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Peter’s Cuttings: Der Krieg der Knöpfe – Desrues

Als ich ein kleiner Junge war, konnte ich nie genug bekommen von dem Film „Der Krieg der Knöpfe“. Zwei französische Jugendbanden in einem Dorf kämpfen gegeneinander. Lebrac, der Anführer der einen Gruppe, nimmt eine Geisel und schneidet ihm alle Knöpfe von der Kleidung. Darauf hin wird bei der nächsten Runde des Bandenkrieges Lebrac gefangen genommen und ihm passiert das gleiche. Der Film ist auch heute noch ein super Klassiker und ich freu‘ mich jedes mal wieder, wie als Kind, wenn er mal wiederholt wird.
Scheinbar rührt daher meine Vorliebe für besondere und ausgefallene Knöpfe. Flohmärkte und auch die Knopfkiste meiner Großmutter waren danach nie mehr vor mir sicher, manche sind kleine Kunstwerke. Aus Schildpatt oder Horn, aus Trocas-Perlmutt, manche bestickt oder mit kleinen Farbsteinen. Nun denkt man, dass es solche Handwerker, die sich um Knöpfe die mit der Hand gefertigt werden, gar nicht mehr gibt, seitdem Plastik und Kunststoffe den Konfektions-Knopf dominieren.

Im Jahr 2002 hatte Chanel die Idee, besondere Handwerker, die Ihnen schon seit Jahrzehnten die Zutaten für Ihre märchenhaften Creationen lieferten, zusammen zu fassen und zu kaufen. Aber nicht um sie einfach in ihre Firma einzugliedern sondern um sie finanziell unabhängig als Handwerker zu erhalten.Jeder normale Konzern hätte sich ausbedungen, nur für sich zu arbeiten und nicht die Konkurrenz wie Dior oder Valentino zu beliefern. Chanel wollte das die Betriebe sanft modernisiert werden und ihr ganz normales Geschäft weiterführen konnten. Zusätzlich aber auch für sie besondere Creationen entwickeln und verstärkt deren perfekte Handwerklichkeit zu nutzen. Die schönsten Teile davon sollten jährlich in einer kurz vor Weihnachten präsentierten Kollektion eingesetzt werden – der Art et Metiérs Collection, als Hommage an das Handwerk.
Neben Meistersticker Lesage, dem Schmuckmacher Robert Goossens, dem Hutmacher Michel und dem wunderbaren Maß-Schuh Atelier von Massaro in der Rue de la Paix gehörten auch der Blüten- und Federaccessoires Hersteller Lèmarie dazu und auf dem Lande eine Werkstatt die Knöpfe und Schmuckstücke in reiner Handarbeit seit vielen Jahren herstellte: Desrue.

Plailly, weit weg von Paris an der Oise gelegen, erinnert an das Dorf aus dem „Krieg der Knöpfe“ ruhige französische Provinz mitten im Dorf liegt der moderne Pavillon von Desrues. Seit 70 Jahren fertigen mittlerweile 160 Handwerker Wunderwerke, die alle wie die prachtvollen Knöpfe an den Jacken von Maharajahs, Ali Baba oder dem kleinen Muck entlehnt wirken. In den Archiven befinden sich mehr als 80.000 verschiedene Modelle – von der Anfangszeit bis zum heutigen Sortiment. Dazu kommen die Sondercreationen für die verschiedenen Modehäuser, die schon zur Gründungszeit die Kunden von Desrues waren.

Jeanne Lanvin und Madeleine Vionnet, die Modeköniginnen der dreißiger Jahre gehörten zu den ersten, die von den Knöpfen, Schliessen und Schmuckstücken fasziniert waren. Coco Chanel ließ ihre byzantinischen Broschen nach dem Comeback 1954 dort fertigen und Yves saint Laurents frisch erfundenes Prêt-à-Porter Rive gauche bekam auch sofort emaillierte Herzknöpfe von Desrue.

Große, schwere Pressen formen aus Metall, Silber oder Filigran die Grundformen, die dann auf die verschiedenste Weise weiter verarbeitet werden: ziseliert, skulptiert, gefärbt, emailliert oder poliert. Dazu werden verschiedene Techniken eingesetzt, wie Schmelzglasfluss, mit denen Halb-Edelsteine imitiert werden.
Applikation von Perlen,Strass oder Halbedelsteinen gehören ebenso zu den seltenen noch erhaltenen Verfahren, wie auch die Methode ein aus extrem verdichteter Milch unter ungeheurem Druck einer Pressform erzeugter Grundstoff der wie Kunststoff wirkt, aber nur noch für bestimmte Knöpfe bei Chanel verwandt wird.

Zusätzlich macht Desrue sogenannte Minauderen – das sind kleine, aus Metall gefertigte Abendtaschen, die in den zwanziger Jahren vor allem von den großen Juwelieren wie Cartier oder van Cleef gemacht wurden. Kleine Metallkästen an einer Kette, in die ein Lippenstift und etwas Puder passt. Chanel hat solche immer wieder in der Kollektion – zum Beispiel mit Astrologischen Sternzeichen, oder auch in Form des Stucks des Stammhauses in der Rue Cambon oder mit Coco’s eigenem Sternzeichen, dem Löwen, darauf.

4.000 Knöpfe schaffen die Handwerker pro Tag, wenn es sich um einfache Modelle handelt, weit aufwendiger sind natürlich solche Prachtstücke wie aus der Metiers d’Art Kolletion Paris Byzanz, wo für jedes Modell teilweise drei bis vier verschiedene Knopfgrößen plus Schnallen und Clips kreiert wurden. Nicht nur das Knöpfe ein Modell total auf- oder abwerten können, sie sind auch so etwas wie die Visitenkarte der Modehäuser. Kein Modehaus entwickelt soviele Spezialmodelle und mit Ihren Synonymen versehende Knöpfe wie Chanel: Das Glücksklee, der Löwenkopf, die Camelie, Nummer 5 Flaschen oder die verschlungenen C’s sind nur einige Beispiel dafür.
In einer Kollektion dominiert das Motiv der Kornähre, und es gab auch schon welche mit dem Konterfei der Gründerin oder russischen Zarenadlern darauf für die Paris-Moskau Kostüme.

Dank Chanel bleibt dieses Handwerk nicht nur erhalten sondern entwickelt sich auch weiter.Moderne Lasertechniken lassen heute Perlmutt auf den Hundertstel Millimeter genau schneidbar werden – allerdings kann nur von Hand eines erfahrenden Handwerkers mit jahrelanger Erfahrung die Emaille punktuell in die winzigen Öffnungen gebracht werden oder die Glasflüsse appliziert werden.
Detailversessenheit kennzeichnet alle Ihre Produkte bis auf das Äusserste.
Wer Lust hat mehr zu entdecken, die Firma hat eine sehr gut gemachte Website – unter www.Desrues-paris.com kann man alle Facetten entdecken.

Der prachtvollste Krieg der Knöpfe den man sich vorstellen kann, findet immer noch auf einem kleinen französischen Dorf statt.

Alle Bilder: Chanel

  • Epi
    25. Juli 2011 at 09:52

    Oh Gott, was für ein phantastischer Artikel! Ich bin ganz hingerissen… – was nicht nur daran liegt, dass auch ich als kleiner Junge Knöpfe gesammelt habe und Chanel liebe. 🙂

    Vielen lieben Dank für diesen entzückenden Einblick.

  • peter kempe
    25. Juli 2011 at 10:36

    das material aus gehärteter dickmilch heißt übrigens Galalith!!das ist mir erst heute eingefallen:-))

  • abeny
    25. Juli 2011 at 10:50

    ich liebe deine geschichten und deinen blick auf die dinge, danke für den schönen wochenanfang

  • Johan
    25. Juli 2011 at 10:58

    Herr Kempe, ganz wundervolle Geschichte!

  • blomquist
    25. Juli 2011 at 11:18

    Peter-
    Du bist so wunderbar!

  • Daisydora
    25. Juli 2011 at 12:42

    Eine herrliche Geschichte und so schön erzählt. Durch diese und andere Geschichten von dir gewinnt man ganz besondere Einblicke in die Branche, die bei mir zu der Einsicht beitragen, dass eben nicht jeder alles kann…. danke, Peter 🙂

  • Chris
    25. Juli 2011 at 12:43

    Als Laie denkt man das alles aus einem Haus kommt… Danke für den Hintergrund!

  • siegmarberlin
    25. Juli 2011 at 13:19

    immer wieder wunderbar, Deine detaillierten Beschreibungen, Dein Blick auf die Dinge, Danke !

  • peter kempe
    25. Juli 2011 at 14:35

    @ alle
    ihr seid wirklich klasse!!danke für euer lob das spornt an und ich evrsprech euch es gibt noch tausend gute geschichten die ich euch erzählen werde.mode macht spaß und ist einfach eine unendliche geschichte…

  • Therese
    25. Juli 2011 at 15:09

    Vielleicht solltet ihr solche Geschichten mal in einem Buch veröffentlichen lassen 🙂

  • siegmarberlin
    25. Juli 2011 at 17:41

    @ Therese

    ein schöner Gedanke mit dem Buch und sicherlich informativer u. besser bebildert als dieses merkwürdige Buch, war das überhaupt ein Buch? “ Modestrecke „

  • Horstson » Blog Archiv » Warum Peters Cutting’s heute den Grünen Punkt und einen angebissenen Apfel haben
    5. März 2012 at 09:03

    […] Als ich ein kleiner Junge war, konnte ich nie genug bekommen von dem Film “Der Krieg der Knöpfe”. Zwei französische Jugendbanden in einem Dorf kämpfen gegeneinander. Lebrac, der Anführer der einen Gruppe, nimmt eine Geisel und schneidet ihm alle Knöpfe von der Kleidung. Darauf hin wird bei der nächsten Runde des Bandenkrieges Lebrac gefangen genommen und ihm passiert das gleiche. Der Film ist auch heute noch ein super Klassiker und ich freu’ mich jedes mal wieder, wie als Kind, wenn er mal wiederholt wird. Scheinbar rührt daher meine Vorliebe für besondere und ausgefallene Knöpfe. Flohmärkte und auch die Knopfkiste meiner Großmutter waren danach nie mehr vor mir sicher, manche sind kleine Kunstwerke. Aus Schildpatt oder Horn, aus Trocas-Perlmutt, manche bestickt oder mit kleinen Farbsteinen. Nun denkt man, dass es solche Handwerker, die sich um Knöpfe die mit der Hand gefertigt werden, gar nicht mehr gibt, seitdem Plastik und Kunststoffe den Konfektions-Knopf dominieren. Weiterlesen […]

  • Monsieur_Didier
    5. März 2012 at 09:29

    …ein wunderbarer Artikel,
    einfach ganz wunderbar…!