Ein unruhiges und schwieriges Jahr steht uns bevor und kaum eine Branche reagiert wie ein Seismograf darauf, wie die Modebranche. Während bei Dolce Opulenz entgegengesetzt wird, Thom Browne bei Moncler eine völlig überdrehte Collage von Patchworks zeigt oder bei Bottega die neue traditionelle Lässigkeit präsentiert wird, reagiert PRADA ganz anders. Eine extrem auf die Spitze getriebene Schlichtheit, die zurückhaltender und essenzieller nicht sein könnte …
Bilder: PRADA
PRADA stand am Anfang wie kein anderes Label für Purismus und Schlichtheit. Dahin scheint man jetzt zurückkehren zu wollen – zumindest für die nächste Saison. Ich gebe zu, als ich die Schau das erste Mal gesehen habe, wirkte das, was ich gesehen habe, fast verstörend auf mich. Das Dekor der Show: eine ineinander gehende Enfilade von Räumen, die perspektivisch wie eine endlose, sich spiegelnde gleiche Raumfolge zeigt. Ein Synonym für Unendlichkeit? Ausgekleidet und eingerahmt wurde der Raum mit gewelltem Flugzeug-Aluminiumblechen und grau durchädertem Marmor. Kühl, futuristisch und auch ein bisschen abweisend. Dazu die Erklärung, dass das erste Herbstprogramm der Damenkollektion aufgrund der Verbindung und Schwingungen, die zwischen den Geschlechtern herrschen, parallel gezeigt wird, weil der Dialog und das Verschwimmen der Grenzen in unserer Zeit immer mehr ineinander übergehen. Der PRADA-Mann und die PRADA-Frau korrespondieren in ihrem Stil und teilen die gleiche Welteinstellung.
Bilder: PRADA
Bilder: PRADA
Fast monochrom in den Farben, die sich komplett in den Dekor einfügen, beginnt das Defilee. Von Anthrazit über Blei, Schwarz, Mittelgrau mit wenigen PRADA-typischen Gold-Beige Akzenten, erhebt sich keine Farbe über die andere. Die Schlichtheit und auch die blassen Gesichter, die fast wie resigniert wirken, sind im Zusammenspiel mit den puren und auf das Nötigste beschränkten Schnitte fast wie von der Welt abgewandt.
Essentiell auch die Looks: Einreihige Nylonmäntel, schlichte Hemden, gerade schmale Hosen, dazu einfache lederne Arm-Manschetten als Accessoires. Es gibt kaum etwas zierendes oder etwas, was auf sich aufmerksam machen will. Bei den Frauen überwiegen weibliche Kleider in Schwarz, die in der Schlichtheit ihrer Farben die Schleifen und angedeutete Volants fast zu verstecken versuchen und die sich dadurch auch nicht in den Vordergrund drängeln.
Bilder: PRADA
Bilder: PRADA
Die gesamte Kollektion wirkt sehr geschlossen. Es gibt nichts, bis auf wenige Durchgänge, in für Miuccia typischen Nachkriegskaros – als wenn in der Schlichtheit ein paar ererbte Teile übergezogen wurden. Der Ausdruck „Uniform“ wäre für die Konzeption der Kollektion der Falsche – es wird sich sehr auf PRADA-Essentiels konzentriert, wie der kurze Blouson, der schlichte Slip-on-Kurzmantel, graue Anzüge – alles erfolgreiche PRADA-Bekannte. Dazu dann als Bruch Schuhe und Stiefeletten, die die Models fast wie auf rohen Eiern gehen lassen. Vielleicht auch eine Reaktion auf die Unsicherheit unserer Zeit?
Bilder: PRADA
Die Kollektion ist anders als alles andere, was man zurzeit in den Saison Openings sieht. Ich gebe zu: sie hinterlässt mich mit vielen Fragen, verstört mich teilweise, gefällt mir aber auch in ihrer Schlichtheit. Alles wirkt wie entrückt und entschleunigt und ich muss ständig an den Film „Die bleierne Zeit“ von Margarethe von Trotta denken. Miuccia Prada liebt deutsche Filme aus der Zeit von Rainer Werner Fassbinder. Und sie liebt besonders politische Werke, die sich mit der Zeit des Terrorismus in Deutschland und Italien in den Siebziger Jahren auseinandersetzen. Probleme, die sich bis heute um Vielfaches multipliziert haben – Assoziationen, die sie vielleicht bei den Entwürfen gehabt hat?!
Eine interessante, ungewöhnliche und sehr erklärungsbedürftige Kollektion, die fast klerikal daherkommt. Ich bin sehr gespannt, wie sie in den Läden wirkt und wie das Konzept dazu aussieht, ihr Optimismus zu verleihen – denn kaufen tut man aus einer Fröhlichkeit heraus …
Markus
21. Januar 2015 at 19:37wunderbar geschrieben, vollkommen überraschende Prada Kollektion, sehr schlicht, ein monochromer entwurf, der zeit zum verstehen benötigt
Horst
21. Januar 2015 at 19:49Ich finds super, die Schuhe sind überhaupt nicht meins (was ja nichts macht). Schon fast sehr kommerziell …
vk
21. Januar 2015 at 21:03melancholisches zeug. ich stand letztens in einem deutschen buchgeschaeft in madrid und fuehlte mich ganz aehnlich. das war nicht amazon, dussmann, der bahnhofsbuchandel oder gestalten verlag. das war ein buchladen, wie es sie frueher gab. mit eigenwilliger auswahl, nicht von verkaufslisten strukturiert. nichts fuer den sofatisch und nichts fuers gespraech.
meine anfaengliche neugier wich bald beklommenheit. hatte ich mich so veraendert? ich blickte die drei verkaeferinnen an – maedchen im nachkriegskuechenkaro mit aschfarbenen haar und fahlem gesicht. ich weiss genau, wie sie das lesen lieben. ich habe es auch mal getan. aber auf diese art schon lange nicht mehr. hatte ich mich wirklich so veraendert?
es war wohl mitte der 90er als miuccia prada sich so erfolgreich gegen die plakative sexiness von gucci positionierte. das war mode fuer die denkende, fuer die kulturbewegte, fuer die lesende jugend. wer nicht is gymn ging, ging zu prada. so war das damals. und jeder wollte architekt werden.
heute hat uns, zumindest im oeffentlichen raum, die architektur komplett im stich gelassen. kunst hat sich als pumpender kunstbetrieb zum jahrmarkt der eitelkeiten pervertiert. ob das zeug, was ich oben im beitrag in den bildern sehe, wirklich fuer selfies tauglich ist?.. ich wage es zu bezweifeln. miuccia prada zumindest scheint ganz die alte kaempferin. das ruehrt an und macht ein wenig beklommen.
haben wir uns wirklich so veraendert? ich denke schon. auch die aufgeschlagenen aermel erinnern uns daran.
Manfred
22. Januar 2015 at 13:23Schön geschrieben
Siegmar
22. Januar 2015 at 13:48wunderbar geschrieben, ich mußte mir mehrmals die Kollektion ansehen und feststellen, das ich sie außerordentlich gelungen finde, wirklich überraschend schlicht, spricht mir sehr an.
Siegmar
22. Januar 2015 at 13:53Vk
mit deinem Beitrag auf den Punkt gebracht, schöner Text fast schon der Beginn eines Romans den ich gerne weiterlesen würde.
thomash
22. Januar 2015 at 22:05eine super idee, männer und frauen zusammen zu zeigen. die die gesamte kollektion sieht zwar sehr ernsthaft aus aber dazu auch sehr interessant. und peter schlägt genial eine brücke zum besseren erkennen mit dem verweis auf fassbinder und die eindringlichen 1970er. doppeltes lesevergnügen, einmal den text und dann die kollektion!
vk
26. Januar 2015 at 19:33siwgmar. ganz herzlichen dank. lustige idee. das wuerde dann eine interstellare odyssee mit kollisionen phatastischer schoenheit. in gedanken schon fertig.
Horst
26. Januar 2015 at 20:00@vk wir haben immer Platz für Gastautoren 😉
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