Photograph by Oliviero Toscani
In den achtziger Jahren tat sich die Couture eher sehr schwer, war madamig und total vom Prêt-à-Porter überholt. Dior, Saint Laurent etc. zeigten eher brave Kollektionen die sich überwiegend an die amerikanische, japanische und Ölprinzessinnen Kundschaft richtete.
1987 fiel mir ein Mann in Paris auf, der völlig aus der Art schlug: Wie Jim Knopf in seiner Latzhose mit 10 cm großen bunten Knöpfen, auf dem Kopf eine Kappe auf der in großen Lettern ‚PARIS‘ prangte, dem der Schalk aus den Augen blitze und der auch noch Schwarzer war: Patrick Kelly.
Die Fahrkarte nach Paris hatte ihm seine beste Freundin besorgt: Pat Cleveland, Muse von Halston und das meist-gebuchte Model aller Schauen zu dieser Zeit, egal ob Chanel, Miyake, Anne-Marie Beretta, Saint Laurent, Castelbajac – es gab keine keine Schau ohne sie und sie tanzte wild und wie ein Korkenzieher über die Laufstege und die Sachen die sie vorführte gingen weg wie warme Semmeln.
Eigentlich sollte Patrick sich nur ein paar Wochen in Paris erholen aber er liess das Rückflugticket verfallen und blieb.
Photograph by Oliviero Toscani
Ein kleines Geschäft in der 6 Rue du Parc Royal war sein Grundstock mit selbst geschneiderten Sachen und die altehrwürdige Chambre Syndicale de la Couture Française nahm ihn als ersten Amerikaner und selbstredend als ersten Schwarzen auf. Sein bester Freund – das größte Enfant Terrible der Mode – Jean-Paul Gaultier hatte ihn empfohlen, um einen Verbündeten zu finden der mit ihm gemeinsam die verstaubte Modeszene aufmöbelte.
„Wild und verrückt seien seine Kreationen“ schrieben die Modejourna- listen und die Verehrerinnen seiner Modelle.
Pierre Bergé und Sonia Rykiel sponsorten den begabten, aber an Kapital nicht reichen Kelly, den man einfach lieb haben musste wie eine Mohren Puppe – die sammelte er auch wie ein verrückter und hatte davon gleich 800 Stück in seiner wundervollen Wohnung, die er mit seinem Freund Bjorn Amelan, einem skandinavischen Ästheten, der eben gerade den Designer Jean Royeré wiederentdeckt hatte, bewohnte.
Photograph of Patrick Kelly by Oliviero Toscani
„Le look kelly“ oder „kellyisme“, wie die Franzosen seinen Stil nannten, konnte viel bedeuten: Ein klassisch langes Abendkleid das sich innerhalb von einer Minute zum Mini-Kleid zusammenrollen lässt; ein enganliegendes kleines Schwarzes, mit Glasperlen bestickt, die sich zu einem Eiffelturm emporhoben. Eng taillierte Tiger Kostüme, knallrote Zigeuner-Röcke, Antilopenjacken, Kostüme im Fracklook mit Turbanen, klassische Kostüme mit großen Würfeln, Spielkarten, Riesen- knöpfen, Herzen oder großen Eiffeltürmen garniert, begleitet von Hüten die aussehen wie aufgeplatzte Wassermelonen oder aufgeklappten Krokodilsmäulern. Riesige, knall-bunte Plastikknöpfe sind seine Erkennungszeichen.
Die Kleider hatten die dollsten Namen: „Dschungel Lisa liebt Tarzan“, „Moona Lisa“ oder „die Lippen von Jessica Rabbit“. Kellys Mode sei die komische Erlösung in der damaligen Dramaphase der französischen Haute Couture, schrieb das New York Time Magazine, nicht ohne stolz darauf zu sein, dass ein Amerikaner die Pariser Herzen im Sturm eroberte.
Patrick hatte Spaß und hatte alles was man haben muss, um wunderbare witzige Mode zu machen; sein Weg war vorprogrammiert und wahr- scheinlich würden wir heute alle wissen, dass er seit vielen Jahren ein erfolgreicher Modeschöpfer ist.
Er hat so viel gelacht, hatte Spaß – aber alles hatte eine wunderbare Qualität, er war super fleissig und wahrscheinlich wäre er sehr sehr berühmt geworden. Patrick Kelly war der Sonnenschein und die grandiose Entdeckung der achtziger Jahre der Pariser Couture, genau wie Christian Lacroix der den Caramba-Stil einbrachte und den Barbarischen-Stil.
Die achtziger hatten aber der Welt auch eine Neuentdeckung gebracht, die die Modewelt fürchtete und tiefe Risse in sie brachte: AIDS.
Patrick starb am 1.Januar 1990. Er war einer der bezaubernsten, fröhlichsten Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Seine großen Plastikwürfel und das Mona Lisa T-Shirt, aus deren Rahmen er als Mona raus guckt liegen in meinem Kleiderschrank. Ich würde mich nie von ihnen trennen.
Danke Patrick! Sicherlich näht er jetzt große bunte Knöpfe an die Wolken und es ist sehr lustig mit ihm im Himmel.
Leser der ersten Stunde kam der Artikel sicher bekannt vor – am 28.August 2010 hatten wir ihn schonmal veröffentlicht. Durch einen Kommentar eines Stammlesers vor ein paar Wochen kam mir die Idee, diesen Beitrag nochmal zu veröffentlichen – schließlich haben wir in den vergangenen Monaten einige Leser dazugewonnen und Patrick war so ein wundervoller Mensch, an den ich heute erinnern wollte!
Peter
Monsieur_Didier
14. Mai 2012 at 09:07…DANKE lieber Peter…
das freut mich sehr…!!!
…ein wundervoller Artikel über einen aussergewöhnlichen Menschen, der leider viel zu früh die Bühne des Lebens verliess…
Siegmar
14. Mai 2012 at 11:24wie immer sehr schön geschrieben, ich kann mich erinnern und schon damals alles ein bißchen to much, das sein Freund „Jean Royeré“ wieder entdeckte find ich sehr toll, das wuste ich nicht.