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Willkommen an Bord – Zeitreise zurück zu einer Fluggesellschaft mit Kultdesign

Als ich die Präsentation der von Peter beschriebenen Chanel Haute Couture Kollektion gesehen habe, wusste ich, dass mich das Defilee der Modelle durch die von Meister Lagerfeld entworfene Flugzeugkabine an irgendwas erinnert hat.
Und dann fiel mir die in den 80er Jahren bankrott gegangene Fluggesellschaft Braniff International ein, über die ich vor Jahren mal einen Artikel im Art Magazine gelesen habe.
Das Design der Flieger und das komplette drumherum sorgten Mitte der 60er Jahre für Aufsehen nachdem der Chef der Fluggesellschaft die Neugestaltung des Images in die professionellen Hände einer Werbeagentur gab.
In einer Zeit, in der Flughafenschalter und Terminals komplett in tristen Grau gehalten waren und die Stewardessen einen spröden Charme sverströmten, steuerte man mit Braniff in die entgegengesetzte Richtung und es begann die kunterbunte Zeit der bisher schrillsten Airline.

Mary Wells von der Werbeagentur Jack Tinker Agency hatte die grandiose Idee den italienischen Modedesigner Emilio Pucci, der für sein wildes Design in schreienden Farbtönen bekannt war, und den US-amerikanischen Designer Alex­ander Girard, der ebenso ein Fan von gewagten Farben, Formgebungen und Muster war, für die Umgestaltung des Designs zu engagieren. Der erste Kampagnenslogan lautete „The end of the plain plane“ („Das Ende des gewöhnlichen Flugzeugs“). Und die Geschichte der Airline begann: Girard liess die bisher silbergrauen Flieger in poppigen Farben streichen, gestaltete bunte Flugzeugkabinen und sämtliche Details darin – vom Geschirr bis hin zu den bedruckten Zuckerpäckchen. Er entwarf knallrote Ticket-Schalter, bunte Lobbys und Club-Lounges, in denen organisch geformte Möbelstücke von Charles und Ray Eames ein hochmodernes Flair verbreiteten.

Die Stewardessen wurden bei Braniff in „Hostessen“ umgetauft und hatten allesamt Modelpotenzial. Die Ladys durften nicht älter als 27 Jahre alt sein, dazu ledig und ohne Sehschwäche, Brillen waren verpönt. Mit top-aktuellen Haarschnitten und grellem Make Up wurden sie in extravaganten Outfits von Pucci auf die Kundschaft losgelassen. Pucci ist natürlich seinem Stil treu geblieben und hatte nicht mit Farbe gespart. Die Outfits der Hostessen bestanden aus knallgrünen Mäntel mit orangegrünen Stiefeln, himbeerfarbene Mini­röcke, hellblaue Hosenröcke und wild gemusterte Kopfbedeckungen. Der absolute Knaller waren die sogenannten „Space Bubbles“, durchsichtige Helme, die die Frisur der Hostess beim Weg vom Rollfeld ins Terminal vor Wind und schlechtem Wetter schützen sollte. Die hübschen Hostessen waren für ihren Service berühmt. Sie benahmen sich eher wie gute Freundinnen und nicht wie Dienstleister. „Weiß Ihre Frau, dass Sie mit uns fliegen?“ hieß ein weiterer Braniff-Slogan von 1966. Ehefrauen wurden durch den Werbefilm „The Air Strip“ nervös, in dem gezeigt wurde, wie die Braniff-Hostessen sich während des Fluges nach und nach entblättern. Allerdings kamen sie nie bis zur bunten Pucci-Unterwäsche Unterwäsche, ob gewollt oder weil es zu viele Klamottenschichten waren (wie im Art Magazine gemutmaßt) sei dahingestellt.

Das neue Image und die Werbekampagne waren so aufsehen-erregend und erfolgreich, dass Braniff bereits nach wenigen Monaten die Passagierzahl um etwa 40 Prozent steigern konnte. Im Jahr 1968 eröffnete die Airline auf dem Flughafen von Dallas den bis dahin futuristischten Terminal – sogar die Decke im Foyer war verspiegelt. Die Möbel im Terminal stammten von zeitgenössischen Interieur Designern wie Harper, Phillip George, Alexander Girard, Herman Miller und Charles und Ray Eames. Alle Zeitungen berichteten damals über Braniff. Mitarbeiter der Airline waren so stolz für das Unternehmen arbeiten zu dürfen.

Ein weiterer Clou war eine Werbekampagne in der man Prominente in Braniff-Fliegern skurrile Dialoge führen ließ, die immer mit dem Satz „When you got it – flaunt it“ endeten (bedeutet in etwa: „Wenn du es hast, protze damit“). Andy Warhol berichtet dem Boxer Sonny Liston von der Schönheit von Suppendosen, Salvador Dalí erzählt dem Baseballspieler Whitey Ford von Bällen, und Schauspieler Mickey Rooney, der bereits mehrere Ehen hinter sich hatte, erklärt dem Filmkritiker Rex Reed, das er sich gerade beeilen müsse um so schnell wie möglich zu seiner nächsten Scheidung bei Gericht aufzutauchen.

1977 wurden die Outfits von Pucci ausrangiert und gegen elegantere und viel dezentere Entwürfe aus fließenden Materialien in diversen Brauntönen vom Modemacher Halston ersetzt.
Man wollte nicht länger schrill, sondern kultiviert und zeitgenössisch wirken. Halstons Designs passten auch besser zu den neuen brau­nen Ledersitzen, die ab da in den Braniff-Fliegern ein neues Flair verbreite­ten.
Wenige Jahre später scheffelte aber das Unternehmen durch größenwahnsinnige Expansionen (z.B. Investitionen in die Concorde) extrem hohe Schulden an und musste in den 80er Jahren Konkurs anmelden. Offizieller Grund waren steigende Kraftstoffpreise und der schärfere Wettbewerb.
Ob es Braniff heute noch geben könnte, weiß ich nicht, aber ich wär‘ gerne mal mit denen geflogen …

  • Ivy
    2. Februar 2012 at 14:27

    Sehr interessant. Auch ich hab mich mal mit Uniformen im Flugbereich auseinandergesetzt, vl. wollt ihr euch das bei Gelegenheit ja mal anschauen: http://ivy.at/archives/2129

    LG

  • Therese
    2. Februar 2012 at 16:20

    Heute würde die Fluggesellschaft verklagt werden! 🙂

  • siegmarberlin
    2. Februar 2012 at 16:48

    toll, in der Pucci Ära wäre ich auch gerne mitgeflogen

  • peter kempe
    2. Februar 2012 at 17:08

    ich flipp aus und fall vom Stuhl. Wie toll ist das denn? Jedes Detail ist mega toll und wieviel Details und Liebe stecken in solchen Firmen!!!

  • blomquist
    2. Februar 2012 at 19:40

    @ Ivy: Vielen Dank – das werde ich jetzt gleich mal lesen.

  • Daisydora
    2. Februar 2012 at 20:13

    Mir geht es wie Peter, ich hüpfe vor Begeisterung im Dreieck, und das ist einer meiner weltweiten Lieblings-Berichte. Ich würde so oft wie möglich mit denen fliegen. Danke für den tollen und sehr unterhaltsamen Bericht 🙂

  • jürgen
    2. Februar 2012 at 20:41

    großartig 😉

  • Carrie
    3. Februar 2012 at 09:40

    einfach nur steil 🙂

  • HappyFace313
    5. Mai 2013 at 16:30

    Ich kann mich noch gut an die Flüge zwischen LAX und SFO mit der PSA erinnern und an die Damen in den schrillen Outfits…unbeschreiblich…GUT!!! 🙂