Interieur

Peter’s Cuttings – Le Génie de Andrée Putman

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Andrée Putman. Courtesy of the Putman Studio.

Am 19. Januar verstarb mit der 1925 in Paris geborenen Andrée Putman eine der großen Damen der Innenarchitektur und des Designs. Sie war stilprägend für eine ganze Generation von Designern wie zum Beispiel Philippe Starck. Auch mich hat sie ungeheuer beeinflusst – deswegen möchte ich ihr das heutige Cutting widmen.
Schon der Beginn ihrer Karriere war vielfältig, denn die waschechte Pariserin startete als Journalistin des Modemagazins „Elle“. Ihre große Liebe galt aber schon damals dem Produktdesign und sie entwarf daher eine Kollektion von Haushaltsartikeln für die damals sehr angesagte Kaufhauskette Prisunic. Diese Entwürfe standen damals für demokratisches Design, das für jeden erschwinglich sein sollte.
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Andrée Putman. Courtesy of the Putman Studio.

Mit ihrem Ehemann, dem Sammler, Kunstkritiker und Redakteur Jacques Putman bekam sie ihre beiden Kinder Olivia (heute selbst eine bekannte Designerin) und Cyrille (Galerist und Schriftsteller) und kam mit allen damals prägenden Persönlichkeiten zusammen. Ob den Intellektuellen wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir im Café de Flore oder Juliette Gréco und Alberto Giacometti. Didier Grumbach gründete mit ihr eine Firma, die neue Talente in der Mode entdecken sollte – unter anderem wurden dadurch Claude Montana, Thierry Mugler, Jean-Charles de Castelbajac oder Ossie Clark gefördert.

Ihr erstes großes Projekt, das sie endgültig zum Innendesign brachte, war die Gestaltung der Büros und der Firmenzentrale der SNCF, der französischen Staatsbahn. Wohnungen und Häuser vieler Pariser Freunde folgten – der Einstieg ins Interieur ließ sie nie wieder los. Ihr Stil entwickelte sich und wurde immer beliebter.
Putman gründete 1978 ihre Firma Ecart, die als Interieur Büro gedacht war und unter deren Dach sie auch Möbel und projektbezogene Produkte aller Art entwarf.
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Fotos: D. von Schaewen, 1984 | Links: Morgans Hotel, New York; rechts: Ministerium für Kultur; Büro von Jack Lang

Aber Putman interessierte sich auch für die damals völlig vergessenen Möbelentwürfe der großen Designer der 20er und 30er Jahre, die heute die Kultklassiker mit ewigem Wert sind. Zu der Zeit landeten diese Klassiker aus Unwissenheit gern auf dem Sperrmüll oder wurden zu kleinen Preisen an die jungen Leute verkauft, die damals schon eine gute Nase hatten.
Die ursprünglichen Auftraggeber von Jean-Michel Frank, Pierre Chareau, Robert Mallet-Stevens oder Eileen Gray verstarben und ihre Erben konnten mit diesem vermeintlich veralteten Stil, nicht ahnend, was hinter ihm steckte, nichts anfangen. Heute erzielen Originale aus der Zeit häufig sechsstellige Summen.
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Links: Stuhl „Morgans“ für Emeco; rechts: Geschirr für Christofle aus dem Jahre 2008, Bild: Christofle

Designer wie Karl Lagerfeld oder Galeristen wie Cheska Vallois kauften, genau wie Putman, für kleines Geld die Möbel dieser Genies und stellten sie in ihre Wohnungen und Galerien. Putman erkannte die Modernität und Zeitlosigkeit und brachte viele dieser Klassiker in ihren Konzeptionen für Hotels, Häuser oder Wohnungen ein. Ihr Stil basierte auf graphischer Stringenz in Schwarz-weiß und sie verwendete gern Marmor, Granit und Chrom. Dazu kombinierte sie als Kontrast Bugholz- oder Stahlrohr-Möbel von Thonet, Knoll International, Tische von Eero Saarinen und Kunst von Bram van Velde, Niki de Saint Phalle oder Pierre Alechinsky.

Zu der Zeit kam ihr die Idee, für die Ecart später als Markenname bekannt wurde, nicht nur für ihre Projekte, sondern auch zum Verkauf Editionen von hochwertigen Nachbauten der Originale anzubieten. Mariano Fortunys berühmte, wie ein großer Photoset-Strahler aussehende Lampe gehörten genauso dazu, wie der heute millionenfach gecoverte Eileen Gray Beistelltisch, aber auch die in Kooperation mit Hermès entworfenen Clubsessel des heutigen zum Mythos avancierten Jean-Michel Frank.
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Andrée Putman. Courtesy of the Putman Studio.

Ecart war das Vorbild für viele Möbelhersteller und die Stilistiken des Bauhauses und der klassischen Moderne wurden langsam aber sicher dadurch wieder entdeckt. Putman avancierte zur meist beschäftigten Interieur-Designerin Frankreichs und Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld, Thierry Mugler oder Cacharel ließen ihre Läden von ihr einrichten. Hotelprojekte in aller Welt, Privatresidenzen und sogar die gesamte Inneneinrichtung samt Geschirr und Besteck der Concorde wurden von ihr gestaltet.

Sie galt als ungeheuer streng und diszipliniert und ihr Stil strahlte diese Stringenz auch aus. Damit setzte sie Maßstäbe und prägte eine ganze Dekade. Editionen und Produkte, von der Obstschale über Parfumflacons bis zu Reisekoffern, drückte die große Pariserin ihren Stempel auf.

Die heutigen französischen Designer, wie Arik Levy oder die Bouroullec Brüder,
benennen Putman genauso als ihr Vorbild, wie viele Interieur-Designer, die durch sie ihre Profession gefunden haben. Für mich war sie immer stilprägend und auch indirekt einer der Gründe, warum ich meinen Beruf heute ausübe. Dass wir eine kleine Sammlung des Künstlers Bram van Velde haben, verdanken wir auch ihr – aber das ist eine andere Geschichte …
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Andrée Putman. Courtesy of the Putman Studio.

Andrée Putman verstarb am 19. Januar 2013 mit 87 Jahren in Paris und war auch mit dieser Stadt lebenslänglich verbunden. Sie war der Inbegriff der französischen Designszene. Deshalb fand ihr Trauergottesdienst auch in St.Germain statt – das hätte sie gemocht.

Adieu Andrée Putman.

  • Volker
    28. Januar 2013 at 10:35

    Leider kannte ich Putman bisher nicht. Der Artikel hat mir trotzdem sehr gefallen, auch weil sie trotz ihres Lebens sehr zurückhaltend wirkt

  • Siegmar
    28. Januar 2013 at 14:32

    Das “ Hotel im Wasserturm “ in Köln mit der von ihr entworfenen innenaussattung ist grandios und sollte man mal in Köln übernachten, sehr zu empfehlen. in einer A&W gab es mal eine Fotostrecke über ihre pariser Wohnung “ ein Traum “ über den Dächern von Paris. Schöner Artikel

  • Stephan Berlin
    29. Januar 2013 at 09:08

    Peter, eines Tages wirst du noch in die französischen Ehrenlegion aufgenommen! Wegen besonderer Verdienste bei der Verbreitung des französischen Kulturgedankens!

  • Horst
    1. Februar 2013 at 01:14

    Wirklich ein schöner Artikel und eine schöne Erinnerung an Andrée! Danke dafür!