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Peter’s Cuttings – Grace Coddington

Sie feierte vor ein paar Wochen ihren siebzigsten Geburtstag und ist neben Anna Wintour eine der Ikonen der amerikanischen Vogue – Fashion-Director Grace Coddington.
Sie ist ein Denkmal und, wie ich finde, ein glänzendes Vorbild für jede Moderedakteurin oder -redakteur. Ihre Produktionen sind beispielhaft, phantasievoll und man merkt, dass sie ein alter Hase ist.
Grace wuchs in Nord Wales auf und wurde eher puritanisch und streng erzogen, aber sie träumte sich schon früh in die Welt von Vogue hinein, die sie sich regelmäßig von ihrem Taschengeld kaufte. Als sie siebzehn war, gab es einen Vogue-Model-Contest – nun darf man sich das aber nicht so vorstellen wie heute bei Heidi Klum.

Models waren in den Modehäusern zu der Zeit eher gutaussehende Mädchen der Gesellschaft, die neben ihrer Tätigkeit des Vorführens in den Modehäusern abends die Sachen unter ihresgleichen in der Gesellschaft ausführten und so Werbung für ihr Haus machten. Chanel hatte Claude de Leusse, Mimi d’Arcangues oder Marie-Hélène Arnaud beschäftigt, die dann von da aus meistens sehr reiche Männer heirateten. Topmodels wie Bettina Graziani waren mit Karim Aga Khan liiert oder Fiona Campbell-Walter heiratete Heinrich von Thyssen-Bornemisza. Es war eher ein gesellschaftliches Sprungbrett und die Mädchen kamen eher aus wohlhabenen Haushalten als von der Strasse. Stella Tennant ist so etwas wie die heutige Repräsentantin dieses Modeltyps. Außerdem waren die Models in der Regel auch zwischen 25 und 30 jahre alt. So bewarb sich Grace mit 17 für die Sparte „Jugendliche-Mädchen“ – also den unter 21 Jährigen, die die eigentlichen Teilnehmer des Modelcontests stellten und sie gewann.

Einer ihrer ersten Shootings hatte sie mit dem jungen Antony Armstrong-Jones, der gerade Prinzessin Margaret geheiratet hatte und unter dem Namen Lord Snowdon eine Weltkarriere als Photograph begann. So wurde sie schnell Covergirl von „British Vogue“ und machte viele Strecken und Produktionen mit David Bailey, Norman Parkinson und dem jungen Helmut Newton.

Dann der Schicksalsschlag, der Grace zu ihrer eigentlichen Bestimmung bringen sollte: Sie hatte einen Autounfall und der Fahrerspiegel wurde ihr ins Auge gedrückt und zerstörte ihr rechtes Auge. Nach langem Krankenhausaufenthalt und plastischen Operationen war ihr Modelkarriere zu Ende und sie bekam einen Job – zunächst als Assistentin und dann als Junior-Redakteur bei der British Vogue bei Conde Nast angeboten.

Wie sie selbst sagt ein Glücksfall und mit kleinen Schritten ging sie langsam ihren Weg und fand schnell ihre Rolle, denn sie sagt „bei Vogue kommen und gehen sehr viele weil sie nicht ihre rolle und ihre Nische finden“ und das System nicht verstehen. Sie ist bis heute eine Frau, die alles selbst macht die die Models selber anzieht, die Sachen nicht nur edited sondern auch alle selbst stylt. Die es vollbringt immer wieder Humor, surreale Effekte und Phantasie in ihren Strecken zu verbinden.

Seit über zwanzig Jahren ist sie nun, an einem Tag angefangen mit Anna Wintour, mit der sie auch vorher schon bei Vogue in London zusammen gearbeitet hatte bei Vogue U.S. in New York. Wie sie selbst sagt, lebt sie mit Anna so lange zusammen und es geht gut, weil sie beide total stur sind. Grace weiß, wie weit sie bei Anna gehen kann, Anna laut Grace nicht. Aber trotzdem sind beide eine kongeniale Verbindung, weil Grace mit traumwandlerischer Sicherheit die Produktionen umsetzten kann und Anna Wintour eine geniale Editoren ist, die mit knallhartem Blick genau die Spreu vom Weizen zu trennen weiß.
Es wäre total wünschenswert, dass Grace Coddington noch viele Jahre in ihrem Beruf bleibt – was ich mir aber noch mehr wünschen würde ist, dass sie noch viel von ihrem Wissen weiter gibt und Moderedakteurinnen mit ihrer Demut und Noblesse arbeiten. Sie hat nie die Disziplin verloren vor dem Handwerk der Modeschöpfer,den Photographen und den Models, die sie mütterlich und doch auch mit einer gewissen Strenge anleitet, ihr Bestes zu geben.

Für mich ist sie die Beste und ich freue mich wenn es eines Tages eine junge Moderedakteurin gibt, die in ihrem Geiste und mit ihrer Haltung agiert.

  • blomquist
    23. Mai 2011 at 09:48

    Grace ist einfach die Allerbeste!
    Die verehre ich sehr!

  • Rob
    23. Mai 2011 at 11:28

    Grace ist glaub ich der nettere Teil von dem Wintour/Coddington Gespann, zumindest wirkt sie nicht so zickig wie Anna!

  • Daisydora
    23. Mai 2011 at 11:56

    Wieder so ein schöner Bericht von dir, Peter, der mir einen neuen Blick auf Bekanntes eröffnet…. Ich mag beide US-Vogue-Urgesteine, weil sie viel wissen und können …

    Wir haben es gut 🙂

  • Chris
    23. Mai 2011 at 23:33

    Danke Danke Danke! Endlich weiß ich unwissender wer die rot haarige Frau ist! 😀

  • Katharina
    24. Mai 2011 at 11:45

    Danke Peter! 😀

  • Epi
    25. Mai 2011 at 11:43

    Ah, ein schöner Beitrag für all jene, die „The September Issue“ nicht gesehen haben. 😛 Eine absolut sehenswerte Dokumentation, nebenbei bemerkt…

    Und ich liebe Grace! (Anna ist mir aber ebenfalls sehr sympathisch. Den meisten Menschen scheint es da ja anders zu gehen.) Schade nur, dass die meisten Bücher von/über ihr/sie nahezu unbezahlbar sind – sieht man von den Katzenbüchern ab. 😀