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Peter’s Cuttings: Paul Poiret- der hat’s erfunden

Die internationalen Luxuskonzerne von heute wie LVMH, Ralph Lauren oder Pinault sind breit aufgestellt – neben Mode und Accessoires gibt es auch Tapeten, Stoffe, Parfums, ausgestattete Autos oder Motorräder und Dinge aus allen Lebensbereichen. Man kann sich total in einem oder mehreren Labels einrichten, kleiden, pflegen und es wird einem eine Welt des Dazugehörens und eine bestimmte Lebenswelt suggeriert, außerdem noch die Bequemlichkeit, dass man sich keine Gedanken machen muss ,weil alles irgendwie aufeinander abgestimmt ist.

Die globalisierten Marken setzten dabei auf die Verknüpfung der Kulturen und man findet asiatische Einflüsse genau so wie europäische oder amerikanische. Früher haben Modemarken nur Kleidung und Accessoires hergestellt, ab den zwanziger Jahren auch Parfum und Kosmetik, so die langläufige Meinung. Davor wurden Parfums von Parfumeuren gemacht wie Guerlain oder Coty, die sich nur der Herstellung und Entwicklung widmeten. Beschäftigt man sich mit der Mode des zwanzigsten Jahrhunderts sieht man sofort, dass es einen Mann gab, der das alles erfunden hat und wenn er es nicht gemacht hat, voraussah: Paul Poiret.

Paul Poiret (1879-1944) war ein Pariser wie er im Buche stand: genießerisch, feingeistig und von großer Lebensfreude.
Als junger Mann arbeitete er zunächst für das Haus Worth und Doucet, in einer Zeit, als es noch nicht einmal saisonal wechselnde Kollektionen gab, sondern die Kleider immer wieder für die einzelnen Kundinnen abgewandelt wurden. Es war die Zeit der Reifröcke & Turnüren und der Stoff- und Volant-Exzesse an Kleidern. Als Paul ganz jung zu Doucet kam, schwebte ihm etwas einfaches tragbares vor dem geistigen Auge, was aber zu der Zeit abgelehnt wurde.
Daraufhin machte er sich mit deinem ersten Modehaus in der Rue Auber, abseits von den damaligen Einkaufsstrassen selbständig. Hierfür, um Kundinnen anzulocken erfand er gleich mehrere Dinge, die es bis heute bei den Modehäusern gibt.

Er dekorierte alle vier Wochen die Schaufenster neu und gab den Dekorationen Themen. Vorher waren Schneiderbüsten mit drapierten Stoffen darauf das ganze Jahr ausgestellt. So wirbelte bei ihm im Herbst das Laub durchs Fenster und im Frühjahr waren üppige Blumenwiesen zu sehen. Weil er kein Geld hatte, musste er einen Laden anmieten, der unten ganz klein war und über eine enge Treppe erreichbar einen großen Salon hatte. Paul erfand die Boutique und setzte vor die Treppe die Hutmacherin und die Kleinigkeiten wie Strümpfe, Taschen, Federn, Fächer und Schmuck. So funktioniert heute noch jedes französische Modehaus: wenn man eintritt kommt zunächst die Accessoires-Abteilung.

Für Paris war das damals die Sensation und viele Prominente und Schauspielerinnen kamen zu ihm. Bald reichte das Haus nicht mehr aus, denn Paul hatte noch eine Idee: junge Künstler machten Illustrationen seiner Modelle und er verschickte die aufwendig gemachten Kataloge an die Pariser Gesellschaft. George Lepape, Paul Iribe und Erté wurden dadurch berühmt und heute kosten solche Kataloge auf Vintage-Auktionen gerne mal 12.000 Dollar.

Durch Pauls moderne Werbemaßnahmen brach bald das Geschäft aus allen Nähten und er musste umziehen:
Rue du Faubourg Saint Honoré, heute einer der bedeutendsten Einkaufsstraßen der Welt in Paris, war die Adresse: ein Haus mit Garten, eigentlich ein bisschen groß nur für Mode. Paul ersann ein neues Konzept, und das vor dem ersten Weltkrieg, er gründete die Interieurfirma Martine, die Stoffe, Möbel, Wohnaccessoires aller Couleur – sogar Wandfarben und Tapeten – abgestimmt auf die leuchtende Farbwelt von Pauls farbenfroher Mode anbot.
Daneben kam die Abteilung ‚Rosine‘, die jedes Jahre in Parfum herausbrachte und in der Poiret-eigenen-Duftmanufaktur hergestellt wurden. Sogar die Flacons wurden in einer eigenen Glasbläserei gemacht.
Abends verwandelte sich der Garten in einen Nachtclub, in dem legendäre Feste gemacht wurden und bei schlechtem Wetter ein gigantisches aufblasbares Zelt stand. Der Jazz und Josephine Baker hatten hier ihr Pariser Debüt.

Jede Saison gingen Poirets eigene Models auf Tourneen nach New York, Moskau oder Berlin und er war der erste Lifestylekonzern, der weltweit agierte. Alle modernen Luxuskonzerne arbeiten nach den Prinzipien, die man heute „Marketing“ nennt ,die Paul erfand.
Zu seiner Zeit waren aber auch seine Mode völlig anders und neuartig.E r mischte orientalische Einflüsse mit asiatischen Details. Führte die Colourblockings ein und starke Farben, schaffte das Korsett ab und kürzte die Röcke. 1911 führte er die Frauenhose als Haremshose ein und lancierte Overalls für die Freizeit.

Paul war der Modevisionär des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und alle seine Ideen waren spektakulär. Er hatte nur eines nicht bedacht: er hätte heute besser gelebt als damals – die Welt war zu der Zeit noch nicht bereit für solche Ideen, er war zu schnell, zu visionär und zu international für die bürgerliche Gesellschaft, des ‚Fin de siècle‘. Eigentlich war er der Bernard Arnault dieser Zeit und beherrschte alles was schön war. Dann kam der erste Weltkrieg und die Welt änderte sich mit einem Schlag.

Paul Poiret starb völlig verarmt 1944 – wer hat das Fashion System erfunden?? Er hat’s erfunden!!!

Bilder: bucurenci (Header); we love brands; nothing-elegant; The New Yorker; Metropolitan Museum of Art

  • Johan
    29. August 2011 at 10:20

    Eine Lesegenuss am Montag! Danke

  • Terry
    29. August 2011 at 13:54

    Wie so oft wird der Erfinder nicht oder nicht zu Lebzeiten geehrt, so auch Paul Poiret!

  • Daisydora
    29. August 2011 at 16:04

    Wir haben es einfach gut mit dir, Peter 🙂

    Sehr interessant und schön zu lesen sowieso, danke ….

  • Horstson » Blog Archiv » Peter’s Cuttings – Le Bon Marché – Das Paradies der Damen
    12. September 2011 at 09:02

    […] der Kaufhaus-Kultur und ich kann es jedem nur sehr empfehlen. Ähnlich wie bei Paul Poiret (Horstson berichtete) legten sie im 19.Jahrhundert fest was man heute Marketing nennt. Jedes Kaufhaus das später […]

  • Classylady
    19. Januar 2012 at 10:29

    Mir gefallen besonders die Modezeichnungen des von dir schon genannten Illustrators Erté, der von 1912 bis 1914 bei Poiret angestellt war. Nachdem er das Maison Poiret verlassen hatte, konnte er sich vor Aufträgen kaum retten.