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Peter’s Cuttings – Hommage an Jean-Louis Dumas

Hermes Jean Louis Dumas
Jean-Louis Dumas; Bild: Hermès

Neulich fiel mir beim Stöbern in unseren Archiven das Porträt eines Mannes in die Hände, dessen Werk in der Mode man gar nicht genug würdigen kann und wenn dessen Name fällt, bei allen, die ihn kannten und bei den Mitarbeitern von Hermès sich die Gesichter sofort in ein Lächeln verwandeln: Jean-Louis Dumas.

Das Porträt ist aus dem Jahre 1984. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon sechs Jahre der Chef des Pariser Traditionshauses. Das Haus Hermès hat Jean-Louis Dumas sehr viel zu verdanken, denn bis zu seinem Tod im Jahr 2008 hat er es zu dem gemacht, was es heute ist. Von ihm wurden sämtliche Grundlagen gelegt, damit das Familienunternehmen in der globalen Welt bestehen kann und sich wandelt, ohne sich zu verwandeln. Behutsam und immer mit dem Blick auf das Handwerk, der Tradition und der Verpflichtung an die zukünftigen Generationen, war er zwar das, was man damals einen „modernen“ Manager nannte, aber eigentlich schlugen immer zwei Seelen in seiner Brust, denn die des Künstlers hatte er immer in Form eines entzückenden, kleinen Notizbuches bei sich, in dem er alle Impressionen des Tages, Inspirationen oder die Stationen seiner Reisen festhielt. Er war schließlich auch ein genialer Zeichner!
Hermes Dumas
Bild: Hermès

Die Mischung zwischen Merkantilen und künstlerischer Ader spürt man heute auch noch in dem Unternehmen und es ist einer der Faktoren, die die Besonderheit und auch die Exklusivität der Marke und des Unternehmens ausmachen. Jeder, der Jean-Louis Dumas einmal begegnet ist, weiß eine wunderbare Geschichte von ihm zu erzählen, denn er war trotz großer Entschlusskraft ein geduldiger Zuhörer und ein sehr charmanter Mann. Nie werde ich vergessen, wie wir uns unterhielten, Anlass war damals die Eröffnung der Dependance auf Sylt. Nebenbei kritzelte Dumas unterm Tisch ein bebrilltes Porträt mit einem im Nordseewind flatternden Tuch vor einem Friesengiebel in sein Büchlein. Als die deutsche AD eine besonders hübschen Artikel veröffentlichte, zeichnete der Träumer Dumas, der jeden Tag einen Weltkonzern steuerte, sich ausgestreckt unter einem Apfelbaum liegend, bei der Lektüre eben genau dieser, mit allen Details gezeichneten Ausgabe, um sich zu bedanken.

Das Persönliche, die Liebe zum Handwerk und die Liebe zum Metier war seine dauerhafte Mission bei den Mitarbeitern und Kunden. Die rasante Entwicklung des Unternehmens und das Fit-Machen für die Bedürfnisse eines modernen Global Players unter einen Hut zu bringen, ist eine wahre Kunst und immer eine Gratwanderung, die er durch seine gegensätzlichen Charaktereigenschaften nicht nur jeden Tag meisterlich umgesetzt hat, sondern auch an die nächste Generation weiter gab, die heute immer noch die Marke so führt, dass sie sich von den meisten vermeintlichen Luxuskonzernen um Lichtjahre unterscheidet.

Individualität war eines seiner Grundrezepte und das gepaart mit der Strukturiertheit eines Patrons, hat das Familienunternehmen genau dort hingebracht, wo es heute steht. Neben seinem Beruf war er aber auch eine facettenreiche, interessante Persönlichkeit: „Er ist der indischte von allen Franzosen,“ sagte einmal die berühmte Indira Gandhi von ihm. Indien war Jean-Louis Dumas‘ Traumland, seit dem er als junger Mann dort das erste Mal hingereist war. Fasziniert von der dortigen Kultur und dem Handwerk, war es sein liebstes Reiseziel und er brachte vieles der dortigen Kultur nach Frankreich und organisierte sogar ein ganzes indisches Jahr in seinem Heimatland.

Nach dem Studium der politischen Wissenschaften und der Gründung einer Jazzband geht er nach Amerika und wird Einkaufsassistent des damals legendären modernen Kaufhauses „Bloomingdale’s“ – eine prägende Erfahrung, von der er noch viele Jahre später sagte „Ich war irrsinnig stolz darauf, in ein solches Unternehmen von Weltgeltung integriert zu sein.“ Hier wird sein Geist für modernes Marketing und Professionalität geweckt. Wahrscheinlich hätte er hier wunderbar seine Zukunft bestreiten können, aber wie er selbst sagte „Ich hatte ja schon immer den Hermès-Virus im Blut“ und so geht er zurück nach Paris, an den Faubourg Saint-Honoré.
Hier bringt er Dinge ein, die er aus Amerika mitbringt – wie die straffere Organisation und er verwirklicht seinen Jugendtraum, indem er das bis heute erscheinende Magazin „Le Monde d’Hermès – die Welt von Hermès“ begründet.

1978 wird er Präsident des Hauses Hermès und macht das Image immer raffinierter, erweitert viele Bereiche und gibt den Mitarbeitern die Stärke, für die Zukunft gewappnet zu sein. Wunderbar seine eigene Aussage „Mit vereinten Kräften und Energie an der Eleganz jenseits des Nützlichen zu arbeiten – auf der Basis des Handwerks und dem Bestreben nach vollkommener Qualität.“

In einem Familienunternehmen wird nicht in kurzfristigen Zyklen gedacht. Man denkt immer schon ein oder zwei Generationen im Voraus und sicherlich wäre er sehr stolz darauf, dass ganz viele Dinge und Bereiche jetzt ihre Früchte tragen, die er damals als vermeintlich neue Idee ins Unternehmen gebracht hat. Sicherlich wäre er auch heute noch sehr beruhigt, dass Hermès das Handwerk und seine Ziele niemals aus den Augen verliert.

Er war ein großartiger Patron und Mensch. Sicherlich zeichnet er jeden Tag in ganz ganz vielen Skizzenbüchern auf seiner Wolke im Himmel – und wenn, sind es sicherlich die Produkte von morgen. Danke, Jean Louis Dumas!

  • stephanberlin
    6. Mai 2013 at 10:47

    Einmal drückte er nach einem Event in Paris allen Gästen persönlich zum Abschied ein Olivenbäumchen in die Hand, das in einer orangefarbenen Hermès Box eingepflanzt war.
    Unglaublich seine superglamouröse, gleichzeitig bescheidene Ausstrahlung!

  • Siegmar
    6. Mai 2013 at 11:23

    sehr schöner Beitrag über einen sympathischen „Patron “ und das Olivenbäumchen in der Hermès Box hätte ich auch gerne. 🙂

  • monsieur_didier
    6. Mai 2013 at 13:18

    …es ist wieder Montag und die Woche fängt mit einer tollen Geschichte an…
    vielen Dank dafür…!

  • HappyFace313
    6. Mai 2013 at 23:02

    Was für ein schöner Bericht über einen wunderbaren Menschen! Danke! 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    12. Mai 2013 at 10:20

    […] zu tun hat und warum man sein Werk in der Mode gar nicht genug würdigen kann, könnt Ihr hier erfahren. 2) “PUNK: Chaos to Couture” ist der Titel einer Ausstellung, die zu Zeit in […]