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Meinetwegen, schrei vor Glück, aber schick die Teile bloß nicht zurück


Fort Knox, Angelika Knäpper Gallery

Ist der Hype eine drei Milliarden Blase?

Horst hatte sich ja schon während meiner Abwesenheit um den hippen Online-Mode- und Schuhhändler Zalando gekümmert: Aber nun gibt es neue Zahlen zu Fort Knox, wie die Zalando-Kommandozentrale in Berlin liebevoll genannt wird: Der Online-Laden, den es erst vier Jahre gibt, soll trotz mauer Zahlen und einem Umsatz von einer Milliarde Euro einen Wert von drei Milliarden Euro haben.
Im Vergleich: Der Wert von Amazon, das fünfzig Milliarden umsetzt, beläuft sich auf 78,2 Mrd. Euro, bei 676 Millionen Euro Gewinn (2 Prozent vor Steuern). Der Branchenprimus Asos, der nur 700 Millionen umsetzt, wirtschaftet mit seinem Gewinn von 57 Millionen und einer Rendite von 8,4 Prozent vor Steuern hochprofitabel. Und dennoch: Der Firmenwert von Asos wird aktuell mit nur 1,9 Mrd. Euro beziffert.

Ich wäre fast ohnmächtig geworden, als ich das in der aktuellen Ausgabe des Manager Magazin las. Die umtriebigen Samwer Brüder, deren Geschäftsführer und Investoren rechnen wohl mit sehr spitzen Bleistiften, denn bei dem für spätestens 2016 angepeilten IPO soll es dann für jeden ein Vielfaches der investierten Summe vom Himmel regnen.
Mit den Wertsteigerungen, die sich Venture Capital Gesellschaften heute üblicherweise für deren Geldgeber errechnen, haben diese Rendite-Luftschlösser nicht mehr viel zu tun. Und, dass es falsch ist, Firmenwerte vor dem Börsengang künstlich aufzublähen, hatte ja erst kürzlich Mark Zuckerberg erfahren, dessen vergleichsweise hochinnovatives Netzwerk facebook seit der Ausgabe der Aktien rund die Hälfte des davor angenommen Firmenwertes schon wieder verloren hat. Als ob börsennotierte Unternehmen heute so eine Art riesengroße Wüstensandsäcke wären, durch deren mikroskopisch kleine Löcher Goldsand oder Diamantstaub nach Außen rieselt. Mitnichten.

Ein Laden, der wie Zalando simplen Online-Modeversandhandel betreibt, das ist die moderne Version des guten alten Quelle-Kataloges, der muss Gewinn erwirtschaften, ansonsten stimmt etwas an dem Gesamtkonzept und/oder der Umsetzung nicht. Bisher lassen die tiefschwarzen Zahlen aber noch etwas auf sich warten.

Einer der Gründe dafür, ist es in dem gut recherchierten Artikel von Sören Jensen, Astrid Maier und Thomas Katzensteiner nach zu lesen, soll in der exorbitant hohen Rücksendequote von über fünfzig Prozent liegen (Insider schätzen siebzig bis achtzig Prozent) die Zalando in Deutschland generiert.

Für alle, die so wie ich noch nie dort gekauft haben zum Verständnis der für mich etwas zu platten Marketingidee, mit sehr vielen Webfehlern: Du bestellst wild entschlossen so viele Klamotten und Schuhe, wie du möglicherweise auf keinen Fall kaufen willst, beziehungsweise, dir vielleicht gar nicht leisten kannst. Kostet ja schließlich nichts, die Dinge mal in Händen zu halten, anzuprobieren, vielleicht auch einmal auszuführen, man hat ja schließlich satte einhundert Tage Zeit, nicht gewünschtes wieder zurück zu schicken. Porto und Kosten trägt in jedem Fall Zalando. Mit kuriosen Folgen: Der Eine oder Andere Neo-Nassauer von Zalandos Marketing-Gnaden schreckt selbst davor nicht zurück, die Schuhe mal an die frische Luft zu bringen und dann mit Trage- und Gebrauchsspuren wieder zurück zu schicken. Das ist genau die Sorte Kunden, die der Modehandel nicht braucht, weil die nur das Geld verbrennen, das Andere für ihre Einkäufe brav bezahlt haben.

So oft, wie die Samwers in den USA auf der Suche nach Innovationen waren, sollte man meinen, man hätte die Gelegenheit auch dazu genutzt, das richtige Maß an Servicegesinnung zu indentifizieren.

Damit, mit den Werbern von Jung von Matt auf dem Designerschreibtisch einen weiteren in Deutschland weltberühmten Claim zu entwickeln, der da lautete: Schrei vor Glück oder schick es zurück …… ist die Arbeit nämlich nicht getan. Wer die Väter und Mütter dieser unseligen und völlig falschen Konzeption sind, spielt nun keine Rolle mehr. Wahrscheinlich hätte jede Teamassistentin oder meine Hausmeisterin, die man um ihre Meinung dazu gefragt hätte, davor gewarnt, Kunden (angeblich) hochmodische Saisonware hundert Tage zur Ansicht zu überlassen, diese auch dann zurück zu nehmen, wenn sie nicht tipptopp, das heisst absolut ungetragen ist … und so weiter. So viel Naivität, aber wenig Wissen über Kundenmotive und deren Verselbständigung traut man in unserer modernen Berater- und Informationsgesellschaft niemand zu, der schon hunderte Millionen Euro bei Investoren eingesammelt und sich dabei selbst schwerreich gerechnet hat.

Dass ich den Laden schon wegen der supernervigen und auf mich old fashioned wirkenden Werbung von Beginn an nicht leiden konnte, ist auf Horstson dokumentiert. Ich schließe mich gerne Horst, den Schreiberkollegen und den Lesern an: Wir mögen nachhaltigere Innovationen, tut mir nicht mal leid um euch, Zalando. Mode ist nichts, das funktioniert, wenn man es schnell zusammenramscht. Ihr könnt euch von mir aus gerne auf anderen Plattformen und Modeblogs hoch leben lassen, deren Motive nicht in der Liebe zur Mode, der Könnerschaft und dem Handwerk zu finden sind. Eben in allem, was Mode wirklich ausmacht.

Und gegen allzuviel Fantasie bei der Bewertung von Firmen vor deren IPO hatte ich schon immer etwas. Ein Modehandelsunternehmen, das in allen seinen Märkten zusammen noch keine Milliarde umsetzt, kann niemals drei Milliarden wert sein. Wo ist denn da der Innovationsfaktor, wenn man den Otto-Katalog vergrößert und online stellt?

Ich schätze mal, das könnte ein bitteres Erwachen geben, bei dem es um weit größere Summen geht, als bei der kleinen Boutique, die sich verkalkulierte und nun schliessen muss. Wenn sich eine Geschäftsidee darin erschöpft, Klamotten und Schuhe einzukaufen und dann online zu verkaufen, dann muss man von dem, was die Marge nach Abzug der Kosten übrig lässt, leben können, ohne neues Geld. Und jeder neue Markt muss sich für sich rechnen und mitsamt Kosten für Werbung und das teure Hosting der Seiten tragen.

Nun ja, Zalando ist nichts, das ein Erdbeben im Modehandel ausgelöst hätte. Es gibt da alles und nichts, wenn man bedenkt, dass Kunden heute wenig Zeit haben oder erübrigen wollen, um ein paar Schuhe oder eine neue Bluse zu finden.

Viel zu unübersichtlich und aufwenidig ist es, dort unter gefühlten dreitausend Möglichkeiten das gewünschte, das eine beste Paar Schuhe rauszufinden. Jedenfalls so lange, dass ich dabei dreimal pro Stunde einen Schreikrampf bekäme, aber bestimmt nicht vor Glück. Dafür schicke ich den Samwers auch garantiert nie etwas zurück.

Wer es ganz genau wissen will, wie viel Geld von Investoren da möglicherweise den Jordan runter gehen könnte, holt sich das Manager Magazin Ausgabe 12/12 und liest hier nach.

Was verbindet ihr mit den Renditeerwartungen der Investoren? Seid umschlungen Online-Fantasillionen oder eher nicht.

Bild: Magazintitel, Manager Magazin 12/12

  • Claudia Grande
    28. November 2012 at 14:42

    Bravo! Ein sehr guter Artikel. Ich selbst hätte es nie so schön schreiben können.

    Was sie mit dem Slogan „oder schick’s zurück“ angerichtet haben, wurde offenbar bemerkt, daher auch schnell gestrichen. Ich unterstelle Zalando von Anfang an ein fehlendes Geschäftsmodell.

    Durch die TV-Berichte hat man auch gesehen worum es geht: Jede Menge Kapital in Werbung verpulvern, aber bei den Angestellten sparen und trotzdem keinen vernünftigen Gewinn einfahren (u.a. wegen hoher Rückläufe). Bin gespannt wie’s ausgeht.

  • Betty Boop
    28. November 2012 at 14:42

    Daisy is back! <3

  • Karina Venger
    28. November 2012 at 16:12

    Ich bestelle aus Prinzip nicht bei Zalando/ Mirapodo/point rouge/ Fakoni etc! Bevor dieser Terror angefangen hat, war ich mit den bereits bestehenden Online Shops sehr zufrieden.

    PS: Daisy! Ich freue mich wieder Artikel von dir zu lesen…!

  • Annemarie
    28. November 2012 at 18:51

    Ich kaufe bei Zalando grundsätzlich nicht ein. Seit ich diesen Film im ZDF darüber gesehen habe und wie dort mit Mitarbeitern umgegangen wird, ist Zalando für mich tabu. Zuvor war ich allerdings auch schon kein großer Fan, aufgrund des unübersichtlichen Shops.

    Was das Ganze aber soll, ist klar, Umsatz um jeden Preis. Und dann wird das ganze Unternehmen irgendwann (für minimum 3 Milliarden) verkauft und der dumme Käufer kann zusehen, wie er aus den roten Zahlen kommt. Ob der wohl ebenfalls 100 Tage Umtauschrecht erhält? 😉

    Lg, A.

  • Jana Goldberg
    28. November 2012 at 19:34

    OMG! Da bist du ja wieder! Schön! Habe fast täglich nach dir geschaut.
    Zum Thema selbst: Ganz ehrlich, ich bestelle da für meinen Sohn Schuhe und bin auch zufrieden. Die Auswahl und Preisspanne bietet dir einfach kein anderes Geschäft. Die Idee ist übrigens komplett von den Amis geklaut, hat mit jemand von Young and Rubicam erzählt.

  • cb
    28. November 2012 at 20:28

    super Artikel … Ich stehe auch jeden Tag aus dem ecommerce Umfeld kommend staunend vor diesem Laden …

    Naja die haben sich an Amazon angebiedert , ich glaub Anfang 2010 , das hat nicht geklappt, wurden nicht gekauft … und seitdem verstehe ich deren Strategie nicht mehr

  • Siegmar
    29. November 2012 at 08:23

    goßartiger Artikel, habe mich eigentlich noch nie mit Zalando befasst, da mir die Werbung schon zu blöd ist. Ich habe mir jetzt den Web-Auftritt angesehen und fand sehr uninspirierend. Mir ist es betriebwirtschaftlich nicht ganz klar wo die Zahlen der Rücksendungen in den Quartalsberichten bzw. Bilanzen auftauchen, wenn ich 100 Tage Rückgabezeit habe.

  • Mia
    29. November 2012 at 08:23

    Was will man schon niveaumäßig von Leuten erwarten, die mit dem Jamba Sparabo reich geworden sind? Diese TV Werbung war Körperverletzung.

  • Siegmar
    29. November 2012 at 08:48

    goßartiger Artikel, habe mich eigentlich noch nie mit Zalando befasst, da mir die Werbung schon zu blöd ist. Ich habe mir jetzt den Web-Auftritt angesehen und fand den sehr uninspirierend. Mir ist es betriebwirtschaftlich nicht ganz klar wo die Zahlen der Rücksendungen in den Quartalsberichten bzw. Bilanzen auftauchen, wenn ich 100 Tage Rückgabezeit habe.

  • Siegmar
    29. November 2012 at 08:55

    @ mia

    da gebe ich dir vollkommen Recht, das war keine Sternestunde der Werbung und für Jung von Matt ( die ich sonst zu den besten zähle )peinlich, aber sicherlich sehr lukrativ.

  • Daisydora
    29. November 2012 at 09:35

    @alle

    Ihr seid so toll, Leute, ich bin wirklich gerührt von diesem netten Empfang …. danke an euch alle 🙂

    …. und, darin sind wir uns hier wahrscheinlich auf breiter Linie einig, zu solchen „Seifenblasen“ kann man eigentlich nichts anderes schreiben. Wir sind ja schließlich nicht doof, haben alle den Niedergang der New Economy mit all ihren künstlich aufgeblähten Firmenwerten anläßlich der Going Publics miterlebt.

    Das wird glaube ich sehr spannend, bei mittlerweile 600 Mio. Investorengeldern, die in Zalando stecken.

  • Daisydora
    29. November 2012 at 09:56

    Nachtrag zu JvM und deren Zalando Werbung:

    Ich mag die Agentur an sich und selbstverständlich kam von dort schon jede Menge sehr guter Werbung.

    Aber mit diesem Hang dazu, marktschreierische Claims zu texten, gehen mir die Leute schwer auf die Nerven. Denn, auch der Claim: Geiz ist geil war falsch und kontraproduktiv. Auch als Werbeagentur sollte man auf Nachhaltigkeit und ein längeres Haltbarkeitsdatum bei exponierten Texten achten. Kurz: Die konnten es schon mal etwas besser und fokussieren sich zu viel auf den Bereich eigen PR …. siehe auch diese lächerliche und platte Geschichte mit dem typischen Deutschen Wohnzimmer. 🙂

    Bei dieser Gelegenheit: Normalerweise schreibe ich meinentwegen mit drei n 😉

  • Monsieur_Didier
    29. November 2012 at 10:02

    …Zalando haben in meiner direkten Nachbarschaft in Friedrichshain einen gigantischen Gebäudekomplex angemietet, um die ganze Verwaltung etc. unter ein Dach zu bekommen…
    es ist die ehemalige Firmenzentrale der Knorr-Bremse. Der Gebäudekomplex, der so groß ist, dass man ihn Jahrelang nur teilweise vermietet bekommen haben. Als Zalando ankam und an dem Gebäude interessiert war hat man den vorhandenen Mietern die Verträge gekündigt und diese können nun sehen, wo sie in kurzer Zeit neue Räume herbekommen…

    Zalando und in dem Zusammenhang auch JAMBA sind Cash-Cows, die solange gemolken werden bzw. künstlich gehypted werden, bis sie einen Dummen August finden, der sie überteuert kauft…
    da ist dann wieder die berühmte Gier am Start…
    der Käufer merkt dann meist zu spät, dass er sich verkalkuliert hat und auf das falsche Pferd bzw. die falsche Kuh gesetzt hat…
    mir tun bei solchen Unternehmen nur die Mitarbeiter leid…
    bei Zalando sind die Gehälter der „normalen“ Mitarbeiter eine schlichte Frechheit…
    ein ehemaliger Arbeitskollege von mir arbeitet jetzt dort. Als er mir sagte was er verdient hatte ich spontan Mitleid mit ihm.
    Von dem Rest möchte ich erst gar nicht anfangen…
    mir sind Firmen zuwider, wo berufsjugendlichkeit zum guten Ton und gewünscht wird…

    ich habe den Eindruck, die Inhaber von Zalando warten nur auf jemanden, der ihnren das Unternehmen überteuert abkauft…
    damit das passiert wird die Schmierenkomödie „erfolgreiches E-Commerce-Unternehmen“ aufgeführt…!

  • Daisydora
    29. November 2012 at 10:22

    @Monsieur_Didier

    Da sitzen ja zirka 1.000 Leute drinnen und das, was du da über die Bezahlung erwähnst, ist in dem Artikel auch angedeutet.

    Das Geschäftsprinzip kennt man ja schon seit mehr als zehn Jahren, damals zum Beispiel von Paulus Neef und der Pixelpark-Blase. Der hat auch andauernd Interviews gegeben und sich als innovativer Unternehmer feiern lassen, dahinter steckten aber hunderte schlecht oder unbezahlte Praktikanten, denen man mit verheissungsvollen Versprechungen zu einer goldenen Zukunft bei Pixelpark schlichtweg das Geld aus der Tasche zog, das sie dort nie verdienen konnten.

    Klar warten die auf jemand, der ihnen den Laden zum Bestpreis abkauft. Aber der Markt und seinen Akteure haben gelernt. Ich glaube nicht daran, dass Zalando ein Erfolg wird.

  • Monsieur_Didier
    29. November 2012 at 11:00

    …ach mein Gott, Paulus Neef und Pixelpark…
    diese beiden Namen hatte ich schon fast vergessen. Pixelpark war ja auch in Friedrichshain…
    muss ich mir da jetzt Gedanken machen, wo in meinem direkten Umfeld solche Firmen gedeihen?
    Aber irgendwie gibt es auch den Zustand des ganzen Stadtteils wieder. Unendlich gehyped, alle wollen hin, die Menschen, die da vor dem entstehen der Blase gelebt haben ziehen weg weil sie sich entweder die Mieten nicht mehr leisten können oder wollen und weil die ganze Atmosphäre eine komplette Veränderung erfahren hat.
    Irgendwie ist das ein Synonym für die ganze Wirtschaft: viel Lärm um nichts, eine hohle Blase und klappern gehört zum Handwerk.
    Da finde ich es wiederum sehr beruhigend, dass Firmen und Unternehmen wieder mehr Beachtung finden, die das Handwerk beherrschen, die zwar teuer, aber wertstabil sind und im Laufe der Zeit eine wunderschöne Patina erfahren, wie z.B. Belstaff
    Und wie ich bei H&M schrieb: …weniger ist mehr. Stil ist nicht laut und kann man sich nicht kaufen…

  • Mia
    29. November 2012 at 11:39

    @Monsieur_Didier
    Glaube mir es gibt GENUG Unternehmer einer älteren Generation, die von Internet keine Ahnung haben, aber darin investieren wollen und dann ein Rupert-Murdoch-trifft-Myspace-Abenteuer erleben. Hat man halt noch ein bisschen Pulsbeschleunigung auf die alten Tage…