Allgemein

Last Exit Otto?

Findet das perfekte Model endlich ein Topmodel?
Da kämpfen wir uns seit Jahren durch diese öden Staffeln von Germany’s Next Topmodel, nur am Leben gehalten, durch die Fantasie, man könnte sowas auch ganz anders, auf jeden Fall besser machen – und dann kommt das: Das Topmodel Karolina Kurkova und das beinahe Topmodel, Eva Padberg, suchen seit gestern für VOX nach dem Perfekten Model. Immerhin, das Wort Topmodel wird im Titel der Sendung nicht weiter strapaziert. Vielleicht auch, weil man damit argumentiert, das Format als eine Art Dokumentation des Berufsbildes angelegt zu haben und dazu würde nicht passen, dass man so tut, als könnte man Topmodels mal eben so aus der Masse hübscher und halbwegs gerade gewachsener, dünner Mädchen casten.
Man will sich also von dem bekanntermaßen als Showformat angelegten großen Bruder, Germanys Next Topmodel, made by Heidi Klum, durch realistische Bilder aus dem Berufsalltag abheben. So viel habe ich verstanden, gelungen ist das in der ersten Folge nicht.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Keines der Mädchen in dieser Staffel hat das Gewisse Etwas, ohne das man weder in eine der großen und guten Agenturen in Paris, noch in eine dieser Gewichtsklasse in New York, reinkommt. Und ohne die Betreuung einer dieser Agenturen wie nur zum Beispiel dna-Models in New York oder IMG in Paris oder New York wird man heute in aller Regel kein Topmodel. Damit wir uns da aber ganz richtig verstehen: Da sind schon einige sehr gute Mädchen drunter, die durchaus gut als Model arbeiten können und mich nicht so genervt haben, wie die offensichtlich nach ganz anderen Gesichtsunkten ausgesuchten Mädchen bei Heidi. Aber realistisch wirkt das trotz der tatsächlichen Branchen-Erfahrung der alten Hasen Karolina Kurkova und Eva Padberg, bisher nicht.
Was mir bei all diesen Formaten fehlt, ist die Ansprache zur Lage der Nation, ganz zu Beginn: Man muss den Mädchen, die sich alle nur ihren Traum erfüllen wollen und vor allem deren Eltern und Umfeld und der Öffentlichkeit mal sagen, dass es für ein überdurchschnittlich hübsches Mädchen wahrscheinlicher ist, als Neurochirurgin Leben zu retten oder von einem Milliardär geheiratet zu werden, als ein echtes Topmodel zu werden. Nicht etwa deshalb, weil die Mädchen, die sich heute Topmodel nennen dürfen, alle hübscher als Eva’s und Karolina’s Kandidatinnen wären. Gewiss nicht. Aber in dem Beruf braucht man Bruttoregister-Tonnen Glück und es zählen Dinge, die der Laie nicht weiß.
Wie sieht das Gewisse Etwas aus und wie erkennt man, ob es vorhanden ist? Warum sieht ein weniger symmetrisches und hübsches Gesicht oft auf dem Foto viel besser aus, als ein unsäglich hübsches, geradezu perfektes Gesicht? Warum müssen Topmodels nicht nur jung sein, sondern dann auch noch jünger aussehen, als sie sind? Wie perfekt müssen Haut, Haare, Zähne und andere Merkmale sein? Warum werden nicht immer die besten Mädchen von den Top-Fotografen entdeckt?
Man könnte diese Liste der Fragen noch um einige erweitern, aber wir arbeiten erst mal diese wichtigsten Punkte ab, da die Antworten darauf sehr zum besseren Verständnis des Berufsbildes mit all seinen Ungerechtigkeiten und Unerreichbarkeiten beitragen.
Alles hängt daran, dass das, was die Kamera sieht und festhält, in aller Regel ganz anders aussieht, als das, was wir an schönen Mädchen in Natura sehen. Naturschönheiten sehen auf Fotos oft langweilig aus, oder wie Missen. Da muss schon was sein, was dem perfekt-schönen Look Ecken und Kanten verleiht, ohne das Bild gleich zu stören. Man kann das auch nicht erklären, das erkennen ohnehin nur Fachleute, die allerdings auch dafür verantwortlich sind, in welche Richtung das Schiff jeweils in einer Saison fährt. Es kommen ja heute auch Mädchen zum Zuge, die zwar hauchdünn sind, aber objektiv betrachtet nicht wirklich schön sind. Die Schauen sind voll damit. Irgendwann hat einer Gefallen daran gefunden, ich glaube, es war Karl Lagerfeld, mit Models wie Freya Beha Erichsen, einen immer androgyneren Typ Model als Topmodel zu lancieren. Und was solche Branchengurus verkünden, das gilt auch. So ist es heute Gang und Gäbe, dass papierblattdünne Mädchen mit x-Beinen, die irgendwie alienesk wirken, Couture-Kleider für 200.000 Euro vorführen.
Mich stört neben den abstrusen Figuren daran am meisten, dass diese Mädchen oft keinen guten Gesichtsausdruck haben und daher für Kampagnen schlecht oder gar nicht geeignet sind. Unser Ausgangsunkt war ja die Kamera, die nun mal sieht, was sie sieht. Und nicht jeder schöne Mensch ist im selben Maße fotogen und schon gar nicht telegen. Daran kann man nichts machen, das kann man nur so hinnehmen.
An den Mädchen auf VOX fiel mir auch auf, dass neben der Tatsache, dass viele für den Einstieg in diesen Beruf ohnehin zu alt sind, leider durch die Kamera noch ein wenig älter wirken. Alle internationalen Topmodels wirken aber jünger, als sie sind. Durch dramatische Make-Up’s und elegante Klamotten wirkt man einfach um Jahre älter und das ist auch schon das ganze Geheimnis, weshalb Models unbedingt sehr jung aussehen müssen.
Wer einmal eines der wirklich tollen Topmodels in Natura und Lebensgröße vor sich hatte, der weiß, wie perfekt, perfekt genug ist. Man hat nicht einfach schöne Haare zu haben, das muss eine Traummähne sein. Die Haut muss porenlos, rein und wunderschön sein. Der Hals eher überlang, die Zeiten sind lange vorbei, in denen man mit dem Hals von Helena Christensen eine Topmodel-Karriere machen konnte. Klingt alles sehr seltsam, zugegeben, aber die Branche ist auch total irre und völlig unberechenbar … streng genommen, hat Eva Padberg, die eine wesentlich bescheidenere Karriere als Model aufs Parkett gelegt hat, als Karolina Kurkova, eine wesentlich schönere und interessantere Gesichtsstruktur, als diese. De Facto hatte Karolina das Glück, durch ihren sehr artifiziellen Look, schon als Sechszehnjährige auf dem Cover der US-VOGUE zu landen und so ging es dann auch zehn Jahre munter weiter …
Karolinas Augen liegen relativ eng beisammen und ihre Kieferform ist streng genommen auch etwas gewöhnungsbedürftig, aber es hat bestens geklappt, da sie sagenhaft fotogen ist und auf den Fotos schon zu Beginn ihrer Arbeit als Model viel Esprit und eine elegante sexyness rüberbrachte.
Ihr merkt schon, das Versprechen dieses Formats, wir suchen, finden und machen ein Topmodel, ist schlichtweg nicht einzuhalten. Und wieder werden viele Lebensträume von Mädchen platzen.
Man muss es also so sehen: Am Ende landen einige von denen bei guten deutschen Agenturen, deren Kunden auch mal Katalogjobs zu vergeben haben, die ohnehin viel lukrativer sind, als das Cover der VOGUE, ein Editorial mit Steven Meisel, die Kampagne für die Klamotten von Calvin Klein oder eine der für New Faces leider gar nicht oder schlecht bezahlten Schauen in Paris, New York, Berlin, London und sonst wo …
Last Exit Otto, ist mitunter nicht das schlechteste im Modelbusiness!
Karolina und Eva machen das ganz nett, nerven weniger als Heidi, da sie den Ball flacher halten, sind allerdings auch keine leuchtenden Sterne am Moderatoren-Himmel … auf jeden Fall sind beide zu dünn. Eva nur leicht und Karolina erschreckend. Ich habe sie so dünn noch nie gesehen. In den Kommentaren auf LesMads habe ich gelesen, Karolina wäre 1,80, das stimmt, und würde 60 Kilo wiegen, das ist weit daneben. Karolina ist eher schlacksig und nicht sehr muskulös, wiegt, wenn es hoch kommt 50 Kilo und kann in Größe 34 vom Zehnmeterbrett rein springen.
Tragisch, als Mutter eines Kindes, mit einer solchen Karriere, die sich aber ganz sicher nicht wie die von Kate Moss und anderen beliebig verlängern lässt, und leider gar kein gutes Beispiel für all die heulenden und quietschenden Mädchen, die an den Lippen der Neo-Moderatorinnen hängen.

Bilder: VOX

  • Horst
    1. Februar 2012 at 14:09

    Am schlimmsten fand ich die Tingel-Tangel-Transe und das in Deutschland bekannte Topmodel 🙂

  • Sue
    1. Februar 2012 at 14:18

    In manchen Punkten stimme ich dir zu (der Mann war nur für das Entertainment, das hätte nicht sein müssen), aber, dafür dass es eine TV-Show ist finde ich folgende Punkte schon einmal besser als bei GNTM: 1) keine quietschige Heidi, sondern sympathische Models, die auch wirklich schon viele Laufsteg-Jobs gemacht haben, 2) Karolina Kurkova sagt einem Mädel mit muskulösen Armen, dass es nicht als Model arbeiten kann und man als Model spindeldürr sein muss(bei Heidi kamen auch Mädels weiter bei denen sofort ersichtlich war, dass sie nie in die Muster der Designer passen), 3) ein paar Mädels haben meiner Meinung nach echtes Model-Potential (sie haben ja auch (noch) nicht versprochen, dass das Model die nächste Gisele werden soll. Die erste Std der Show fand ich eindeutig besser als die zweite – dann wurden schon die typischen TV-Show-Sachen abgefeiert. Trotzdem würde ich es nicht zu sehr verurteilen: es hat mich zumindest nicht so sehr genervt wie GNTM und vielleicht sagen sie ja noch wie es im Model-Business abläuft.

  • Hani
    1. Februar 2012 at 14:20

    Wow, nachdem ich das alles gelesen habe, bin ich sprachlos.
    Was für ein Wissen und Wortschatz :‘) … finde es wirklich wunderbar wenn ich auf Einträge stoße, wo ich was auch erfahre und mein kleiner Horizont um einen anderen Winkel gelenkt wird.
    Das ist heute der zweite Blogeintrag den ich zu diesem Thema gelesen habe und was für ein Unterschied zwischen den Inhalten liegt. Aber dankge für den tiefen Einblick :> freue mich auf die nächsten Einträge 😀

  • Daisydora
    1. Februar 2012 at 15:24

    @Sue

    Ich mag beide Moderatorinnen als Persönlichkeiten sehr gerne und stimme dir insbesondere bei dem Vergleich mit den überaus nervigen Merkmalen von GNTM voll und ganz zu, obwohl Heidi heute auch schon besser und erträglicher als zu Beginn des Formats ist.

    Und sicher ist man in dieser VOX Castingshow mehr auf dem Teppich und ehrlicher, das sehe ich auch so. Ich wollte nur darstellen, wie rau die Wirklichkeit ist und wie wahnsinnig viel Glück man braucht. Als normaler Zuschauer, der sich unterhalten will und sehr hübsche Mädchen sehen will, die es ja zugegebenermaßen zu sehen gibt, weiß man das ja nicht …..

    Wir werden ja sehen, wie viel Realität man am Ende einfangen konnte. 🙂

    @Hani

    Vielen Dankm, wie nett von dir, ist aber keine Kunst, wenn man mal einige Jahre in dieser Branche verbracht hat.

    Wir finden, man kann das als Mädchen oder Erwachsener gerne als Unterhaltung genießen, soll aber bitte nicht glauben, dass der Beruf auch nur in Spurenelementen irgendwas mit Träumen, die man sich als sehr hübsches und dünnes Mädchen erfüllen kann, zu tun hat. 🙂

  • Daisydora
    1. Februar 2012 at 15:26

    @Horst

    Den Auftritt hätte man sich schenken sollen …. bei Eva Puadberg bin ich nicht ganz so streng wie du… 😉

  • siegmarberlin
    1. Februar 2012 at 15:53

    sehr guter Artikel, ich habe es nicht gesehen und werde es mir nicht ansehen. Eva Padberg habe ich mal auf einer Fashion Week kennengelernt, da fand ich sie schon sehr gut. Auf dem Punkt gebracht sind die äusserlichen Anforderungen. Nadja Auermann hatte ich mal auf einer Veranstaltung getroffen, die war klasse und entsprach dem was du geschreiben hast.

  • Sue
    1. Februar 2012 at 18:05

    @Daisydora: Klar, haste auch super geschrieben 🙂 wollte nur meinen Senf dazu abgeben. Liebe Grüße

    P.s. Realität – da dürfen wir mit dem TV nicht zu kritisch sein haha

  • Daisydora
    1. Februar 2012 at 20:43

    @Siegmar

    Ich danke dir … ich denke über Eva und Nadja wie du … Nadja war ja so was wie die Urmutter der heutigen Models mit artifiziellem Look, nur viel schöner und besser …kaum ein Model hat so schöne Kampagnen gemacht wie sie,inklusive denen mit Helmut Newton ..

    @Sue

    Danke, ich verstehe das schon und erwarte wie du nur Unterhaltung und nettere Dialoge als bei GNTM 🙂

    Liebe Grüße

    Daisy

  • thomas
    2. Februar 2012 at 12:57

    Ein sehr spannender Text auf hohem Niveau. anschauen werde ich es mir trotzdem nicht

  • Daisydora
    2. Februar 2012 at 20:18

    @thomas

    Merci 🙂 …

  • Rheinlaender
    5. Februar 2012 at 11:31

    …“all die heulenden und quietschenden Mädchen…“ trifft es am besten auf den Punkt, und mich nerven die ach so persönlichen Betroffenheits-Hintergrundstories enorm. Diese „Tingel-Tangel-Transe“, die es in Kreuzberg besser in jeder durchschnittlichen Bar gibt ist komplett überflüssig und die nahezu devot-ergebene Menge der Freizeitmädchen mit Modelflausen im Kopf ist eine komplett austauschbare Masse…