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‚Tofu ist schwules Fleisch‘ Kampagne sorgt für Skandal

An die Talkshow kann ich mich nicht mehr erinnern, aber daran, dass Jean Remy von Matt erzählte, dass seine Agentur Jung von Matt damals rund eine Million Euro für die Teilnahme an internationalen und nationalen Wettbewerben für Werbeagenturen ausgebe. Das ist viele Jahre her aber die Wettbewerbe und deren Auswirkungen gibt es heute noch.
Für die zwei bis drei unter euch, denen ein Job in der Werbung bisher nicht zugestoßen ist, folgende Erläuterung: Weil man für richtige Kunden nur Kampagnen entwickeln kann, von deren durchschlagender Wirkung diese überzeugt sind, gibt es seit gefühlten hundert Jahren den Streit darum, warum man denn keine lustige oder schräge oder einfach reißerische Werbung für deutsche Unternehmen und Marken machen könnte. Agenturen behaupten, die Kunden seien zu zögerlich und auf der Kundenseite vermisst man neben ein paar anderen Dingen die wirklich guten Ideen und heraus kommen dabei die Spots, bei denen der Großteil der Verbraucher weg zappt oder den Kopf auf Energiesparbetrieb schaltet. Na jedenfalls kann man damit bei internationalen Wettbewerben keinen Blumentopf gewinnen, einige wenige rühmliche Ausnahmen mal außen vor.

Weil Preise wie Löwen, Nägel und Ähnliches aber in barer Münze von Kunden und Interessenten zurück kommen, wird da geschummelt, bis der Arzt kommt. Das heißt, entweder gibt es dann Preise für einen kleinen Hutladen in Berlin oder eine Pommesbude in Köln, die sich weder die teuren Agenturleistungen noch die Schaltkosten leisten könnten … oder, man entwickelt Fake-Ads für echte Kunden, die man hat, die diese Werbung aber entweder nicht kennen, oder nur für den Zweck des Wettbewerbs still ab genickt haben, weil sich der Marketingdirektor auch gerne im hellen Schein eines Werbepreises sonnt. Wir Verbraucher bekommen die Werke in aller Regel nie zu Gesicht, außer, wir lesen Fachmagazine, gucken die Cannes Rolle oder kaufen die Almanache und Bücher, in denen zwischen richtiger Werbung auch viele ausgezeichnete Fakes abgebildet sind.

Und manchmal, so wie jetzt, kocht dann Jahre nach dem Erfolg das Werk als Skandal wieder hoch. Scholz & Friends Berlin hatte vor zirka drei Jahren Wettbewerbe mit dem Motiv Tofu ist schwules Fleisch für den damaligen Kunden Maredo beschickt, das nun ausgegraben wurde und endlich für Aufruhr sorgt.

Maredo bestreitet, das Motiv in Auftrag gegeben oder vorher gesehen zu haben. Das glaube ich sofort. Selbst wenn man keinen blassen Schimmer von Werbung hat, fällt einem auf: Die Idee ist grottenschlecht, der Text ist blöd und ganz sicher wirbt man für kulinarische Themen ganz anders. Wenn man als Werber irgendwas gerafft hat. Dass man schwulenfeindliche und rassistische Werbung überhaupt unterlassen sollte, kommt noch hinzu.

Das wirft schon ein mehr als bezeichnendes Licht auf die Geschäftsführung und die Vorstände der Agentur, die für mich eine sehr traurige Figur abgeben. Da wollte ich gerne Maus sein und beobachtet haben, wie geil die Herren im feinen Zwirn das fanden, sich über vegetarischen Lebensstil auf diese Weise lustig zu machen. Nach dem Motto: Wenn wir schon keine zündende Idee haben, wie man Lust auf tolle Steaks macht, dann krallen wir uns jetzt mal die bösen Vegetarier …

Wer sich gerne mit mir für die Agentur Fremdschämen möchte, dem sei auch noch das zweite Sujet gegönnt: Das Motiv zeigt ein großes Stück Fleisch auf dem Holzbrett, in das der öde Spruch „Wenn man Tiere nicht essen soll, warum sind sie dann aus Fleisch?“ eingebrannt wurde.
Oh Gott, so eine Agentur kann man nur schnell zum Mond schießen. Dem ADAC war diese Idee aber immerhin einen Silbernen Nagel wert. Sans Commentaire, kann man da nur sagen. Nicht lustig, nicht provokant, nur peinlich. Ihr schicken Werber von Scholz & Friends, so ist das in Zeiten des Internets und Sozialer Netzwerke, nichts wird vergessen, alle Sünden kommen früher oder später vor’s Jüngste Gericht. In diesem Falle geriet das alte Tofu-Motiv auf unbekannte Weise bei Facebook und Twitter in Umlauf.

Die Beteuerungen und eine Entschuldigung von Scholz & Friends erspare ich euch. Es gibt eben Dinge, die dürfen nicht passieren und wenn doch, dann weiß man, wen man vor sich hat. Und da hätte ich als Kunde viel lieber diese Werber hier vor mir. Ich vermute, da schaut immer noch einer mit Sinn und Verstand drüber, bevor so was irrtümlich rausgeht.

  • Jana Goldberg
    22. März 2012 at 16:34

    Ich war mal bei S&F. Solche Ideen nennen sie Goldideen und zu meiner Zeit musste der Kunde hinter der Kampagne sehr wohl über Sinn und Zweck einer Goldidee informiert werden.

  • Monsieur_Didier
    22. März 2012 at 19:28

    …das eigentlich wirklich dämliche (bitte netschuldigt dieses Wort, aber mir fällt gerade kein passenderes ein, das ich hier schreiben könnte) ist die Verleihung des Silbernen Nagels durch den ADC…
    die fanden das wahrscheinlich sogar witzig und mal „was ganz anderes“…
    ich bin immer noch sprachlos und auch verärgert…!

  • Daisydora
    22. März 2012 at 21:35

    @Jana Goldberg

    Huch, du warst mal On Board …. ich finde xdieses Unwesen mit den Goldideen ehrlich gesagt verzichtbar. Man kann ja auch für echte Kunden echt gute Arbeit machen … und wenn schon, dann bitte nicht so daneben … 🙂

    @Monsieur_Didier

    Das stimmt, das ist echt ein Gag. Aber das kommt daher, dass der ADC ja auch mit diesen Leuten besetzt ist, die sich dann selbst ganz toll finden … 🙂

  • Scissorella
    23. März 2012 at 07:01

    Das klingt ja alles wie in Beigbeders „Neununddreißigneunzig“. Man glaubt garnicht, daß die Realität wirklich so aussieht. Danke für den Einblick!

  • Daisydora
    23. März 2012 at 07:46

    @Scissorella

    Bittesehr … 🙂

    Teile der Realität sehen so aus … das Übel sind die Wettbewerbe und deren Schlupflöcher für Fakes ….

  • Horstson » Blog Archiv » Niveau, I Wo? – Stümpern in der Werbung
    28. März 2012 at 14:30

    […] was in der Richtung hatten wir ja erst jüngst. Da war es Tofu als schwules Fleisch aus der Feder von Scholz & […]

  • würtele
    27. August 2012 at 23:28

    Jetzt hat Turner ein Brezelplakat für die OB Wahl ausgesucht.“ Eine Hand wäscht die andere.“
    Ich finde eine schlapprige , helle Weißwurst paßt besser zu ihm , als meine geliebte Laugenbrezel.
    Mich wundert nur, wie er mit derartiger, untergürtellinieger Werbung reich werden konnte ?

  • würtele
    27. August 2012 at 23:30

    Jetzt hat Turner ein Brezelplakat für die OB Wahl ausgesucht.“ Eine Hand wäscht die andere.“
    Ich finde eine schlapprige , helle Weißwurst paßt besser zu ihm , als meine geliebte Laugenbrezel.
    Mich wundert nur, wie er mit derartiger, untergürtelliniger Werbung reich werden konnte ?