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Thomas, meine Freundin Max und ich…

…drei Menschen, die sehr gerne und auch einigermaßen viel lesen. Magazine, Zeitungen und natürlich Bücher. Und manchmal lesen wir eben das gleiche Buch simultan, um dann ein – naturgemäß sehr bescheidenes und an das Original nicht annähernd heranreichendes – literarisches Terzett bilden zu können. Diesmal war „Modestrecke“ (Unterwegs mit LesMads, Berliner Taschenbuchverlag) dran, das erste Buch der Modebloggerinnen Julia Knolle und Jessica Weiss. Ich wollte erst mal nicht, weil ich an sich schon Schwierigkeiten mit „Frauenliteratur“ habe, die nicht wenigstens von Literaturnobel- preisträgerinnen geschrieben wurde. Ich hielt es daher für unfair, wenn ausgerechnet ich das erste Buch zweier junger Frauen lesen und rezensieren würde. Dann hat mir aber Max, meine amerikanische Freundin, Mut gemacht, mit Mantras in der Art: Du verstehst ja Einiges von der Materie und bist im wirklichen Leben die netteste Person, die ich kenne, wenn es um junge Leute – deren Förderung und Unterstützung geht. Nun ja, ob das stimmt, darüber können wir uns mal an anderer Stelle unterhalten. Meinen Freund haben wir dazu genommen, weil er ein Mann ist und solchen Themen erstens ganz pragmatisch und zweitens mit Verstand begegnet und er darüber hinaus noch nie Nutzer von Modeblogs war… daher beide Autorinnen ein unbeschriebenes Blatt für ihn waren. Für mich sollte das Lesen von Modestrecke aber auch eine Art Therapie werden, mit der ich mir die Chance geben wollte, menschlich gewinnende und modisch interessante Seiten an beiden Bloggerinnen zu entdecken, die mir wirklich gut gefallen. Und das hat – zumindest teilweise – geklappt.

Mit 29,85 Euro, dem Kaufpreis für drei Exemplare plus einem FedEx Kurier waren wir dabei, konnten mit dem Lesen der 222 Seiten loslegen. In 56 Kapiteln, die wie kurze Aufsätze oder Berichte, abwechselnd, jeweils von einer der beiden Autorinnen geschrieben wurden, werden Modethemen aus dem Blog und dem Alltag von Julia und Jessie – durch mehr oder weniger persönliche Ansichten und Einsichten eingefärbt – in aller Kürze abgehandelt. Da geht es Jessica Weiss zum Beispiel um ihr gutes Verhältnis zur Schwarzen Strumpfhose, die auch gemustert oder aus Spitze sein darf; Darum, wie ihr Plateauschuhe Größe verliehen, um den Gretelzopf oder die schnellste Frisur der Welt (damit ist leider tatsächlich Julia Timoschenkos Drittesreichgedächtnisfrisur gemeint, der man auch an der Erfolgsautorin Charlotte Roche begegnen konnte), es geht um Mut zum Hut. Oder, auch sehr nützlich zu erfahren, dass man kalten Wintern am besten mit mehreren Schichten Kleidung, im Zwiebellook übereinander getragen, trotzen kann. Sowas nenne ich dann deutscher Film mit deutschen Untertiteln. Man sitzt im Kino, guckt den Weißen Hai und irgendeine Frau fühlt sich immer dazu berufen, laut hörbar zu sagen: Schau mal, da kommt der Hai angeschwommen… Deutschlands Modebloggerin Nummer eins erklärt aber auch, „Wieso man in Stilfragen besser nicht auf seinen Freund hört“, keine allzu große Überraschung, dass man sich laut Jessica Weiss besser nicht für seinen Freund/Mann schön machen sollte, will man doch auf keinen Fall so flittchenhaft wie Aaliyah (im Video zu Try Again) angezogen daherkommen… Ich fasse kurz zusammen: Nicht nur in diesem Kapitel wird offenkundig, wie spießig, übervorsichtig und konservativ ihr Geschmacksmuster wirklich ist. In einer Welt aus Schleifchen, stangenweise cremefarbenen Seidenblusen, semitransparenten Tops, Vintagekleidern und oversized Jacketts steht Jessica Weiss vor ihrem Kleiderschrank und berauscht sich an sich selbst. Und das ist auch das Einzige, das an ihren eher trivialen Kapiteln, in denen sie nie um einen abstrakten Ansatz, der dann möglicherweise nützliche Anregungen ergäbe, bemüht ist, ein kleines bisschen nervt und tragisch anmutet. Da schreibt jemand, der mit zarten aber aufgesetzten Hinweisen auf Selbstkritik um die Sympathie der Leser heischt – würde man nicht an so vielen neunmalklugen und dabei aber noch zum Teil falschen Modeerkenntnissen festmachen können, wie unglaublich überzeugt die Autorin in wirklich jeder Hinsicht von sich und ihrem Stilmeinungsmonopol zu sein scheint. Aber, und das ist mein Ernst, ich empfehle allen an Modeblogs als Medium interessierten Horstsonians ausdrücklich, das Buch zu lesen. Geht ja schnell und man kann danach noch besser relativieren, wie dringend die Deutsche Modebloggerszene eine inhaltliche Qualitäts- und thematische Innovationsinitiative benötigt. Fürwahr! Man kann doch nicht allen Ernstes für sich in Anspruch nehmen, den Modemarkt und seine Informationsmechanismen mit seinem Blog zu revolutionieren und dann nichts anderes bringen, als eine Ansammlung der Binsen aber auch Servicetipps , die Frau ohnehin schon in dutzenden bis hunderten Modemagazinen vorgesetzt bekommen hat. Dies sei den Autorinnen auch ins modische Stammbuch geschrieben. Die Eine, Jessica Weiss, entzaubert sich für mich gründlich, die Andere, Julia Knolle, gewinnt in meinen Augen und ich verstehe nun besser, dass sie sich und das Modebloggen nie so ernst genommen hat… und, es gibt eine Reihe von nett und persönlich geschriebenen Kapiteln darin, in denen Charme bei der Autorin aufblitzt, die es versteht, ihren Zugang zu Mode so zu beschreiben, dass klar wird, sie liebt Mode, es gibt für sie aber Wichtigeres als Mode und sie kennt auch die Welt außerhalb des Kleiderschranks. Was mich davor gerettet hat, Modestrecke bereits nach einigen Seiten wieder weg zu pfeffern, waren ihre auflockernden Kapitel, in denen sie auch mal abstrakter an Modethemen herangeht. Zum Beispiel in dem Kapitel „Warum die meisten von uns besser die Finger von Overalls lassen“ oder „Von James Dean bis Indiana Jones – warum Chinos am Ende doch Männersache sind“… Es liest sich netter und dient der Sache besser, wenn der Fokus nicht nur auf der Nabelschau liegt. Aber wirklich dazulernen kann man als erwachsene Frau mit Affinität zu Mode nichts. Das muss auch gesagt werden. Im Gegenteil: Jedes auch noch so herkömmliche Mainstream-Modemagazin hatte alle Erkenntnisse und heißen Tipps der beiden Modebloggerinnen auch schon auf dem Zettel beziehungsweise mehrmals im Heft. Die Rede ist hier von Magazinen wie der Petra, der Freundin, der Brigitte… die ihren Lesern auch Bilder zu dem liefern, worüber berichtet wird… Modestrecke wurde von Silke Werzinger – ganz nett, aber eben auch nicht wirklich stilprägend – illustriert, enthält aber keinerlei Fotos als Beispiele. Und dieses modernistisch daherkommende Gekritzel neben oder im Text hätte man sich glaube ich schenken können. Das muss man, so man sich dazu entscheidet, konsequenter machen und vor allem mit wirklichem Sinn und Zweck erfüllen. Was mochte ich am liebsten? Eindeutig die schwärmerischen Texte zu Charlotte Gainsbourg, Tilda Swinton, Juergen Teller, die Kapitel „Kurze Haare oder warum Kate Lanphear ein Genie ist“ und „Clemence, Lou und Audrey: Das Geheimnis der schönen Französinnen“ und das wirklich nette und selbstironische Kapitel „Wie ich meinen Stil fand und was das mit den Ohrringen zu tun hat, die mir mein Vater schenkte“, dieses und alle davor erwähnten Kapitel, geschrieben von Julia Knolle. Die, und hier kommen beide Mitrezensenten ins Spiel, am Umgang mit Sprache mehr Freude hat und diese – in literarischer Hinsicht betrachtet – auch deutlich besser beherrscht. Es wirkt ein bisschen verkrampft, so Thomas, wie Jessica Weiss ihrer Mitautorin mit klugen Satzkonstrukten und einer um Stilistik bemühten Sprache nachzueifern versucht. Da fehlen aber eine Leichtigkeit und Originalität der Gedankengänge, wie schon angedeutet, eine für das (Be)schreiben unbedingt nötige Abstraktionsgabe und Fantasie und natürlich: Charme! Warum ist eine knapp Fünfundzwanzigjährige so uncool?, fragt Max in ihrer Kritik. Ist es die Aufarbeitung dessen, dass sie sich manchmal zurückgesetzt oder zu kurz gekommen fühlt? Hat Jessica Weiss die Schnipsel der Starschnitte von Anna Wintour und Carine Roitfeld gesammelt, zusammengefügt und an ihre Bürowände oder die Türen des Kleiderschranks gepinnt, um es diesen und anderen Vorbildern irgendwann – wie von Zauberhand bewirkt – gleichtun zu können? Wir haben keine Ahnung! Wissen nach Modestrecke nur, dass auch Online-Modejournalist beziehungsweise –redakteur mit Recht ein Beruf ist, für den man neben Talenten und einem guten sowie sicheren Geschmack eine passende Ausbildung braucht. So man davon lebt und nicht ohne kommerziellen Hintergrund lustig vor sich hin bloggt. Ach so: Thomas sah sich als innerer Politiker dazu berufen, die rhetorische Frage des Kapitels „Wieso aus Angela Merkel nie eine Michelle Obama wird?“ zu beantworten: „Erst hatte Mutti kein Glück mit dem Gesichtsausdruck und der inneren Eleganz und dann kam auch noch das Pech in Form ihrer Haus- und Leibschneiderin Bettina Schoenbach* dazu…“ Und Max war auch aus dem Grund ein wenig mehr auf Julia Knolles Seite, weil sie als Natural-United-States-Of-America-Born-Preppy, schon als Sechsjährige über die Vorzüge von Kaschmir im Bilde war, und sich somit ganz und gar in die bekennende Anhängerin adretter und modisch zurückhaltender Klamotten hineinversetzen kann. So, liebe Leser, das war es, was Modestrecke uns Dreien gesagt beziehungsweise gegeben hat. Was könnte ich den Autorinnen geben? Vielleicht ein paar Neuzugänge im Kleiderschrank, die so Manches aus Modestrecke konterkarieren könnten. Aber, und darin stimme ich mit den Autorinnen am Ende irgendwie doch überein, so wichtig ist es wieder auch nicht, immer Klamotten zu tragen, die einen so schön wie möglich wirken lassen…
*Everything should be made as simple as possible, but not simpler… steht auf der Website der Schneiderin unserer Kanzlerin, die sich als Quelle der Erkenntnis nennt. Einem Horstsonian kann man aber kein X für ein U vormachen: Der Urheber dieser Weisheit ist kein Geringerer als Albert Einstein!

  • Blomquist
    9. Januar 2011 at 19:16

    Liebe Daisydora-
    toll das Du das Buch gelesen hast.
    Ich kann Deinem Tip leider nicht folgen-
    für mich wäre es eine Folter das Buch selbst in die Hand zu nehmen.
    🙂
    Aber ich denke bei so manchen 15 jährigen Mädchen wird das Buch reissenden Absatz finden.
    Und das ist ja auch gut-
    denn für die wird es wohl auch geschrieben sein.

  • Dana Li
    9. Januar 2011 at 19:44

    Ich überlege auch hin und her, ob ich es lesen werde… aber am Ende siegt meistens ja die Neugier. Mal sehen.

  • Seraphine
    9. Januar 2011 at 19:46

    In meiner Buchhandlung gab es das Buch am 8.01. nicht,also habe ich es mir bestellt und bekomme es in den nächsten Tagen,es gibt wohl Lieferschwierigkeiten. Wissen möchte ich schon, was man in solch einem Buch eigentlich berichten kann und nach solch einer Rezension möchte ich mir selbst ein Bild machen.

  • Daisydora
    9. Januar 2011 at 20:52

    @Dana Li

    Ist ja so schnell gelesen, warum nicht … wenn du willst, schreib Horst deine Adresse und du bekommst eines unserer drei Exemplare … 🙂

    @Seraphine

    Ich glaube, dass Modestrecke eher online gekauft wird, aber die Mayersche wäre auch eine gute Quelle gewesen, wie ich gehört habe … Viel Spass, bin gespannt, wie du es magst 🙂

    @Blomquist

    Kann ja mal eine kleine Kaffehauslesung ins Auge fassen … auch du würdest über das Eine oder Andere lachen können … tut nicht weh, hatte es mir wirklich schlimmer vorgestellt …

    Ich weiss nicht, ob 15jährige ein Buch über Klamotten ohne Bilder kaufen werden …. ich glaube ehrlich gesagt, dass es ein Buch für BloggerInnen ist 🙂

  • Micha
    10. Januar 2011 at 12:00

    Machen wir uns nichts vor: Das Buch ist ein Büchlein, liest sich ähnlich aufregend wie die Wendy und richtet sich an eine Zielgruppe weit unter 20.

  • siegmarberlin
    10. Januar 2011 at 14:07

    Übringes der Verlag bezeichnet das Buch als “ Bildungsroman der Mode “ das ist wirklich nich zu toppen. Die Welt am Sonntag online ( 9.1.11 ) hat einen langen Artikel über das Werk der Frl.ßs geschrieben

    Für Interessierte: Die neue Vogue France-Cefin ist Emanuelle Alt

  • Daisydora
    10. Januar 2011 at 16:40

    @Micha

    Klar ist das ein Büchlein, dessen geschriebener Inhalt auch auf´120 Seiten Platz gefunden hätte …. wie gesagt: Für mich ist das ein tyisches BloggerInnen Fanbuch, das die jungen Frauen und Teenager mit eigenen kleinen Blogs lesen werden, die auf LesMads ihre Einzeiler-Kommentare mit Links hinterlassen, um Traffic zu generieren. Ich denke, das schließt die von dir erwähnte Zielgruppe mit ein 🙂

    @siegmarberlin

    Danke für deine Hinweise bzw. Infos…. das ist an Dummheit echt nicht mehr zu toppen, sowas als Bildungsroman zu bezeichnen .. von den Zeitungen bzw. Medien, die bisher drüber berichtet haben, hat niemand mehr gemacht, als den Pressetext abgefeiert und mit den Autorinnen geredet …. ein seriöser Mode- oder Medienjournalist, der kein Praktikant oder freier Schreiber auf der verzweifelten Suche nach einem Bericht ist, liest so einen Schmonzes doch gar nicht …. 🙂

    Die Entscheidung über die Vogue Chefin finde ich gut …. und du?

  • le chef
    10. Januar 2011 at 18:22

    die beiden sympathischen damen waren gerade in einem radiointerview zu hören – ich sag nur P E I N L I C H 🙂

  • Horst
    10. Januar 2011 at 19:28

    @chef OH! und was haben sie erzählt?

  • le chef
    10. Januar 2011 at 19:52

    new york, australien, paris, börlin fäschen week^^
    erinnere mich schon nicht mehr genau an den inhalt… nur dass glitzer wohl „out“ sei…
    war eher wie ein gespräch unter 12klässlerinnen auf dem pausenhof… dumm und belanglos

    es kam rüber, dass die null anhnung von mode haben…alles pure selbstüberschätzung, da kann ich genauso gut meine oma fragen 🙂
    aber das ist ja nichts neues

    ich fand julia kam weniger unsympathisch rüber als jessica :-O

  • Horst
    10. Januar 2011 at 19:57

    @chef glitzer ist out? ach schade…. 😉

  • le chef
    10. Januar 2011 at 20:12

    sorry, horst, aber wenn das fashion-orakel das sagt, kann man wohl nix machen… 😀

  • Horst
    10. Januar 2011 at 20:16

    @chef ich hätte schwören können das glitzer noch nie so richtg ‚in‘ war. dann ist das wohl letztes jahr an mir vorbeigegangen….. hahahahahahahaha 😉

  • Daisydora
    10. Januar 2011 at 21:01

    @le chef und Horst

    Ihr habt es gut, könnt an den Events rund um den Launch teilhaben ….. ich musste mich damit bescheiden, das heutige Tagesoutfit von Deutschland Modebloggerin Nummer 1 anzugucken, die ihren kragenlosen Rotkäppchenmantel mit Aubergine bezeichnete und einen unterhalb der Brust endenden verfilzten Pulli darunter trug, der anscheinend bei 95 Grad gewaschen wurde …. hahahahaha die Hölle, wenn das Mode sein soll …. Ich finde es interessant, dass auch andere Julia weniger doof finden …. 🙂

  • blomquist
    10. Januar 2011 at 22:14

    @ Daisydora: Hahaha-das Outfit musste ich mir sofort angucken.

  • le chef
    10. Januar 2011 at 22:17

    ja das outfit ist schon ein brüller! don’t try this at home… ha ha ha ha ha

  • Dana Li
    10. Januar 2011 at 22:58

    @ Daisydora:

    Das Angebot nehme ich sehr gerne an und schicke das Buch dann wohlbehalten zurück. Vielleicht wird es mich über ein zwei Stunden amüsieren…?

  • Daisydora
    11. Januar 2011 at 08:46

    @Dana Li

    Gerne, wird rausgeschickt, so bald wir deine Adresse haben ….. und bitte nicht zurückschickem …. vielleicht will es ja danach noch jemand lesen, den du kennst 🙂