsentationen im Jahr beschränken, wenn es nach Dries Van […]