Allgemein

Was nun Monsieur Lacroix? Oder: Es gibt ein Leben nach der Couture

Zunächst einmal muss ich euch Horstson-Lesern erklären, weil ich ja schon ein bisschen älter bin, was ein Brieffreund ist.
In meiner Generation, als die Europäische Union noch nicht so groß war und man nicht andauernd mit dem Flugzeug für vier Tage dreizehn Stunden irgendwo hinflog, gab es, wenn man so 13 /14 Jahre alt war, das man einen Brieffreund in einem europäischen Nachbarland hatte, mit dem man sich regelmäßig schrieb, oder mit dem man regelmäßig Kontakt hatte. Einmal im Monat schrieb man sich einen längeren Brief oder tauschte Musikkassetten aus. Mein Brieffreund war natürlich in Frankreich und hieß Christian Lacroix.
Er studierte damals Kunstgeschichte, war frisch aus seiner südfranzösischen Heimatstadt Arles nach Paris gekommen und wagte nicht im Traum daran zu denken, dass er einmal Modeschöpfer werden würde – genau wie ich damals – ausser das ich wusste, dass ich Mode mochte und für Chanel schwärmte, auch noch keinen blassen Schimmer hatte, was ich mal werden wollte. Die Jahre vergingen, die Post kam regelmäßig und ging regelmäßig ab und durch den Austausch war ich über die kulturellen Tendenzen in Frankreich doch immer recht klar im Bilde.

Christian überlegte sich, ob es nicht doch zu trocken wäre, als Kustus in einem Museum zu versauern und lernte Francoise Rosenstiehl kennen – seine spätere Frau, die ihn mit den Designern von Hermès und vielen Leuten aus der Mode zusammen brachte. Er konnte wunderschön zeichnen und so machte er auch mal um Geld zu verdienen den einen oder anderen Entwurf für Hermès oder auch für andere Modehäuser. Was von Anfang an auffiel war, dass er seine feurig-farbige Heimat Südfrankreich nicht verleugnen konnte: Starke Farben, die Trachten von Arles und die feurigen Outfits der Zigeuner in Saint Marie de la Mer blitzen überall durch und auch sein historisches Kostümstudium hatte seine Spuren hinterlassen. Reifröcke, 18.Jahrhundert-Anklänge und revolutionäre Halstücher überall. Es war schon sehr sehr eigenwillig.

Das einstmals berühmte Modehaus Jean Patou (bei dem Karl Lagerfeld von 1958 bis 1960 die Couture Kollektionen entwarf) engagierte ihn 1982 und er machte sofort auf sich aufmerksam – sowas hatte die Welt noch nie gesehen. Couture Kleider wie opulente Barock-Kostüme. Taschentuch Kleider mit tellergroßen Tupfen und zwei Meter Durchmesser Hüten. Satinstiefelletten wie aus Toulouse Lautrec’s Gemälden. Die junge Gloria von Thurn und Taxis und Lucy Ferry waren sofort süchtig nach seinen Sachen.
Er bekam schon für die zweite Kollektion den goldenen Fingerhut und stand plötzlich auf dem Kalender der Vogue Redakteure und man merkte, dass er doch die Sprengkraft hatte die Couture zu verändern.

Dann kam unverhofft das verlockende Angebot: Bernard Arnault, der damals Louis Vuitton gekauft hatte und langsam anfing, kleine Luxus-Konzerne einen nach dem anderen einzuheimsen, im selben Jahr Dior gekauft hatte und langsam aber stetig sein heute allmächtiges Imperium zu begründen, fragte ihn, ob er sich nicht selbständig machen wollte. Christian hatte außer Arnault als Geldgebern seinen alten Freund Jean Jaques Picart an seiner Seite, der ein genialer Organisator war und alles was Zahlen etc. betraf, kongenial ihm helfen konnte.

Die beiden suchten Geschäftsräume und im Faubourg Saint Honore in den ehemaligen Räumen von Jaques Esterel wurden sie fündig: Das Haus hatte für Paris ganz untypischen südfranzösischen Terracotta Boden – das gefiel Christian natürlich. Die Möbel, die die beiden dafür machen liessen waren eine Revolution das französische Design-Duo Garouste und Bonetti hatten gerade den barbarischen Stil begründet, deren Stil Eigenschaften in etwa so zu beschreiben sind: Die Möbel von Höhlenmenschen treffen auf das Barock und werden von Leuchten im Stile von Giacometti und Frank beleuchtet. Es war ein sehr, sehr eigener Stil!!

Die Premiere der ersten Kollektion im Sommer 1986 übertraf alles bisher da gewesene und die Presse hatte einen neuen Helden der Mode. Der Mut ein reines Couture Haus auf zu machen – auf dem Höhepunkt der Krise dieser Branche, der unnachahmliche barbarische Stil,die fauvistischen Farben, die hunderte von Tabubrüchen machten ihn sofort weltberühmt.
Und doch war Lacroixs Stil so eigensinnig und so speziell, das er eigentlich immer eine Sonderrolle spielte. Die Sachen erfordern von einer Frau enormes Selbstbewusstsein und seine Mode steht nur intelligenten Frauen, sie ist eigentlich nie sexy sondern immer opulent und opernmässig gewesen und die zwei Saisons später begründete Prêt-à-Porter-Linie blieb immer eine Kollektion für besondere Frauen und wurde nie zum Massenstil.
Das Arnault Imperium wuchs, Christian machte eine tolle Kollektion nach der anderen und Monsieur Arnaults Dior Konzept und seine unglaublichen Steigerungsraten bei Louis Vuitton ließen sein Reich immer größer und erfolgreicher werden. Allerdings gab es die ersten Auseinandersetzungen weil ein solch individuelles Unternehmen wie Lacroix natürlich nie den Erwartungen eines solchen auf Profit ausgelegten Konzeptes gerecht werden konnte.
Es kam wie es kommen musste: Eines Tages erfuhr Christian das sein Unternehmen verkauft werden sollte – ein harter Weg folgte und Ende der neunziger Jahre wurde ähnlich wie bei Jil Sander ein Investor nach dem anderen gesichtet und keiner hatte die Ahnung wie man ein solches Unternehmen behandeln müsse.
Für Christian war das eine schwere Zeit und trotzdem litt seine Creativität nicht.
Doch irgendwie war er es satt von Finanziers abhängig zu sein oder von Heuschrecken, die sich den ganzen Luxus-Markt Untertan machen wollten.

Zwischendurch hatte er immer schon wieder zu seinen alten Wurzeln gefunden und wunderbar opulente Theater- und Opernkostüme gemacht. Für Jaques Offenbachs Pariser Leben, ebenfalls für die Opernfestspiele in Orange die jeden Sommer stattfanden.
Eigentlich erinnerten viele seine Creationen ja auch eher an Theaterkostüme.
In der Zeit sagte er einmal zu mir die Couture ist wunderbar und ich liebe sie aber vielleicht hat alles im Leben seine Phase und ich glaube die Welt und die Zeit drehen sich und vielleicht habe ich in meiner Entwicklung andere Schwerpunkte bekommen die besser in die Zeit passen.
Ende 2008 zeichnete sich dann ab das der letzte Investor der Dutyfree Ketten Betrieb keine Einigung mehr mit Christian erzielen konnte, weil die Linie die er sich vorstellte unter solchen Umständen gar nicht mehr zu halten war. Ein weiterer Grund über ein anderes Leben nach zu denken.

Ende 2009 schloss er sein Couture Haus und im letzten Jahr wurde zu Traumpreisen die Ausstattung des Hauses bei Sotheby’s versteigert. Für Nymphenburg entwarf Christian eine Porzellan Figur – diese symbolisiert für ihn das Ende seiner Couture-Decade wie er sagt. Es war sein Befreiungsschlag!!!

Christian Lacroix; Postkartencollagen

Nun konzentriert er sich auf Zusammenarbeiten mit Firmen wie Desigual aus Spanien, die südländischen Farben und Patchworkoptiken, die seinen Stil ausmachen, verstehen. Er wird Creativ Direktor der Monnaie de Paris und entwirft Medaillen und Münzen, organisiert Ausstellungen für Museen und am 15.Januar hatte in Köln die Oper Aida von Guiseppe Verdi Premiere wo er die Kostüme und das Bühnenbild schuf. Für dieses Jahr sind noch mehrere Opern in verschiedenen Städten angesagt so Madame Butterfly in Hamburg und viele freie Projekte.
Christian genießt seine Freiheit nach dem unendlichen Rhythmus der Kollektionen und ist dort angekommen wo man eigentlich hin möchte. Ich fand seinen Satz sehr schön: Freiheit sind die Grenzen die man sich selbst steckt!!!
Der große Erfolg den er ein Leben lang gehabt hat, hat ihn beflügelt aber teilweise auch gelähmt. Er ist dort angekommen wo er sich wohlfühlt und ich bin sehr gespannt auf seine Projekte.
Christian Lacroix ist einer der warmherzigsten Menschen die ich kenne und ich habe in meinem Leben viel von ihm gelernt – wir kennen uns dreißig Jahre und ich bin gespannt wo das Leben uns noch hintreibt.
Übrigens haben wir es mal mit mailen versucht aber nach wie vor,ganz unmodern, schreiben wir uns jeden Monat einen handschriftlichen Brief auf schönem Papier oder er bastelt mir auch oft Collagen auf Postkarten. Es ist toll wenn man den Briefkasten aufmacht und wieder neues vom Anderen erfährt-

Ich freue mich auf Deine Briefe Christian Lacroix und deine tollen Projekte.

  • blomquist
    7. Februar 2011 at 15:09

    Wunderschön!

    (Desigual macht mir aber trotzdem ANGST!)

  • siegmarberlin
    7. Februar 2011 at 15:13

    @ Peter

    sehr, sehr gelungener Artikel, auch ich habe tatsächlich noch eine Brieffreundchaft die aus Mitte der 80 er stammt, auch muss ich feststellen, das ich mit wirklich engen Freunden und diese auch mit mir, immer noch handgeschrieben kommuniziere ( natürlich auch mal mailen ). Ich find es ein schönes Zeichen wenn man handgeschriebene Briefe auf schönem Papier bekommt. Dafür habt ihr doch in HH die wunderbaren Länden von Frau Bethge u. Frau Schober ( mittlerweile auch in Berlin ).
    wie Rob schon meinte, scheint ja ein netter Kerl zu sein, habe mich leider nicht sehr für Lacroix interessiert.

  • peter kempe
    7. Februar 2011 at 15:21

    @blomquist
    stimmt ich mag die sachen auch nicht!!!

  • Daisydora
    7. Februar 2011 at 15:43

    Das ist der wunderwunderwunderschönste Bericht, Peter! Ich mochte Lacrox immer und freue mich sehr darüber, dass ihr Beide euch habt und du uns daran teilhaben lässt. Ich bin immer innerhalb von 10 Sekunden ganz in Paris, wenn du sowas schreibst 🙂

  • peter kempe
    7. Februar 2011 at 17:22

    @ daisy
    tausend dank ich bin tiefrot!!ich habe von diesem mann soviel gelernt und er hat mich so inspiriert das ich das gar nicht sagen kann.und das tollste ist das der wirklich ein feiner kerl ist total down to earth.aber das sind ja richtig gute leute eh:-)))tolles kompliment daisy und das von dir doppelt schön.

  • Daisydora
    7. Februar 2011 at 20:37

    @Peter

    Bitte, gerne, da gibt es nichts zu danken… ich schätze das sehr, wenn man schon beim Lesen merkt, dass Respekt und Bewunderung vorhanden sind, für das Können und die Leistungen Anderer, auch wenn man selbst nicht gerade zu den Unbegabtesten zählt …. deine Berichte zu französischen Themen sollte das Maison De France echt als Fremdenverkehrswerbung anerkennen :-))

  • Modepilotin
    9. Februar 2011 at 15:34

    Sehr schöne Geschichte, Danke! Den Werdegang eines Designers per Brieffreundschaft zu verfolgen, ist etwas ganz Besonderes; die Sichtweise eine viel schönere. Mich würde mal interessieren, wie frei er bei Desigual ist. Er befürchte, dass es kein Freiheitsschlag ist, für Desigual zu arbeiten. Das Ergebnis überzeugt mich jedenfalls nicht.

  • Modepilotin
    9. Februar 2011 at 15:35

    Entschuldigt: Nicht „Er“, sondern ICH befürchte, dass es kein Freiheitsschlag ist,…

  • peter kempe
    9. Februar 2011 at 16:20

    @modepilotin

    desigual gefällt mir auch nicht aber die freiheit liegt ja darin so etwas einmal zu machen und die freiheit ergibt sich aus der vielfalt der verschiedenen projekte.ich find die firma eh blöd mich musst dud a nicht fragen.

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    13. Februar 2011 at 10:04

    […] Sie hat auf jeden Fall das passende Outfit für uns rausgesucht 5) Was nun Monsieur Lacroix? Diese Frage stellte Peter seinem Brieffreund Christian Lacroix und siehe da: Es gibt ein Leben nach der Couture 3) Für den Lacher der Woche sorgte Anna dello […]