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Peter’s Cuttings – Die Kofferkünstler vom Faubourg Saint-Honoré: Goyard

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Bild: Goyard

Als ich vor vielen Jahren meinen Corgie Smokie bekam und mich nach dem passenden Equipment umsah, riet mir eine Freundin „Geh doch zu Goyard, die haben die besten Halsbänder und Leinen und machen die nach Maß!“ Goyard? „Das sind die ältesten Koffermacher und Täschner von Paris,“ führte sie weiter aus. Kurz hinter dem Place Vendôme, schräg gegenüber des von Jean Michel Frank ausgestatteten Guerlain Ladens, war mir schon immer eine wunderschöner, holzverkleideter Gründerzeit-Laden aufgefallen, der Koffer und wenige Reisetaschen in einem völlig authentischem Interieur aus dunklem Holz des Fin de siècle anbot.
Die Koffer waren nach bester Handwerkstradition gearbeitet und mit einem beschichtetem Canvas überzogen, der ein wenig an einen schönen Jugendstil Fliesenboden erinnerte.

Alles erinnerte an die Ursprünge von Louis Vuitton, nur das Goyard noch älter und vor allem nicht expandiert war. Es gab nur dieses eine Geschäft an der Nummergoyard paris (2) 233 des Faubourg Saint-Honoré und die meisten Klienten ließen sich ihr Reisegepäck genau auf ihre Bedürfnisse sonderanfertigen.
Als ich das Geschäft betrat, war ich überwältigt, weil es so vollkommen wirkte – als wenn man um 1900 ein solches aufsuchte. Wenige Truhen und Koffer standen in den Auslagen und große Mustertafeln zeigten die verschiedenen Wappen und Initialen. Daneben viele Kronen, die man sich für die Personalisierung auf sein festes Gepäck von Hand aufmalen lassen konnte.
Im ersten Stock, erreichbar über eine wunderbare, herrschaftliche Holztreppe, kommt man zur Sammlung des Hauses mit historischen Stücken der ellenlangen Liste von gekrönten und ungekrönten Königen ihrer Zeit. Die Koffer von Coco Chanel, Charles de Gaulle, Isadora Duncan oder zahlreichen Hollywood-Legenden, vor allem aber das Gepäck der gesamten Königshäuser Europas. Nichts hatte die Zeit nicht überdauert, nichts war irgendwelchem Renovierungswahn zum Opfer gefallen. Ein schlummernder, von ungeheurer Qualität und Tradition geprägter Diamant, mit wunderschönen Produkten, die man alle gerne gehabt hätte.
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Bild: Goyard

Das Besondere war und ist aber eine kleine Ecke, die speziell den Vierbeinern vorbehalten ist und die, wie ich später herausbekommen sollte, bis heute von „tout Paris“ frequentiert wird. Neben Köfferchen, die die Hundenäpfe für die Reisegoyard paris (8) aufnehmen und aufgeklappt gleichzeitig als eine Art „Doggie Bar“ fungieren, waren allerlei fertige Halsbänder und Leinen präsentiert, die man gleich mitnehmen konnte.
Das Besondere aber – und für meinen Fall genau das Richtige – man kann alles auch nach den individuellen Proportionen seines Lieblings herstellen lassen und vor allem nach eigenem Geschmack und Wünschen. Das alles zu einer Zeit, als noch nicht Hundeläden wie Pilze aus dem Boden schossen und es eher schwierig war, besondere Dinge zu bekommen.
Da mein Hund so gut wie keinen Hals hatte, sondern eher das durchgängige Sportmodell, war das genau das Richtige für uns. Der Verkäufer zückte einen altmodischen, typisch französischen „Bloc de Commande“ mit vielen Durchschlägen für den Kunden, den Werkstätten und der Rechnungsabteilung, denn selbstredend bekam man, nachdem die Bestellung ausgeführt und ausgeliefert war, eine mit wunderbar-altmodischem Briefkopf versehende Rechnung auf feinstem Papier nach Hause geschickt.

Allein der Bestellvorgang war schon ein wahrer Genuss, weil die Fachkundigkeit und die Zeit, die man sich nahm und nimmt, beeindruckend ist und ungeheuer Spaß macht.
66 cm Umfang, der Verkäufer zog die Augenbrauen hoch, das wäre sehr viel, aber mein Hund hatte nicht nur eine starken Charakter, sondern auch den Hals eines Preisboxers. Dann die Fragen der Leine. Ich überlegte und war mir unsicher. Der Verkäufer blätterte in seinem Block die zahlreichen handgeschriebenen Durchschläge auf und die Namen auf den Adressköpfen wirkten wie das „Who is Who“ der internationalen Gesellschaft.

Zwei Seiten vor meiner Bestellung stoppte er und sagte nur trocken „Der Aga Khan nimmt für seine Hunde immer sieben Meter lange Leinen!“ – bis heute frage ich mich, warum die so lang sein müssen. Ich beließ es bei dem Halsband und habe seitdem dieses wunderbare Geschäft nie mehr vergessen. Nicht nur die Produkte gefielen mir, sondern der Service und die Liebenswürdigkeit, wie man sie nur in diesen Häusern erlebt, machen jeden Einkauf zum Genuss und begleiten einen genau wie das Reisegepäck lebenslang.
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Bild: Goyard

Goyard wurde 1998 von der Familie Goyard an die Familie Signoles verkauft und ist heute also noch ein richtiges Familienunternehmen und wird auch so geführt. Signoles hatte schon immer Goyard Koffer gesammelt und liebte das Handwerk und die Geschichte des Hauses. So kam es in die richtigen Hände und ist ein hervorragendes, intelligentes Beispiel für die sanfte Modernisierung einer Marke. Nicht Rendite und schnelle Expansion sowie die Kommerzialisierung in Massen standen im Vordergrund, sondern das Handwerk zu erhalten und eine Zukunft zu gestalten, die auf langsames Wachstum setzt.
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Bild: Goyard

Das Taschensortiment wurde ausgebaut und der klassische Goyard Canvas in poppigen, zeitgemäßen Farben erweitert. Es gibt Royal Blau, Post Gelb, Rot und Weiß. Die Formensprache blieb klassisch aber zeitgemäß und die große Spezialitätgoyard paris (10) sind nach wie vor noch die Individualisierungen. Übrigens schon lange bevor andere sie zur kommerziellen Vermarktung nutzten. Die Werkstätten wurden um ein Atelier und eine Produktion im südfranzösischen Carcassonne, wo auch der Nachwuchs ausgebildet wird, erweitert. Alles wird nach wie vor per Hand gefertigt und die Vierbeiner bekamen zusätzlich einen kleinen Laden gegenüber dem Stammhaus eingerichtet.
Heute hat Goyard ganz wenige Filialen in Japan und den USA bzw. verkauft in Cornern bei Barney’s und Bergdorf Goodman in New York und Selfridges in London Das Stammhaus wurde zwar mittlerweile renoviert aber eigentlich hat sich nicht das Mindeste verändert: Goyard wurde zwar hip, aber nie zur Massenmarke oder gar zum Massenprodukt. Es sind eher noch die Individualisten, die sich mit dem abwaschbaren und pflegeleichten, durablen Taschen versorgen und eine Zeitlosigkeit par excellence ausstrahlen.
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Bild: Goyard

Fröhlich, in bunten Farben künden sie von einer Zeit, als Reisen noch ein Abenteuer war und sind trotzdem ganz in unserer Zeit zu Hause, ohne aufgesetzt und modisch zu wirken. Eben echte Klassiker. Ein Besuch im Goyard Stammhaus ist ein Must für Paris-Besucher.

Sollte ich mal wieder einen Hund bekommen, werde ich wieder in die Rue du Faubourg Saint-Honoré gehen und ein Halsband und diesmal auch eine Leine bestellen. 7 Meter lang – wie der Aga Khan. Vielleicht verrät er mir ja, warum sie so lang sein müssen …

Alle Bilder: Goyard

  • Volker
    4. Februar 2013 at 10:48

    Goyard gefällt mir seit jeher besser als Vuitton

  • Siegmar
    4. Februar 2013 at 12:42

    ein ganz wunderbarer Artikel über wirklich exquisite ,zeitlose Taschen und Koffer und natürlich „Hundehalsbänder“

  • winterbube
    4. Februar 2013 at 13:19

    …und das Schöne darin ist, man kann die Hundehalsbänder zu bestimmten Gelegenheiten auch selbst tragen…

  • Monsieur_Didier
    4. Februar 2013 at 15:19

    …vielen Dank, Herr Winterbube…
    jetzt habe ich Bilder im Kopf, die ich so nicht haben möchte 😛

  • peter
    4. Februar 2013 at 16:28

    @didier
    an sowas hatte ich auch nicht gedacht…..na ja jeder hat so seine asoziation….

  • Horst
    4. Februar 2013 at 19:29

    Goyard finde ich ziemlich weit vorne, eine Tasche ist meine nächste Anschaffung…

  • Jacqueline
    4. Februar 2013 at 21:55

    Sorry, ich bleibe trotzdem dem Louis treu 😉

  • Karina
    5. Februar 2013 at 20:25

    Ich finde Goyard viel spannender als LV. Man wird nicht sofort erschlagen von dem Monogram wie es bei LV mittlerweile der Fall ist. Zuviele Teenis laufen mit den Monogram Täschchen auf dem Ku’damm rum, aber nur eine Frau hab ich bis jetzt mit einem Goyard Shoper erspäht…

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    10. Februar 2013 at 10:16

    […] Nach kurzer Abwesenheit bin ich zurück und übernehme wieder meinen Job: Voilà, werte Leser, hier der sonntägliche Rückblick auf ausgewählte Horstson-Highlights! 1) Let the music play – Jan hat mir mal wieder Futter für die Ohren verpasst. Nach seinem Musiktipp vom Donnerstag läuft bei mir “Fantasy” von der Band “Ms Mr” in Heavy Rotation … 2) In der aktuellen Ausgabe der GQ gibt es einen Artikel zum Thema Männermodeblogs – natürlich auch mit Horst und Peter. Sehen die beiden ‘New Kids on the Blog‘ nicht toll aus? 3) Ja, wir Jungs hier bei Horstson sind alle Fans von den Schwimmshorts von Orlebar Brown. Über die Kollektionserweiterung für die perfekte Sommer- und Urlaubsgarderobe berichtete Peter gestern hier. 4) Danke Peter, Du und Dein Artikel seid Schuld, dass ich jetzt dringend das neue Geschirr von Hermès haben will. Alle Einzelheiten über das grandiose Design und die tolle Präsentation könnt ihr hier nachlesen. 5) Der Mann macht es einfach richtig. Die Männer-Kollektion von Tom Ford ist perfekt. Viele Bilder gab es am Dienstag zu sehen. Ich glaube ich lasse mich in Zukunft auch so ganz leicht aus der Froschperspektive fotografieren … 6) In Peter’s Cuttings am vergangenen Montag ging es um das französische Kofferlabel Goyard: Die Kofferkünstler vom Faubourg Saint-Honoré […]

  • Blackberry 'n Cream
    10. Februar 2013 at 13:10

    Ich liebe das Goyard-Muster, vor allem im weißen Canvas. Vielleicht gönne ich mir beim nächsten Paris-Besuch wieder etwas.