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Place Vendôme – Chanels Geniestreich Haute Couture Winter 2011/12

Dienstag war es soweit: Im Grand Palais in Paris präsentierte Chanel seine Haute Couture Kollektion für den Winter 2011/2012. Meine Wetten, das Dekor des Defilees würde die Place Vendôme Säule zeigen, wurden weit übertroffen und Karl Lagerfeld ließ ein durchweg schwarzes Dekor mit der Place Vendôme bei Nacht aufbauen. Die Fassade des Ritz (Coco Chanel hatte zeitlebens ein Zimmer dort, einen Katzensprung von der rue Cambon entfernt)und typisch pariserische Laternen, neu interpretiert, in Plexi bildeten einen zauberhaften Catwalk um die Säule vor der Place Vendôme. Das Schmuckzentrum Europas ist ja auch der Platz, an dem sich die Räume der Chanel Joallerie befinden – der Echtschmuck-Kollektion – die in den letzten Jahren einen kometenhaften Aufstieg erlebte und zu einem wichtigen Zweig der Welt von Chanel geworden ist.

Inspiriert durch die Ausstellung, die Coco Chanel mit ihrem damaligen Freund Paul Iribe in ihrem Appartement im Faubourg Saint Honoré mit Diamanten im Jahre 1931 gemacht hatte, wurde die Juwelen-Kollektion neu lanciert und bildet die perfekte Ergänzung zur Haute Couture. Unter dem Sternenhimmel der Place Vendôme tat sich die Parade der diesjährigen Winter-Couture wie eine Schmuckschatulle auf. Ist es ein Zufall, dass der Grundriss der Place Vendôme, die Form des Chanel No. 5 Stöpsels hat, oder hatte das Coco damals inspiriert?? Auf jeden Fall war der Titel des achteckigen Platzes auch der Kollektions-Titel.

Bei der Kollektion hatte ich das Gefühl, dass Karl Lagerfeld eine sehr tragbare Kollektion im Auge hatte, die von den Couture-Kundinnen (sie werden immer zahlreicher)wirklich für festliche Anlässe und die Ballsaison genutzt werden kann. Keine Theaterkostüme, sondern moderne aber natürlich in ihrer Handwerklichkeit und Aufwendigkeit kaum zu toppende Garderobe, die sich eben in allem abhebt: Im Preis, dem Aufwand und der Machart.
Dabei musste ich ein wenig schmunzeln – 2013 hat Karl Lagerfeld seit 30 jähriges Jubiläum, aber es kommt mir vor, als wenn er seine Stärken aus den fast drei Dekaden schon jetzt in viele Modelle einfließen ließ.

Die Tweed-Kostüme mit Kragen in langer X-Silhouette und die Musketier-Revers-Jacken erinnerten an Karls großartige Kollektionen Mitte der Neunziger. Blazerformen, die er zu Zeiten Claudia Schiffers als hauptgehandeltes Chanel Model lancierte, und die damals extrem erfolgreich waren. Natürlich sind sie in den Kontrastierungen und von den Proportionen auf 2011 übersetzt; aber die Grundzutat ist ein Joker des Meisters. Sein nachtblaues Paillettenbesticktes Kostüm ist die Hommage an das berühmte Kostüm aus der Haute Couture des Winters 1986, einer Kollektion, die fast ausschließlich aus bestickten Roben und Kostümen bestand und eine der Key-Collections von Chanel war. Es wird sicherlich wieder reißenden Absatz finden, ist es doch die höchst luxuriöse Variation des klassischen Grundkostüms von Mademoiselle: Dem absoluten Key Piece des Hauses.

Bei den Materialien spielt Karl Lagerfeld mit den kostbaren Geweben der Gegensätze: Seiden-Bouclé, Dentelle de Calais, Chiffon überstickt und exklusiven Jacquards.
Die Farbtendenz wird konsequent wie schon in der prét à porter für den Winter fortgesetzt: Grau, Schwarz, Weiß, Bleu de Chine und Mandarinrot.

Viele Modelle sind Zitate, die mich an vorangegangene Kollektionen der letzten Jahre oder aus den Chanel Archiven erinnern. So gibt es ein Abendkleid mit Blütenblätter-bogenförmigen Stickereien, die an Chanels letzte Vorkriegs-Kollektion anknüpfen. Ein Smoking-Abendkleid, das wie eine Doppel-Hommage an Yves Saint Laurents und Chanels Kammerzofen-Look der Zwanziger erscheint. Nixenkleider in Mae West Silhouette (damals von Marcel Rochas erfunden) brillieren – ein wenig an die Fifties erinnernd – durch den Mix von Federn und Pailletten und wirken doch züchtig geschlossen und durch ihre weibliche Form zugleich erotisch. Ein Schwarz-Weißes, mit Fin de Siecle-Kragenlösung und Cape-Passe zitiert die Musterungen der Paris-Moskau-Kollektion und das zaristische Russland. Zarin Maria Feodorowna lässt grüßen.

Ganz neu und eher durch die Fünfzigerjahre bei Dior inspirierte Silhouetten sind Tunika-Kleider, die symmetrische Stehkragen und steife Gazar-Schößchen über exakt gerade geschnittenen, langen schmalen Röcken zeigen. Entweder in Weiß oder zarten Farben; wechselweise mit aufregenden kontrastreichen Stickereien. Der X-förmige Ausschnitt nimmt die Silhouette der Blazer auf und ergibt zudem noch den Dekolleté-Effekt eines angeschnittenen Boleros. Sehr raffiniert.

Klassische Absatz-Stiefel, teilweise mit Chanel-Kappen, werden auch in diversen Materialien kombiniert, angeboten; von raffiniert transparent bis zu klassischem Boxleder, daraus ist er, der neue klassische Chanel-Stiefel.

Den Höhepunkt bildet das Brautkleid (Bild ganz oben), dessen Schleppe mit dem Key-Item der Chanel Juwelen-Kollektion, einer über und über mit Diamanten besetzten Maharadjah-Feder, bestickt ist. Lesage hat wieder ein Meisterwerk zustande gebracht.

Die Chanel-Winter Haute Couture ist eine in sich schlüssige Kollektion, die aber wunderbare Anspielungen der schönsten Creationen aus den letzten 30 Jahren von Karl Lagerfelds „best of chanel“ beinhaltet; ein bisschen versteckt, aber doch sichtbar, sehr viel Humor hat und durch die Handwerklichkeit und die Materialien bezaubert.

Sie ist wie ein Querschnitt der rue Cambon, wie der Franzose sagen würde „Chanel à mort“ – oder wir: Mehr Chanel geht nicht . Sie lässt viel hoffen, für die nächsten dreißig Jahre, das Repertoire ist unermesslich für weitere Spaziergänge auf der Place Vendôme.

  • siegmarberlin
    7. Juli 2011 at 11:22

    wunderbar !!!!

  • Rene Schaller
    7. Juli 2011 at 11:52

    Als Pressetext für Chanel wäre der Post nicht zu toppen! Ich finde aber leider, dass er zu emotional geschrieben ist und so die mehr als sichtbaren Schwächen unter den Tisch fallen. Natürlich ist die Kollektion handwerklich unschlagbar, das ist das was Couture ausmacht und quasi genauso wenig erwähnenswert, wie dass ein Auto vier Räder hat. Aber die Kollektion besteht nur aus Kleidern, die irgendwas zitieren und unheimlich trutschig daherkommen. Erotisch ist da nichts.

    These, die durchaus und sehr gerne wiederlegt werden kann: Die steigenden Umsätze haben weniger damit zu tun, dass die Kundinnen Mode kaufen wollen. Chanel Couture kaufen Frauen, weil es der Inbegriff von etwas luxuriösen ist und ein Symbol der Mode im 20. Jahrhundert war. (Ich halte die Haute Coture im allgemeinen nicht für überholt, aber sie muss sich weiterentwickeln und verjüngen.) Chanel hat mit ihren zahlreichen Geschichten, die Lagerfeld gleich für sich mit übernommen hat und ausbaut, einen Mythos gebastelt und mehr als grandioses Marketing und Handwerkskunst ist kaum hinter der Fassade zu finden. Und die opulenten Schauen sind der Budenzauber, der alle blendet und milde stimmt. Ausserdem ist Chanel ein sehr guter Werbekunde, den will man sich eh nicht verkraulen.

    Ich befürchte nun der Himmel wird über mir zusammenbrechen, weil ich ‚Gotteslästung‘ betrieben haben… 🙂

  • peter kempe
    7. Juli 2011 at 12:08

    @rene schaller
    jeder hat seine meinung.der text ist emotional geschrieben weil ich diese kollektion auch emotional sehe sie gefällt mir nämlich super gut.deine meinung finde ichs ehr spannend und interessant und ist sicherlich für die meisten modemarken auch so das ich sie unterschreiben würde.ich ebschäftige mich seit dreissig jahren mit dem modehaus chanel und auch deren entwicklungen und ich bin da halt anderer meinung weils die einzige wirkliche luxus marke ist und keine konzern marke und sie stringent ihren weg gehen.andere haben mehr marketing und weniger zu bieten.finde es sehr gut das du deine meinung geschrieben hast und brech auch nicht zusammen.nur vielleicht solltest du genau wie ich deine auch meine emotionen gelten lassen.ich kann nur das schreiben was ich empfinde und andere empfinden das halt anders.tausend dank für deinen kommentar

  • Daisydora
    7. Juli 2011 at 12:24

    Chanel ist Chanrel und diese Kollektion ist großartig…. dein Bericht, lieber Peter, ist wunderbar, weil du was weißt, das du nicht erst aus den schlauen oder frustrierten Texten anderer rauslesen musst. Ich bin glücklich darüber, und unverdientermaßen auch stolz darauf, bei Horstson deine Schreiberkollegin sein zu dürfen. 🙂

    @René

    Lieber René,

    von einem der klügsten Modeblogger der Republik sollte man verlangen können, dass er kurz inne hält, bevor er sich unbesonnen äußert. Ich finde, dass du diesmal nicht recht hast. Du gehst da viel zu subjektiv ran und ich wollte dir das ohznehin schon unter deinen Bericht schreiben….. ist das Wort trutschig besser als scheußlich?

    Wenn man zwischendurch mal nicht versteht, in welchem Geist Chanel gemacht und getraqgen wird, dann wird man die tebdenziell immer an Traditionen anküpfenden Entwürfe diesaer Kollektion erst recht nicht verstehen.

    Ich selbst würde Chanel Kostüme nicht mal mit Siebzig tragen, denn sie stehen mir einfach nicht. Dass ich andere Linienführungen präferiere, könnte mich aber nie dazu verleiten, mich an etwas thematisch zu überheben, weil ich es nicht verstehe.

    Und ich finde, gerade wenn man ordentlich was auf der Platte hat, so wie du, und damit, so mein Endruck, zu einer Minderheit der Modeblogger im Lande gehört, sollte man beim Verfassen seiner Kommentare immer dran denken, wen man vor sich hat und, bei seinem Gegenüber vom Besten ausgehen …

    Meine Bemerkungen dazu, was die Proportionen schwer verständlich macht, kommen säter …

    Bis dahin,

    liebe Grüße,

    Daisy

  • Rene Schaller
    7. Juli 2011 at 14:00

    An Daisy: Warum unterstellst du mir subjektiv zu sein, wenn du gleichzeitig einen weitaus subjektiveren Text vor dir hast? Ausserdem steht ausser Frage, dass ich die Handwerkskunst anerkenne und sogar bewundere, allerdings muss mir deshalb das Resultat noch lange nicht gefallen. In dem Fall, finde ich die Modelle stellenweise einfach misslungen und trutschig. Trutschig kannst du mit altbacken ersetzen, es hat aber nichts mit scheußlich gemein.

  • peter kempe
    7. Juli 2011 at 14:44

    qrene schaller
    natürlich ist der text subjektiv er ist ja mit meinen augen geschrieben und da wir im gegensatz zu allen modezeitungen ja nicht abhängig sind ,auf horstson gibt es keine anzeigen können wir ja unsere meinung sagen und das behalten wir uns in unserem medium auch vor.wenn du eine andere meinung hast ist das okay aber ich werde in zukunft auch in meinen artikeln meine meinung sagen.ich bin ja nicht verpflichtet dröge,gleichmässig neutrale texte zu veröffentlichen sondern gewillt stellung zu beziehen.ausserdem möchte ich mal darauf hinweisend as dinge die nicht experimentell,szenig oder ppseuda avantgardistisch sind auch schön sein können.wenn ich im auftrage von horst eine kollektion mir anschaue dann kann ich nur meine eindrücke wieder geben und die sind emotional weil ich nämlich mode liebe und schon verdammt viel in meinem leben gesehen habe hab ich da vielleicht auch manchmal meine ganz eigene meinung.jeder hat seinen stil und ich lade die leute ein dran teil zu haben wer nicht will mjuss ja nicht und kann was anderes lesen.wir leben ja glücklicher weise in einer diversen medienlandschaft.

  • siegmarberlin
    7. Juli 2011 at 15:21

    @ peter kempe
    natürlich hast Du Rect das schöne Dinge, nicht immer Avangarde, szenig etc. sein müssen, mich nervt es auch immer mehr, das man schöne Dinge nicht einfach schön nennen darf. Irgendwie ist auf einmal ein Bloger/in im Vitage/H&M/Zara u. DIY bemerkenswert toll, obwohl alles nur tragisch/stillos aussieht. Besonder jetzt zur FW zu sehen wie die Bloger sich gegenseitig fotografieren um sich dann gegenseitig in eihren Blogs zu beweihräuchern od. wie ein anderer Fashionbloger namens Oliver bemerkt:

    Oliver 06. 07. 2011 um 16:10 ich bin auch blogger und scheiße auf die meinungen anderer … lieber esse ich mich mit den snack kostenlos satt … trinke kostenlosen alkohol bis in die puppen … und gucke mir natürlich paar shows an aber berlin rockt ja ehr bei den partys als bei den shows … !!

  • Daisydora
    7. Juli 2011 at 16:44

    Ich habe René natürlich geantwortet, aber per Mail. 🙂

    @siegmarberlin

    Danke für das erhellende Fundstück, man verdrängt zwischendurch, wie die Branche nun mal auch ist 🙂

  • peter kempe
    7. Juli 2011 at 16:55

    @siegmarberlin
    sowas kann cih agr nicht glauben was gibts bloss für schreckliche leute es geht doch bei mode um ganz etwas anderes da hab ich irgendwie ne zu klassische erziehung und ich glaub das ist auch ganz gut so

  • siegmarberlin
    7. Juli 2011 at 17:08

    @ Peter kempe

    das ist tatsächlich gut so !

  • Horst
    7. Juli 2011 at 17:11

    Ich mag’s! 😀

  • Place Vendôme – Chanels Geniestreich Haute Couture Winter 2011/12 | Placedelamode
    7. Juli 2011 at 22:09

    […] Place Vendôme – Chanels Geniestreich Haute Couture Winter 2011/12  » http:// horstson.de […]

  • Christopher
    8. Juli 2011 at 02:18

    gefällt 🙂

  • Rene Schaller
    8. Juli 2011 at 09:42

    Ja, danke Daisy für die Email. Merkwürdig aber, dass du in dem Fall die ‚Öffentlichkeit‘ ausschaltest. Warum hast du es nicht hier geschrieben? War doch ganz spannend, was du mir so alles unterstellst und vorhälst!?

  • Katharina
    8. Juli 2011 at 09:51

    Ich mag die Kollektion auch nicht so gerne und ein wenig Lagerfeld gesättigt bin ich auch 😉

  • itsallaboutchanel.tumblr.com
    8. Juli 2011 at 09:54

    Ohhh das dunkelblaue Kostüm gefällt mir am besten. Und die haben wieder so hübsche Schuhe für den Herbst … 😉

  • itsallaboutchanel.tumblr.com
    8. Juli 2011 at 10:01

    Lagerfeld finde ich mitlerweile auch ein wenig stossend. Im Alter intensivieren sich offenbar hauptsächlich die negativen Persönlichkeitszüge .. 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Mouna Ayoub And The Ladies Who Lunch…
    15. Juli 2011 at 16:16

    […] die Couture endlich modernisiert werden? Darüber wurde nach Peters Bericht über die Kollektion des Branchenprimus Chanel kontrovers diskutiert. Ich finde nein und kann das auch begründen: Unser persönlicher Geschmack kann und wird […]