(Adrian van Hooydonk / Head of BMW Design; Bild: BMW)
Stilvoller Auftritt samt Pferdestärken – Ein etwas verspätetes Neujahrs-Servus aus München meinerseits, viel zu lange habe ich nichts von mir hören lassen. Voller Tatendrang bin ich jetzt wieder an Bord und freue mich auf spannende neue Projekte: Warum an dieser Stelle jedoch „Servus“ und kein nordisch-gewohntes „Moin“? Vor knapp zwei Wochen war ich für Horstson in Bayern unterwegs und noch immer bin ich positiv eingestimmt von der unglaublich sympathischen Gastfreundschaft im Süden, deshalb meine Wortwahl als Einleitung dieses Artikels! Schön war es, sehr viel Schnee gab es vor Ort und natürlich auch Brezen samt Weißwurst. Der eigentliche Grund für meinen Ausflug war jedoch keinesfalls Völlerei und Lotterleben, sondern ein Interviewtermin mit Adrian van Hooydonk, eine neu gestaltete Ausstellungsfläche/ Design-Kollaboration inklusive hochheimlicher Vorabpräsentation in der BMW Welt. Hier durfte ich nämlich exklusiv den allerneusten Streich des Automobilherstellers aus nächster Nähe inspizieren und sogar kurz probesitzen, da war ich direkt doppelt aufgeregt. Autoprofis werden wissen, worum es geht: Der neue BMW aus der 7er Reihe feierte am 16. Januar Weltpremiere und noch bevor die Bilder der Öffentlichkeit offiziell zugänglich waren, wuselte ich mich bereits eine Woche vorher durch die ultra-elegante Luxuslimousine.
Zugegebenermaßen bin ich weniger häufig von einzelnen Automodellen richtig umgehauen, hier machte sich jedoch ziemlich schnell ein wohliges Haben-Wollen-Gefühl breit. Das Exterieur kommt äußerst modern daher, die Front wurde eigens neugestaltet und ist buchstäblich in die Höhe gewandert. Besonderer Hingucker? Die optisch maximierte Niere, rund 40 Prozent wurde sie vergrößert und vermittelt gesteigerte Präsenz – nicht nur aufgrund der eingefassten BMW Niere, die im einteiligen Rahmen prangt! Auch die flachen Scheinwerfer und ebenfalls abgeflacht(er)en Heckleuchten vermitteln schnittige Eleganz, wenn ich das als Laie mal vorsichtig so formulieren darf. Das neue Modell machte auch von hinten eine gute Figur, das Heck wurde umfassend neuinterpretiert und verfügt über eine dezent-schmale Lichtleiste zwischen den Leuchten. Ebenfalls spannend für mich als Ästheten-Sympathisant? Der Innenraum! Hier lasse ich ganz einfach das Bildmaterial sprechen, das anschließend ins Postfach geflattert kam (Foto- und Videoaufnahmen waren zu dem Zeitpunkt noch strengstens verboten): Edelholz, Nappa-Leder und klar, Full-HD-Touch-Displays wurden ins Interieur integriert. Bevor ich jedoch die Contenance während der abgeschotteten Präsentation in kleiner Journalistenrunde verlor, habe ich das neue Auto lieber schnell wieder verlassen und mich lieber auf die Ausstellungsfläche der BMW Welt begeben.
Hier gab es das nächste Novum zu bestaunen: Die nagelneue Kollaboration zwischen BMW und der Architektin und Designerin Patricia Urquiola. Auch hier werden die Profis, diesmal bevorzugt die design versierten, ihre Ohren spitzen. Die gebürtige Spanierin ist sehr bekannt in der Architektur- und Möbelbranche, ihre Entwürfe vertreibt sie weltweit mit großem Erfolg und macht immer wieder mit großen Marken wie B&B Italia, Molteni, Foscarini oder Louis Vuitton gemeinsame Sache – so ist sie mitunter Kreativdirektorin von Cassina und hat Shops für Gianvito Rossi, Missoni oder Panerai designt. Fest im Blick hatte ich Urquiola vor allem, nachdem sie im letzten Jahr beim AD Design Summit der Architectural Digest in München gesprochen habe. Auch auf Instagram habe ich vorher schon ein paar Mal durch ihren Feed gescrollt und als starstruck-naher Schreiber ist mir dabei natürlich subito aufgefallen, dass Prominenz wie Christiano Ronaldo oder Kim Kardashian auf ihre ikonischen Möbel wie die „Antibodi“-Liege setzen. Eine ziemlich große Nummer also. Wie mag so eine kreative Seele im direkten Kontakt wohl sein? Lange Rede, kurze Zusammenfassung: Super nett, höflich, interessiert und vor allem unglaublich präsent. Ich hatte das Glück, dass ich sie vor dem gemeinsamen Talk mit Adrian van Hooydonk kurz persönlich kennenlernen durfte und bin ganz beeindruckt.
Als sie gemeinsam mit dem Leiter BMW Group Design auf die Zusammenarbeit zu sprechen kommt, sind alle Blicke der Anwesenden plötzlich nach unten gerichtet: Urquiola und van Hooydonk haben mitunter nämlich den Fußboden der neu entstandenen Ausstellungsfläche entwickelt – auf über 300 Quadratmetern wurde feinster Terrazzo gegossen, modernste 3D-Drucktechnologie in organischer Linienform runden die grün-glitzernde Optik ab. Als Kontrast dazu? Metallisches Mesh von der Decke ragend und verschiedene Möbelentwürfe Urquiolas! Im Talk selbst wurde über die ersten Ideen, Vorbereitung, Betreuung und Umsetzung des Flächendesigns berichtet. Hierzu möchte ich gar nicht allzu viel verraten, denn just danach ging es zum ausführlichen Horstson-Interview mit Adrian van Hooydonk. Den smarten Holländer habe ich nun schon zum zweiten Mal getroffen, zuletzt hatte ich ihm 2017 im Rahmen des Concorso d’Eleganza Villa d‘Este am Comer See Fragen (das Q&A gibt’s hier zum Nachlesen) stellen können. Vor Ort in der BMW Welt ging es nun um die Zusammenarbeit zwischen BMW und Patricia Uruqiola – eingerahmt von den neuesten Spitzenmodellen in changierendem Grünton und nordlichtähnlichem Ambiente. Ein Interview über autonomes Fahren, Genfer Berge & Design-Kollaborationen.
Herr van Hooydonk, diesmal treffen wir uns nicht am Comer See, sondern in München, Ihrem Arbeitsort und Hauptstandort der Bayerischen Motorenwerke. Es geht um eine Design-Kollaboration zwischen Patricia Urquiola und BMW. Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?
Ungefähr zehn Jahre muss es her sein, dass ich mit meinem Team in Überlegungen zur Mailänder Möbelmesse steckte: Wir wollten gerne mit BMW etwas beisteuern, vor Ort etwas Besonderes schaffen. Schon damals ging ich regelmäßig auf die Messe, schließlich hatte ich früher einmal als Industriedesigner in Mailand gearbeitet. Auch in diesem Jahr ging es für mein Team und mich nach Italien, wir hatten wie immer Beobachtungen angestellt. Sind um die Frage gekreist: Was inspiriert uns auf kreativer Ebene? In meinem Hinterkopf war jedoch auch folgender Gedanke verankert: Was könnten wir hier als Design-Marke BMW beitragen? Wir wollten schließlich nicht nur alles aufsaugen und wieder Richtung München aufbrechen, sondern auch etwas zurückgeben! Etwas erschaffen, dass die Leute zum Hinschauen anregt, Diskussionspotential bietet und uns als Marke BMW repräsentiert! Also haben wir uns zusammengesetzt und Überlegungen angestellt: Wer könnte zu uns passen? Mit wem könnte man etwas Spannendes umsetzen, der auch in den Kontext der Möbelmesse passt? Dabei ist sehr schnell Patricias Name gefallen, so kam dann eins zum anderen und der Name Urquiola zu BMW. Mittlerweile ist sie natürlich sehr bekannt bzw. mit der Zeit immer berühmter geworden, aber auch damals war sie in der Szene schon ein fester Begriff. Ihre Arbeiten hatten mir immer sehr gefallen – als Designer imponierte es mir, wie gleichermaßen edel und freundlich-warm sie wirkten. Das fand ich besonders an ihren Arbeiten, bestechend wäre wohl der richtige Ausdruck. Ich war mir schnell mit meinem Team einig, dass wir sie anfragen sollten.
Wie ging es dann weiter?
Wir sind mit ihr in Kontakt getreten und haben sie nach München eingeladen. Glücklicherweise war auch sie interessiert und ist der Einladung gefolgt – darüber freue ich mich bis heute. Als sie dann vor Ort bei uns bei BMW war, gab es erst einmal ein gewisses „Abtasten“: Versteht man sich, möchte man wirklich Projekte gemeinsam umsetzen? Will man auf kreativer Ebene zusammenarbeiten? Wenn man sich diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten kann, ergibt eine Zusammenarbeit keinen Sinn – ein äußerst relevanter Punkt bei einer Kollaboration! Ich vertrete hierbei ganz klar die Meinung, dass man keinesfalls etwas erzwingen sollte. Bei Patricia und mir war das alles kein Problem und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Wir kamen also ins Gespräch und das erste „Abtasten“ lief ziemlich gut. Was dann kam, war für mich in meiner Position bei BMW etwas ungewöhnlich. Im Nachhinein können wir beide sehr gut darüber lachen…
Was war passiert?
Wir sprachen damals über unsere Ideen und Vorstellungen, ein spannender Dialog entwickelte sich zwischen uns. Patricia teilte mir dann aber ziemlich schnell mit, dass sie mit Autos nicht besonders viel anfangen könne. Sie würden ihr schlichtweg nichts bedeuten. Oh, da war ich kurz irritiert. In dem Moment dachte ich mir natürlich schon, dass sich eine Zusammenarbeit mit BMW, wohlgemerkt einem Automobilhersteller, dann vielleicht doch etwas schwieriger gestalten lassen würde. (lacht)
Dennoch sind Sie auf einen gemeinsamen Nenner gekommen?
Nicht jeder auf diesem Planeten ist so sehr an Autos interessiert wie unsere Kunden – das musste ich natürlich auch verstehen. Trotzdem haben wir es gut hinbekommen und man muss schließlich bedenken, dass BMW auch neue Zielgruppen erreichen möchte. Wir wollten bzw. wollen natürlich mit Leuten in Kontakt treten, die nicht bereits Fan unserer Autos sind. Damit setzen wir uns natürlich viel auseinander, insofern waren die Gespräche mit Patricia ungemein bereichernd. Ihre Aussage zu Autos habe ich damals sportlich gesehen. Ich habe ihr daraufhin eine kurze Rückfrage gestellt: Sie müsse in ihrem Alltag doch auch hin und wieder auf Autos zurückgreifen, oder? Da nickte sie natürlich. Schnell hatten wir einen Punkt zum Anknüpfen gefunden. Es war spannend zu diskutieren, denn so kamen wir auf ein Thema zu sprechen, dass für uns in der Automobilbranche zukünftig eine immens wichtige Rolle spielen wird: Das Interieur. Ich erinnere mich daran, dass Patricia so etwas sagte wie: „Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, habe ich gefühlt mein ganzes Leben dabei“. Das fand ich spannend und so habe ich ihr eine Aufgabe mitgegeben, bevor sie sich wieder auf den Weg nach Mailand machte.
Um was für eine Aufgabe handelte es sich?
Ich war mir damals ziemlich sicher, dass sie meine Aufgabe nicht lösen können würde. Es ging also um das Interieur eines Wagens, eine knifflige Angelegenheit: Sie solle bitte eine Installation anfertigen vom Inneren eines Wagens, das Exterieur solle dabei keinerlei Rolle spielen. Ganz nach ihren Ideen und Wünschen. Sie sei schließlich Expertin in diesem Bereich. Jeder, der sich in diesem Bereich bewegt, weiß: Das ist beinahe unmöglich. Es gibt zahlreiche Architekten, die Autos entworfen haben und viele von denen waren damit, nun ja, nicht allzu erfolgreich. Ihre Aufgabe: Das Äußere solle ganz außer Acht gelassen werden, das Augenmerk einzig und allein auf der Innenausstattung liegen! Natürlich wusste Patricia, dass das ein schwer lösbarer Auftrag war. Genau das ist es aber auch, was sie ausmacht: Sie hat damals die Herausforderung angenommen, ist abgereist und hat sich in ihrem Studio an die Arbeit gesetzt. Danach haben wir uns wiedergetroffen und dabei hat sie mir ihre Ideen präsentiert. Meine Aufgabe hat sie – wider den Erwartungen – lösen können, ich war ziemlich beeindruckt von ihrer Ausarbeitung. Ihre Installation hatte sie damals so gebaut, dass man wirklich nur das Innere eines Autos erkennen konnte. Die Umsetzung samt allen Details war genial und so ergab sich unsere erste Kollaboration.
Wie häufig haben Sie seitdem kooperiert?
Seitdem haben wir ungefähr zehn Mal zusammengearbeitet. Dabei haben wir jedoch nie komplette Autos als Kollaboration ausgestellt. Es sind vielmehr Gedankenaustausche, die uns auf kreativer Ebene verbinden. Verschiedene Aspekte, die wir miteinander im Dialog besprechen und anschließend realisieren. Mal ging es um das Thema Beleuchtung, dann wieder um das Interieur von Autos – viele Besucher teilen diese Ideen und Ansätze mit Begeisterung. Es ist natürlich schön zu sehen, dass unsere Kollaborationen so positiv angenommen werden.
Was machen Ihre Zusammenarbeiten noch aus?
Mit der Zeit sind wir Freunde geworden, wir finden schließlich auf beruflicher Ebene schon lange zusammen. Als Designer hat sich eine starke Verbundenheit zwischen uns entwickelt, wir können aufeinander zählen: Manchmal reicht ein Anruf und schon schmieden wir neue Pläne. Entweder kommt sie nach München oder ich setze mich in den Flieger nach Mailand. Wir sitzen dann viel zusammen und diskutieren. Sichten gemeinsam Entwürfe unserer Teams, geben uns gegenseitig Feedback. Ihre Mitarbeiter stehen im Dialog mit meinen, dabei ergeben sich mitunter spannende Diskussionen. Es ist schön zu sehen, dass ein reger Austausch besteht, ohne, dass wir dabei sein müssten. Man darf nicht vergessen, dass viele Architekten oder z.B. Industriedesigner oder Möbeldesigner Interesse an unserer Arbeit in der Automobilbranche bekunden. Sie sind neugierig und wollen natürlich wissen, wie wir uns mit dem Thema Zukunft auseinandersetzen.
Dieser Bereich ist ein wichtiger Bestandteil Ihrer Arbeit, nicht?
Ganz genau. Wir haben die Angewohnheit, dass wir mit unserer Arbeit sehr weit in die Zukunft blicken müssen. Wir müssen uns zwangsläufig damit auseinandersetzen, sehr viel darüber nachdenken, was die nächsten Jahre mit sich bringen werden. Für Außenstehende ist das natürlich nicht so einfach nachzuvollziehen: Bei BMW arbeiten wir jetzt an Produkten für 2022-23, da laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Es ist ja auch so, dass eben diese Autos gut und gerne bis 2030 im Verkauf sein werden. Wir müssen uns in unserer täglichen Arbeit also immer wieder darin hineinversetzen, was bis zum Ende der nächsten Dekade passieren könnte. Was wird uns – wortwörtlich gesehen – bewegen? Das ist natürlich schwer kalkulierbar! Mit diesen Themen befassen sich eben natürlich auch Architekten, Industrie- oder Möbeldesigner. Gerade deshalb ist es so spannend, dass wir mit Leuten wie Patricia und ihrem Team im regen Austausch stehen. Es ist essentiell, dass man sich unter Kreativen austauscht. Erst dann lässt sich Schritt für Schritt eine vollständigere Vision der Zukunft fassen. Es ist niemanden von uns möglich, passgenaue Vorhersagen über die nächsten zehn Jahre zu treffen – das wissen wir natürlich.
Ein zweiter Teil des umfangreichen Horstson-Gesprächs mit Adrian van Hooydonk folgt in Kürze!
Adrian van Hooydonk (BMW) im Interview | Horstson
5. Februar 2019 at 10:05[…] würde gerne nahtlos an den ersten Teil unseres Interviews (den Artikel gibt’s hier zum Nachlesen) anschließen. Sie erwähnen im Gespräch und auch während des Talks […]
Claudia
6. Februar 2019 at 00:15„ein gewisses „Abtasten““???
Ist er ihr an die Titten gegangen und sie ihm ans Schnulli?
Oder wie kann man sich das vorstellen? Ein gewisses Abtasten
also, so beginnt eine Zusammenarbeit. AHA!
Das stimmt mich nachdenklich und weckt mein feministisches
Interesse.
Julian
6. Februar 2019 at 11:09Hallo Claudia,
Vielen Dank für dein Feedback, freue mich dich auf diesem Wege kennenzulernen!
Die ausgeschriebene Formulierung „Abtasten“ würde ich an dieser Stelle keinesfalls missinterpretieren. Adrian ist aus Holland und als Gesprächspartner finde ich – Hut ab, dass er das gesamte Interview auf Deutsch durchgezogen hat, obwohl es auf Englisch angeraumt war -, dass es im Kontext, als ich ihm gegenüber saß, vielmehr einem Austauschgespräch, einem „Beschnuppern“ (um eine weitere sinnbildliche Formulierung zu nutzen), gleichkommt. Also im Sinnbild eines Auslotens, ob man miteinander in beruflicher Hinsicht auskommt und sich auf Augenhöhe trifft.
Leider habe ich an dem Abend kein Q&A mit Frau Urquiola geführt, ggf. können wir das noch mal nachholen – gerade im Bezug zum Thema Feminismus, sie wirkte echt super cool,tough und mit Power hoch 100! Dann würde noch mal für den Leser deutlicher, wieviel kreative Energie und – das hatte Adrian ja auch im Gespräch betont – freundschaftlicher und beruflicher Austausch zwischen BMW und der Architektin/ Designerin vorherrscht.
Ich hoffe, dass ich deine Fragen damit beantworten konnte!
Beste Grüße und dir einen schönen Tag,
Julian