Allgemein

Tina Chow – The Fashion Collector

Sie war bekannt als eine Frau des Stils, die Frau des berühmten Gastronomen und Ruhlmann-Sammlers Michael Chow. Sie zierte nicht nur die Gesellschafts- und Mode-Seiten von Los Angeles, New York, London, Paris und Tokio, sondern sie legte auch eine der bedeutendsten Sammlungen an, die mit dem Bestand von Museen wie dem Metropolitan Museum oder dem Fashion Institute Of Technology in New York mithalten kann. Hunderte von exorbitanten Beispielen befanden sich nicht nur in ihrer Sammlung, sondern wurden auch von ihr getragen. Fashion-Experten sahen den Reiz und die Qualität ihrer Sammlung besonders darin, dass es die besten Beispiele dafür waren, die individuelle Vision und die besonderen Eigenschaften der einzelnen Schöpfer und der Häuser zu repräsentierten.

Die Chow-Kollektion umfasste die feinsten und aufwendigsten Stücke der Innovatoren der Mode – wie dem Venezianer Mariano Fortuny, Cristobal Balenciaga, Coco Chanel, Madeleine Vionnet, Charles James, Christian Dior, Jeanne Lanvin, Paul Poiret und Elsa Schiaparelli.
Durch das ständige Ergänzen und die Nähe zu den Designern der Fashion Szene der Achtziger und Neunzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts, erfasste das Ex-Model praktisch die gesamte Chronik des Modeschaffens durch Meilensteine der Kollektionen und rundete so die Sammlung immer weiter ab.
Schwergewichte der Sechziger wie Pierre Cardin sind ebenso dabei, wie Azzedine Alaia, Romeo Gigli, Sandra Rhodes oder Issey Miyake. Kultdesigner Yves Saint Laurent, Hubert de Givenchy oder Karl Lagerfeld wussten, dass, wenn sie etwas aussuchte, würden das ewig gültige Teile und Key-Items der Mode werden.

Sie zeichnete sich durch admirables Farbempfinden, absolute Stilsicherheit und vor allem den Instinkt aus, die Beweggründe und die Technik eines Kleidungsstücks genau zu erkennen. Für sie war Mode wie Architektur. Aber die Exponate wurden nicht nur einfach gesammelt, Chow ließ sich in den Teilen von den bedeutendsten Fashion-Photographen arrangieren. Sie interpretierte durch Bewegungen genau das, was ihr wichtig dran war, nämlich der Aufbau und die Graphik – dieser wie sie sagte – tragbaren Häuser.
1992 kuratierten die legendären Macher zahlreicher Ausstellungen am Fashion Institute Of Technology, Richard Martin und Harold Koda, Vreeland-Schüler und Assistenten ihrer praktisch begründeten Design-Ausstellungen (vorher wurden Modeausstellungen als nicht würdig befunden) gemeinsam mit Chow eine Retrospektive, in der besonders – so auch der Titel der Ausstellung – das Flair dieser Phantasiegebilde herausgestellt wurde.

Die Schnittzeichnungen, der Aufbau und die Konstruktion wurden den textilen Gebilden gegenüber gestellt und so wurde klar, dass Beispielsweise ein Balenciaga-Abendmantel von der Statik so ausgewogen und bemessen war, dass er der Konstruktion eines hochkomplizierten Bauwerks glich. Man wundert sich heute natürlich, mit wie viel Zeit und Akribie, teilweise über Jahre, solche Kreationen entstanden.

Chow hatte das dritte Auge dafür und meinte, dass Kleidungsstücke lebenslang wie gute Kunst oder Gemälde mit einem verschmelzen und praktisch wie ein Körperteil an einem wirken mussten. Ein Gedanke, der heute fast verloren ist, den ich aber gut nachvollziehen kann und den ich eigentlich für nachhaltig und erstrebenswert halte.

Sammeln, sagte sie einmal, ist das Universum des Wissens, um die Dinge in Gegenständen zu bewahren; und so erzählt beispielsweise das berühmte Kleid mit den aufgestickten Juwelen aus der ersten Chanel-Kollektion von Karl Lagerfeld nicht nur die komplette Geschichte Chanels selber, sondern eigentlich auch die Taktik und Technik der bis heute andauernden Revitalisierung des Stils des Hauses.
Durch ihre asiatische Herkunft hatte man bei Tina Chow ständig das Gefühl, dass sie wie mit einer Zen-Waage die Dinge auf eine Art symmetrisches Netz legte und so diese ur-europäischen und amerikanischen Kreationen neu vermaß. Aber auch hier zeigt sich die Vollkommenheit, denn auch mit diesen kulturellen Maßstäben offenbaren sie ihren Zauber auf dieselbe Weise. Mode und Perfektion sprechen also schon immer die Globalisierungs-Sprache der Kreativität und sind, wenn sie zur Vollkommenheit gelangen, wie ein weltweit funktionierender Code.

Tina Chow starb 1992 einundvierzigjährig an Aids und verbrachte ihre letzten Wochen in dem durch das Exil von Thomas Mann bekannt gewordene Pacific Palisades in Los Angeles. Ihre Sammlung wurde 1993 bei Christie’s in New York versteigert. Glücklicherweise wurden die meisten Stücke von Museen bewahrt. Es wäre sicherlich reizvoll, sie einmal wieder so zu vereinigen, wie sie ursprünglich von der Sammlerin zusammen gestellt waren, denn nur dann wird einem die Einmaligkeit dieser Kollektion und dieser bemerkenswerten Frau bewusst.

Bilder via Rodlovesyou

  • siegmarberlin
    14. März 2012 at 10:01

    ein ganz, ganz toller Artikel über eine Dame, die ich vorher nicht kannte.

  • peter
    14. März 2012 at 10:23

    @siegmarberlin

    du solltest dir unbedingt das buch“flait“antiquarisch ebsorgen rizzoli verlag new york du wirst es lieben….

  • Daisydora
    14. März 2012 at 14:16

    Aus diesem Blickwinkel hatte ich Tina Chow noch nie betrachtet …. habe die Ausstellung mit meiner Mutter gesehen und da konnte ich nicht ahnen, wann der Moment kommt, in dem ich ihren Zugang zu Mode auch verstehe … vielen Dank 🙂

  • FRED*
    14. März 2012 at 22:44

    sehr guter artikel. da sieht man gleich den kenner.
    habe ihn schon ausgedruckt und im archiv eingeordnet.
    suche schon sehr lange artikel zu tina chow. leider war
    sie vor der internetzeit und es ist daher vieles verloren
    und vergessen worden.
    manches findet man noch in alten zeitschriften.

    tolle, unglaublich schöne frau, gestorben an aids. ungewöhnlich für eine frau in dieser zeit.
    vielleicht aber auch nicht.

    FRED*

  • Horstson » Blog Archiv » Re-Post: Tina Chow – The Fashion Collector
    3. Februar 2013 at 15:55

    […] Leser werden es bemerkt haben: Am 14.03.2012 hatten wir genau diesen Artikel veröffentlicht. In Erinnerung an die wunderbare Tina Chow, die am 24.01. ihren elften Todestag […]