Haute Couture

Wahre Werte – CHANEL Haute Couture Frühling-Sommer 2016

Bild: Olivier Saillant

Karl Lagerfeld präsentierte am Dienstag im Grand Palais eine der schönsten CHANEL Haute Couture-Schauen der letzten Jahre. Es war seine Reaktion auf eine Welt, die sich immer schneller dreht. Gleichzeitig lieferte Lagerfeld seine Antwort auf die politischen Krisen: Die Entschleunigung und die Rückbesinnung auf die nordische Klarheit – immer unter Berücksichtigung der Codes des Hauses.
Das Dekor der Show, ein großer Schrein aus Naturholz, gab erst zum Ende der Show sein Geheimnis preis: Ein zur Entspannung einladender Grasgarten, der einen mit Wegen aus Naturholz abschalten und die Hektik vergessen ließ.
Was viele der jüngeren asiatischen Besucher, die eine neue Generation der Couture-Kundinnen bilden, für einen japanischen Zengarten hielten, war eine Hommage an den Norden mit seinem endlos blauen Himmel und die große Liebe von Karl Lagerfeld zu Dichtern wie August Strindberg und Henrik Ibsen.
01_Chanel_HC_PE16
Bilder: Karl Lagerfeld

Das Bild der Pressemappe, Lindsey Wixson mit altmodischer „Aufschlag Frisur“ und den Bienenbroschen aus Strass, erinnerte einen an Strindbergs Drama von „Fräulein Julie“. Lagerfelds Initialzündung für die Frisur und das Make-up lieferte hingegen jemand anderes: Picassos grandiose Büste seiner Geliebten Marie-Thérèse Walter, der er das erste Mal 1927 in den Galeries Lafayette begegnete.
Keiner kann so grandios in seinen Inspirationen kulturgeschichtliche Brücken schlagen und gleichzeitig aus der Verbindung der Wurzeln etwas völlig Neues und Visionäres schaffen, wie Lagerfeld. Vielleicht knüpfte er mit seinem Farbkonzept auch an die Zeit an, in der Coco Chanel als die „Queen of Beige“ galt, wie Lagerfeld selbst nach der Show im Interview äußerte. Warme Naturtöne, Champagnernuancen, Sorbetfarben, Marine, Weiss und Schwarz – alles Klassiker aus den Zwanzigern und gleichzeitig die Lieblingsfarben der Jahrhundert-Couturière.
02_Chanel_HC_PE1603_Chanel_HC_PE16
Bilder: Karl Lagerfeld

Dass wir gerade jetzt die Langsamkeit und die Rückkehr zur Natur spüren, wird in dieser „Écologie de luxe“-Couture von Lagerfeld par excellence manifestiert. Das Umweltbewusstsein durchaus zum Träumen anregen kann, schließt sich bei ihm nicht aus und außerdem ist Couture ja schon aufgrund seines Handwerks per se nachhaltig.
04_Chanel_HC_PE1605_Chanel_HC_PE16
Bilder: Karl Lagerfeld

Diesmal ist Lagerfeld von der Silhouette ausgegangen – die Schultern spielen mit Volumen und weiten Ärmeln auf klassischen, kurzen Jacken. Dazu weit schwingende Hosen und lange Röcke, die hinten geöffnet sind oder angesetzt etwas mehr Weite zeigen und so den Komfort nicht beengen. Weit schwingende Kuppelröcke – zu kurzen, mit halsfernen Revers oder Spatenkragen – zeigen eine feminine, fast züchtige Silhouette. Schleifen, Bienenstickereien und Broschen untermauern das Naturthema. Holzplättchen-„Stickereien“, gestrickte und „überstickte“ Holzperlen werden als Überwürfe getragen. Ein Highlight sind auf jeden Fall die Strukturen, die aus der Natur entnommen wurden, wie feine Schuppen und Muster, die an Insektenflügel erinnern, die Korb- & Raffia-Strukturen und Federoberflächen bei Vögeln. Kleider, die komplett appliziert sind, als wären sie in die frischen Hobelspäne einer Schreinerei gefallen, verwandeln sich in hochelegante Abendroben. Dazwischen in Honanseide Chanels geliebtes „Kammerzofen“-Kleid mit weißem Kragen und das Marinekostüm, das sie in keiner Kollektion ausließ. Lagefelds Reminiszenzen sind charmant und gekonnt …
06_Chanel_HC_PE1607_Chanel_HC_PE16
Bilder: Karl Lagerfeld

Nichts scheint für Lagerfeld unmöglich und doch stellt er gleichzeitig große Herausforderung an die Ateliers, die Saison für Saison neue Techniken und Optiken entwickeln. Der klassische zweifarbige CHANEL-Schuh wird zu Korkplateau-Wedges, die in zu den Kostümen und Kleidern korrespondierenden Stoffen von Massaro ausgeführt sind. Als Accessoires überrascht ein neuer Clou von Karl Lagerfeld: Eine Tasche für Smartphones, die an schmalen Gürteln getragen wird. Mal aus Holz, mit Stoff bezogenem Leder oder bestickt mit kleinen Insekten – eine Tasche, die wir hoffentlich auch später im Prêt-à-porter wiederfinden, denn schon während der Show wurde die Begehrlichkeit bei vielen Besuchern der Show laut.
08_Chanel_HC_PE1609_Chanel_HC_PE16
Bilder: Karl Lagerfeld

Das herausragendste Merkmal der Couture sind aber die Materialien, die ungeheuer delikat – besonders bei Blusen, Röcken und Kleidern – gegeneinander kombiniert sind.
Diesmal waren besonders die Plissees, die bei Chiffon in Sonnen-, Pfauen- und plastischen, fast schon an Origamimuster erinnernder Raffinesse den fragilen Stoffen Volumen verleihen, augenscheinlich. Der festere Organza wird durch eine besondere Technik, die durch Hitze und Wasserdampf haltbar gemacht wird, sogar zu Capes, die an Lampions erinnern, und skulpturalen Boleros verwandelt.
chanel-spring-summer-2016-haute-couture-backstage-00
Bild: Courtesy of CHANEL

Die Abendkleider mit raffinierten Dekolleté- oder Neckholder-Lösungen, im Stil der 1930er-Jahre, dazu Abendpyjamas mit kleinen Schleppen und darüber Capes, weit geschnittene Boleros aus bemalten und mit Strass besetzen Organza. Bestickte Jacken und „Farah Diba“-Oberteile über einer losen, körperumspielenden Reihe von Satin-Charmeuse-Kleidern, die entweder mit Rückeneffekten spielen oder darunter offene Dekolletés zeigen.
chanel-spring-summer-2016-haute-couture-backstage-10
Bild: Courtesy of CHANEL

Höhepunkte der „Ode an die Natur“ war ein für Coco Chanel typisches Kleid in Schwarz, mit gebauschten und mit aus Federn gestickten Bienen auf den Ärmeln, wie sie es selbst gern auf den Bällen des Grafen Étienne de Beaumont trug.
Sehr schön auch die gestickten Blumen und die ländlich anmutenden Perlmutt-Knospen im Stil von Marie Antoinette und ein Etuikleid, das mit Vögeln aus winzigen Holzperlen bestickt wurde.
„Strickröcke“ in gewebter, grob wirkender natürlicher Raffia-Optik werden reizvoll mit „Art déco“-Mustern versehenden Chiffon-Tops kombiniert. Die Natur stellt immer grobe und feine Strukturen nebeneinander und lässt Ungewöhnliches entstehen.
02_SS 2016 HC - FINALE PICTURES BY OLIVIER SAILLANT
Bild: Olivier Saillant

Die Braut, mit der Karl Lagerfeld, ganz in der Tradition, wie es früher bei jeder Couture Show üblich war, seine Sternstunde im Grand Palais beendete, läutete das grandiose Finale ein. Untermalt wurde der Gang durch die Musik von Michel Gaubert mit „The Chairman Dances“ von John Adams und „Take me to your Heart“ von den Eurythmics. Wie in einem überdimensionalen Setzkasten öffnete sich das hölzerne Haus und die grandiose Kollektion wurde in ihrer ganzen Vielfalt noch einmal sichtbar.
Übrigens lohnt es sich diesmal, das Video der Präsentation, was am Ende des Artikels zu sehen ist, mehrmals anzuschauen. In jedem der 73 Looks sind unzählige Details und eine unglaubliche Vielfalt von Materialien zu entdecken. Außerdem zeigt Lagerfeld viele Dinge, die genau das Genre der Couture ausmachen. Die „Falbalas“, die raffiniert gebauschten und plissierten Rüschen-Effekte, für die Mademoiselle Chanel schon in den dreißiger Jahren so bewundert wurde, die ihre Näherinnen und Direktricen wie kein anderes Haus ausführen konnten.

Strindbergs „Couture Frauen“ von CHANEL setzen einen neuen Maßstab der Eleganz. Sie sind sehr sophisticated und selbstbewusst – „genau das richtige Zeichen der Entspannung und der Ruhe“, wie Lagerfeld selbst sagt. „Nach den ganzen Geschehnissen der letzten Monate …“

  • Markus
    29. Januar 2016 at 13:48

    F A N T A S T I C, no more words

  • Elke Kempe
    29. Januar 2016 at 14:39

    Ein Teil hübscher als das Andere,Steigerung kaum möglich!!

  • Martin
    29. Januar 2016 at 15:59

    Toller Beitrag!

  • HappyFace313
    30. Januar 2016 at 00:11

    🙂 Tolle Kollektion!
    Toller Post!
    Liebe Grüße nach Hamburg 🙂

  • Die Woche auf Horstson – KW 04/2016 | Horstson
    31. Januar 2016 at 20:34

    […] im Grand Palais: Strindbergs „Haute Couture Frauen“ von CHANEL setzen einen neuen Maßstab der Eleganz. 3) Jan sagte uns, was sich gehört: Flume, Maluca und Pleasure Beach zum Beispiel. 4) […]